LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 09.12.04

Presse-Infos | Der LWL

¿Für einen Junkie einen Riesenchance¿
Interview mit Jörg Böckem, Buchautor und Ex-Patient der Gütersloher Suchtklinik

Bewertung:

Gütersloh (lwl). Jörg Böckem ist seit den Neunzigerjahren freier Journalist unter anderem für Tempo, den Spiegel und die Zeit. Zugleich war er rund zwanzig Jahre lang drogensüchtig. Seit 2001 ist er drogenfrei ¿ nach einer Therapie in der Bernhard-Salzmann-Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Gütersloh. In seinem Buch ¿Lass mich die Nacht überleben¿ (2004) erzählt Böckem von seinem Doppelleben.

Herr Böckem, war die Therapie in der Bernhard-Salzmann-Klinik so schlimm, dass Sie nicht drüber schreiben wollten?
Nein, es gab nur nichts mehr zu erzählen. Mit der Fahrt nach Gütersloh war das Thema des Buches ¿ meine Sucht und mein Kampf dagegen ¿ abgeschlossen. Außerdem war die Therapie in der Bernhard-Salzmann-Klinik ja schon meine dritte, und so sehr unterscheiden sich die Inhalte nicht.

Drei Drogentherapien ¿ heißt das, dass die ersten beiden fehlgeschlagen sind und erst die dritte Therapie in der LWL-Klinik geholfen hat?
Keine ist wirklich fehlgeschlagen. Jede hat mir einen Mosaikstein zu einem Leben ohne Drogen geliefert. In Gütersloh ging es für mich unter anderem ums Erwachsenwerden. Ich musste an meinem Beziehungsverhalten arbeiten, meiner Frustrationstoleranz, meinem Anspruchsdenken. Das ABC der Therapie hatte ich da längst gelernt.

Wurde es dadurch schwieriger oder leichter?
Die Entscheidung, noch eine Therapie zu versuchen, fiel mir sehr schwer. Was sollte da noch passieren, was in den ersten beiden nicht passiert war? Mein Mindestanspruch war, wieder zu Kräften zu kommen, körperlich, psychisch und emotional. Das ist für einen Junkie schon eine Riesenchance, alles andere ist ein wunderbarer Bonus. Ich hatte einen großen Vorteil gegenüber vielen anderen Patienten: In meinem Leben gab es nicht nur die Droge, sondern einen tollen Beruf und ein soziales Umfeld. Dahin wollte ich wieder zurück.

Warum sind Sie dazu nach Gütersloh gegangen?
Die Bernhard-Salzmann-Klinik hatte mir mein Hamburger Therapeut empfohlen. Als ich ankam, fand ich erstmal alles grauenhaft: die Gebäude, das Konzept, vor allem den arbeitstherapeutischen Schwerpunkt. Zwei Wochen lang wollte ich nichts wie weg. Dann dachte ich mir: Es ist meine Sache, was ich draus mache. Im Rückblick war das eine gute Entscheidung, vor allem, weil ich von meiner Therapeutin ziemlich begeistert war.

War es für Sie problematisch, die Geschichte Ihrer Sucht in einem Buch auszubreiten?
Nein, denn ich habe drei Therapien lang nichts anderes getan, als darüber zu reden. Die Sucht ist ein so großer Teil meines Lebens ¿ wenn ich sie unter den Teppich kehren würde, was hätte ich noch? Dieses Buch bedeutet mir von allen meinen Texten am meisten. Und als Journalist muss ich sagen: Mein Leben ist wirklich guter Stoff.

Und jetzt sind Sie clean für immer?
Die Sicherheit, es endgültig geschafft zu haben, gibt es nicht. Im Moment spielt die Droge in meinem Leben keine Rolle. Ich habe aber nie den Anspruch gehabt, in der Klinik geheilt zu werden. Ich wusste immer: Die Therapie bringt mir Urlaub von der Welt und gibt mir die Möglichkeit, neue, andere Erfahrungen zu machen. Das wirklich Anstrengende kommt immer erst danach.

Suchttherapie beim LWL: Von der Soforthilfe bis zur Rehabilitation
An vielen der 27 Standorte des LWL-Psychiatrieverbundes gibt es therapeutische Angebote für suchtkranke Patienten ¿ stationär, teilstationär oder ambulant. In Gütersloh ist für ihre medizinische Rehabilitation die Bernhard-Salzmann-Klinik zuständig, eine Abteilung der Westfälischen Klinik Gütersloh. Behandelt werden dort Menschen, die von Alkohol, Medikamenten oder illegalen Drogen abhängig sind, sowie pathologische Spieler.

Während ihres Aufenthalts erlernen die Patienten suchtmittelfreie Strategien zur Lösung ihrer persönlichen Lebensprobleme. Das übergeordnete Ziel ist die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit. Darüber hinaus soll die Behandlung unter anderem dazu führen, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit wiederzuerlangen, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu festigen, Eigenverantwortung zu übernehmen und Verhaltensalternativen zu entwickeln.


Mehr Infos unter:
https://www.lwl-psychiatrieverbund.de



Pressekontakt:
Karl G. Donath, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org




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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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