LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 27.12.01

Presse-Infos | Der LWL

An Silvester sind die Liebesorakel besonders auskunftsfreudig
LWL-Volkskundlerin erklärt Bräuche zum Jahreswechsel

Bewertung:

Westfalen (lwl). Silvester wird heute ausgiebig gefeiert, nur die Wenigsten müssen arbeiten. Im 19. Jahrhundert war der Tag für die Männer im Norden Westfalens alles andere als ein Feier-tag, denn dann übernahmen die Frauen für kurze Zeit das Regiment: ¿Die Männer mussten sich an diesem Tag um den Haushalt und um die Kinder kümmern, sie mussten tun, was ihnen die Frauen auftrugen¿, berichtet Christine Gottschalk, Volkskundlerin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).

Besser haben es die Junggesellen aus
Salchendorf bei Netphen (Kreis Siegen-
Wittgenstein): Seit 1920 gibt es hier den
Brauch, dass sich die Junggesellen zu einer ¿Wurstekommission¿ zusammenfinden. Dabei ziehen die jungen Burschen mit einem Wagen durch den Ort. Auf diesem Wagen beleuchten sie kuriose Geschehnisse kritisch und versehen sie mit einem spitzen Kommentar. Am Ende des Umzuges verbrennen sie den Wagen und feiern in einem Gasthaus weiter. Erst gegen 20.30 Uhr dürfen die Frauen dazukommen. Die jüngeren Frauen ziehen unterdessen durch das Dorf und schreiben Neujahrswünsche auf Treppenstufen. Um Mitternacht versammeln sich alle in der Ortsmitte und ziehen noch einmal singend durch die Straßen.

Das neue Jahr wurde früher mit Schüssen aus Gewehren, Pistolen oder selbstgemachten Böllern begrüßt. ¿Man böllerte gerne mit Karbid in Milchkannen. Weil durch die selbstgemachten Böller viele Unfälle passierten, wurde das Neujahrschießen bereits im 17. und 18. Jahrhundert von den Be-hörden verboten. Daran hat sich aber kaum jemand gehalten¿, so die Expertin von der Volks-kundlichen Kommission für Westfalen des LWL.
In Nienberge bei Münster gab es früher das Neujahrshämmern. Dabei versammelten sich der Schmied und seine Gesellen um den Amboss. Mit einem lustigen Ping-Pong-Takt hämmerten sie zunächst das alte Jahr aus. Um Mitternacht gab der Schmied mit zwölf lauten Schlägen das neue Jahr bekannt. Egal ob geböllert oder gehämmert wird: Die Lärmbräuche sollen die bösen Geister, die in der Silvesternacht besonders gefährlich sein sollen, abwehren und vertreiben. Gleichzeitig sind sie aber auch Ausdruck der Freude und Festlichkeit, schließlich wurden in Westfalen auch bei anderen Anlässen die Honoratioren mit Schüssen geehrt.

In ganz Westfalen ist der Brauch verbreitet, in der Silvester-nacht die Zukunft zu befragen. ¿Der Glaube an den magischen Übergangs- und Jahresanfangszauber schlägt sich in Glücks-bringern wie Schornsteinfegern, Kleeblätter und Bleigießen und anderen Orakelsprüchen nieder. Dabei soll der Anfangszauber immer die Zukunft des Beglückwünschten positiv beeinflussen¿, so Gottschalk.

Dem weit verbreiteten Bleigießen werden dabei nicht nur zu Aussagen über Glück, Reichtum und Leid zugeschrieben, es gilt gleichzeitig auch als Liebesorakel: Dabei werden aus der Form des erkalteten Bleis, das zuvor geschmolzen und in kaltes Wasser gegossen wird, Caraktereigenschaften und Namenszüge des künftigen Partners gedeutet.

Früher gab es noch andere Liebesorakel. So stellten sich die Töchter einer Familie mit dem Rücken zueinander im Kreis auf und warfen über ihren Kopf einen Pantoffel. Zeigte der Pantoffel
mit seiner Spitze zur Tür, so deutete das daraufhin, dass diese Tochter zuerst das Haus verließ und heiratete. Aber auch Apfel-
und Kartoffelschalen mussten als Liebesorakel herhalten: Die jungen Frauen warfen sie sich über den Kopf, aus den Verschlingungen der Schalen schlossen sie dann auf die Anfangsbuchstaben ihres Zukünftigen.

Bisweilen wurden die Orakel auch mit christlichen Elementen verquickt. Dabei spielte für die evangelische Bevölkerung Westfalens die Bibel und das Gesang-buch eine große Rolle: Beim Erwachen am Neujahrstag schlugen die Gläubigen eine beliebige Seite in den Büchern auf, die
sie dann als Fingerzeig für ihr persönliches Schicksal im neuen Jahr deuteten.

¿Wie Neujahr, so das ganze Jahr¿, aus diesem Spruch resultierte die schon bei den Römern bekannte Sitte, sich Neujahr zu beschenken. Das war noch in den 1930er Jahren in einigen Teilen Westfalens üblich. Am Neujahrsmorgen versuchte jedes Familienmitglied als erster dem anderen ein frohes Neues Jahr zu wünschen. Der Beglückwünschte antwortete dann: ¿Dat hestu wunnen.¿ Der Schnellere erhielt zur Belohnung einen Neujahrskuchen, Äpfel oder Ähnliches. ¿Dieser Brauch wurde das ¿Abgewinnen des Neuen Jahres¿ genannt. Ihm lag die Vorstellung zu Grunde, dass der erste Glückwunsch, den man im Neuen Jahr erhält oder ausspricht, besonderes Glück bringen sollte¿, erklärt LWL-Volkskundlerin Christine Gottschalk.

Am Neujahrstag gab es ein spezielles Gebäck. In Westfalen waren das die Waffeln, wobei es jedoch zwei unterschiedliche ¿Waffelgebiete¿ gab. Im Süden gab es weiche Waffeln, im Nordwesten die knusprigen, die auch Rölleken, Piep- oder Eiserkuchen genannt werden.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband für die 8,5 Millionen Menschen in der Region. Mit seinen 40 Schulen, 17 Krankenhäusern, 17 Museen und als einer der größten Sozialhilfezahler Deutschlands erfüllt der LWL Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, der durch ein Parlament mit 135 Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert wird.




ca. 5471 Anschläge



Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 / 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0






Ihr Kommentar




zur Druckansicht dieser Seite

zu den aktuellen Presse-Infos