Mitteilung vom 05.03.10
Presse-Infos | Kultur
¿Auf kritischer Wallfahrt zwischen Rhein und Weser¿
LWL gibt Westfalen-Beschreibung von Justus Gruner aus dem Jahr 1801 heraus
Münster (lwl). Zum Auftakt des 19. Jahrhunderts veränderte sich die politische Landkarte Deutschlands in der Folge der Französischen Revolution grundlegend: Durch das Gesetz vom 27. April 1803 wurden im Zuge der Säkularisation die geistlichen Landesherrschaften und die Ordensniederlassungen zugunsten weltlicher Fürsten aufgehoben. Westfalen war unter anderem mit den Fürstbistümern Münster, Osnabrück und Paderborn, dem Herzogtum Westfalen und dem Vest Recklinghausen sowie mehr als 200 Klöstern ganz besonders betroffen. Mit Ausnahme Osnabrücks fiel der weit überwiegende Teil dieser geistlichen Territorien und Einrichtungen an das Königreich Preußen. Der 1777 in Osnabrück geborene Jurist und Publizist Justus Gruner hat die Situation in Westfalen vor diesem Umbruch in einer Denkschrift und einem Roman festgehalten, die die Historische Kommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) jetzt unter dem Titel ¿Auf kritischer Wallfahrt zwischen Rhein und Weser¿ herausgegeben hat.
Dem Gesetz von 1803, dem sogenannten Reichsdeputationshauptschluss, waren lange Verhandlungen voraus gegangen, und die weltlichen ¿Gewinner¿ der Säkularisation waren auf die Übernahme neuer Territorien vorbereitet. Aber auch die interessierte Öffentlichkeit verfolgte die sich überstürzenden Ereignisse - die Revolution und die Abschaffung der Monarchie in Frankreich, die Verbreitung der Freiheitsideale, die kriegerischen Auseinandersetzungen - und bezog Stellung. Besondere Beachtung fanden die Schriften Justus Gruners.
Im Jahr 1800 reiste er vier Monate durch Westfalen und fasste 1801 seine Eindrücke in einer Denkschrift mit dem Titel ¿Skizze des jetzigen Zustandes des geistlichen Westphalens¿ zusammen. Während dieser Reise knüpfte er viele Kontakte, auch zu preußischen Offizieren, die mit ihren Truppen in Nordwestdeutschland stationiert waren, und ihm gelang 1801 der Eintritt in den preußischen Staatsdienst. Die Denkschrift von 1801 sandte er 1802 nicht nach Berlin, wohl aber ein Buch und weitere Vorschläge zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit.
Hintergrund
Daneben verfasste er einen Roman, der an ein breiteres Publikum gerichtet war; die Widmung des Buches der preußischen Königin Luise zeigt, dass er auch an Frauen als Leserinnen dachte. Der vom Geist der Aufklärung geprägte Roman verfolgte das Ziel, Unterhaltung und Wissensvermittlung zu kombinieren. Er erschien 1802 unter dem heute befremdlichen Titel ¿Meine Wallfahrt zur Ruhe und Hoffnung oder Schilderung des sittlichen und bürgerlichen Westphalens am Ende des 18. Jahrhunderts¿ und fand eine breite Resonanz. Seine pointierte Kritik der bereisten geistlichen Staaten, seine negative Bewertung von Klöstern aber auch einiger weltlicher Kleinstterritorien wie der Grafschaft Rietberg, deren Landesherr in Wien lebte und die Grafschaft finanziell schwer belastete, stieß neben Zustimmung auch auf Ablehnung.
Auch in der Landesgeschichtsforschung werden seine Schriften unterschiedlich bewertet, wie die lebhafte Diskussion bei der Ausstellung ¿Zerbrochen sind die Fesseln des Schlendrians¿ im LWL-Landesmuseum in Münster anlässlich der 200. Wiederkehr des Reichsdeputationshauptschlusses 2003 zeigte. Die nunmehr vorliegende Edition ermöglicht eine grundlegende Beschäftigung mit Gruners Beobachtungen und seinen daraus gezogenen Schlüssen.
Sowohl der Roman als auch die bisher nicht veröffentlichte Denkschrift Gruners, die eng zusammen gehören, wurden von der Historischen Kommission für Westfalen und dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz gemeinsam herausgegeben. Beide Schriften werden in der Edition ausführlich kommentiert, durch zeitgenössische Kritiken und eine Karte ergänzt und durch einen Namenindex erschlossen. Die Publikation bietet eine facettenreiche Beschreibung der Verfassung, Verwaltung und Rechtsprechung, Kultur-, Sozial- und Wirtschaftspolitik des Gebietes zwischen Rhein und Weser um 1800 und richtet sich auch an einen breiten interessierten Leserkreis.
Auf kritischer Wallfahrt zwischen Rhein und Weser.
Justus Gruners Schriften in den Umbruchsjahren 1801 ¿ 1803.
Bearb. von Gerd Dethlefs und Jürgen Kloosterhuis.
Köln: Böhlau 2009. XLVI, 664 S. 49,40 Euro
(Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Band 65)
(Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XIX: Westfälische Briefwechsel und Denkwürdigkeiten, Band 11)
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0
zur Druckansicht dieser Seite
zu den aktuellen Presse-Infos