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Mitteilung vom 30.04.13

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LWL zeichnet 75 Jahre alte Johanneskirche in Hamm-Norden als Denkmal des Monats aus

Gemeindemitglieder waren in NS-Zeit ¿Bekennende Christen¿

Bewertung:

Hamm (lwl). Die 1938 in Hamm-Norden eingeweihte Johanneskirche hat eine besondere Bedeutung, weil ihre Gemeindemitglieder zur evangelischen Bekenntnisgmeinde gehörten. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat die Kirche jetzt als Denkmal des Monats ausgezeichnet.

¿Die ¿Bekennenden Christen` wehrten sich gegen eine ¿Gleichschaltung` der Deutschen Evangelischen Kirche durch die Nationalsozialisten. Sie grenzten sich damit von den ¿Deutschen Christen` ab, die sich der Ideologie des Nationalsozialismus anpassten. Die Gemeinde hatte während der Bauzeit mit Behinderungen durch die Nationalsozialisten zu kämpfen, einige bauliche Zeugnisse der Johanneskirche weisen auf ihre Rolle als Kirche der Bekennenden Christen hin¿, erklärt LWL-Denkmalpflegerin Dr. Eva Dietrich.

Hintergrund
Der Turm an der Nordwestecke des Langschiffes dominiert das Umfeld, in dem die Kirche mit dem östlich anschließenden Friedhof das Zentrum bildet. Die schlichten kompakten Formen von Turm, Vorhalle mit Rundbögen und langgestrecktem Kirchenbau sowie von den Querhausanbauten mit Satteldach vermitteln einen strengen, wehrhaften Charakter. In den Backsteinmauern der West- und Ostseite gibt es neben kleineren Fenstern nur ein Rundfenster und Fensterbänder.

Von der Vorhalle gelangt man in den Vorraum der Kirche, der aufgrund eines zunächst fehlenden Gemeindehauses als Versammlungsraum der Gemeinde eingerichtet wurde. Die Holzdecke des Vorraumes bildet den Boden der Orgelempore, die mit Bildern aus dem Leben Jesu in den Brüstungsfeldern zum Mittelschiff abschließt. Der dreischiffige Kirchenraum wird von der hohen, verbretterten Gewölbe in Form einer Halbkreistonne dominiert. Der ebenfalls von einem Tonnengewölbe dominierte Chorraum ist durch eine Treppenanlage besonders erhöht. Unter ihm befindet sich die so genannte Krypta, die als Kapelle des sich östlich anschließenden Friedhofs dient.

Der äußerlichen Strenge der Kirche steht eine Vielzahl an Bildern und Symbolen im Inneren entgegen: Auf die flache Holzdecke der Seitenschiffe sind die Tierkreiszeichen gemalt, in die Wangen der Kirchenbänke sind unterschiedliche Embleme geschnitzt, Engelskulpturen zieren die Stützen und auf Balkenköpfen der Orgelempore befinden sich gemalte Masken.

Wie bereits bei der Grundsteinlegung am 1. August 1937, bei der lediglich eine Delegation von der Pauluskirche im Zentrum Hamms zur Baustelle der Johanneskirche ziehen durfte, wurde die Einweihung der Johanneskirche am 20. März 1938 von den Nationalsozialisten behindert. So musste eine Prozession von der Innenstadt zur Johanneskirche von den Haupt- auf die Nebenstraßen verlagert werden.

Neben Elisabeth Coester für die Gestaltung der bleiverglasten Fenster beauftragte die Gemeinde Max Schulze-Sölde für die Bilder der Emporenbrüstung und Ernst Barlach für den Taufstein. ¿Auch wenn von Barlach, der im Oktober 1938 starb, nur Entwürfe für den Hammer Taufstein überliefert sind, ist es vielsagend, dass die Gemeinde einen Künstler beauftragte, dessen Arbeiten 1937 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden und über den ein Ausstellungsverbot verhängt worden war¿, so Dietrich.

Zu den eindeutigen Zeugnissen der Bekennenden Gemeinde gehört die 1937 vom Bochumer Verein gegossene Stahlglocke mit der Inschrift: ¿+ Ich bin der Herr + Dein Gott/Die Bekennende Gemeinde Hamm gab diese Bußglocke 1937¿.

¿Ebenso lassen die übrigen, der Bibel entnommenen Inschriften im Kirchenraum eine Deutung als Bekenntnis gegen den Nationalsozialismus zu¿, erklärt Dietrich. Hervorzuheben seien hier die beiden Inschriften im Langhaus: ¿Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein¿ und ¿Hier ist nichts anders, denn Gottes Haus¿.

Die Engelskulpturen an den Doppelstützen des Langhauses schlagen den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart: Während vier bauzeitliche Engel den Kampf des Guten gegen das Böse darstellen, wurden in den 1980er-Jahren zwei und 2011 zwei weitere Figuren ergänzt. Diese weisen auf aktuelle Anliegen der Gemeinde, wie den Dialog der Religionen, den Weltfrieden und die Notwendigkeit von Toleranz in einer modernen Gesellschaft, hin.

Mitte der 1930er Jahre lebten etwa 1.800 Protestanten im Norden Hamms. Der Wunsch nach einem Kirchen-Neubau in diesem Stadtteil nahm konkrete Formen an. Der zuständige Pfarrer der Hammer Pauluskirche, Martin Berthold, Mitglied der Evangelischen Bekenntnisgemeinde, unterstützte die Spendensammlungen des Kirchbauvereins, der bereits unter ersten Repressionen der Nationalsozialisten zu leiden hatte.

Über den Soester Pfarrer Girkon entstand der Kontakt zum Hamburger Architekturbüro Hopp & Jäger, das besonders in Norddeutschland tätig war und in Hamburg kurz zuvor zwei Kirchen errichtet hatte, die einige Parallelen zur Johanneskirche in Hamm aufweisen. Obwohl es Zusagen von Eisenspendern gab, durften Eisen und Stahl nur eingeschränkt verwendet werden, da sie für die Rüstung gebraucht wurden. Deshalb plante der Architekt Bernhard Hopp einen Backsteinbau mit innerer Holzkonstruktion, die nur wenig Eisen zur Befestigung benötigte.



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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