Henrichshütte Hattingen

LWL-Industriemuseum | Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur

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persone dietro la macchina

Menschen hinter der Kamera

Im Zentrum der Ausstellung steht die Fotografie. Im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) war ein Team aus deutschen Fotografinnen und italienischen Fotografen in mehreren Kampagnien der toskanischen „Eisenzeit“ auf der Spur: In den Erzgruben auf Elba, in archäologischen Grabungen in Baratti, in arbeitenden Betrieben in Piombino.

Die Fotografien der Autorinnen und Autoren hat das LWL-Industriemuseum Henrichshütte im „Gebläsehaus“ in Szene gesetzt. Jeder „Mensch hinter der Kamera“ folgte dabei seiner eigenen Handschrift hinsichtlich Thematik, Motiv- Auswahl und Nachbearbeitung. Erfahren Sie hier mehr über die „persone dietro la macchina“.

Fabio Capaccioli

„Meine Leidenschaft gilt der Poesie im Alltäglichen, in Dingen und Orten, dem Magischen, dem Unvollkommenen.“

Biographie

Fabio Capaccioli, geb.1956 in Rosignano Marittimo bei Livorno, arbeitet als selbständiger Vermessungstechniker. Ende der 1970er Jahre entdeckt er die Fotografie für sich. Seitdem spielt sie in dem Leben des Autodidakten die Hauptrolle. Capaccioli formuliert seine Emotionen in der subjektiven Sprache der Bilder.

Mit seinem Beitritt zur Foto-Gruppe „FabbricaImagine" 2005 wurde aus Interesse Leidenschaft. „Fotografie ist mein Medium, um die Welt um mich herum zu erforschen und mich meinen Mitmenschen mitzuteilen, wie ich es mit Worten nicht würde … und nicht wollte.“ Geleitet von der Neugierde, neue Welten zu entdecken, hat er diesen Weg gewählt. „Fotografie ist das Mittel für Eroberungen, die nicht verteidigt werden müssen, sondern mit denen geteilt werden, die bereit sind, sich mit mir auszutauschen.“

Für „Ilva“ ist Capaccioli auf eine langsame und intensive Reise gegangen, auf der Suche nach versteckten Spuren und nie offenbarten Beziehungen. Seine Arbeiten fügen sich zusammen zu einer Art sensibler Landkarte, die immer auf Vergangenes verweist, sich zugleich ständig erneuert.

Auf seine Arbeit befragt, verweist Capaccioli auf Paul Válery: „Die Monumente müssen singen. Das historische Gedächtnis ist in Wahrheit kein lebloser Fundus, es kann kommunizieren. Wenn das historische, kulturelle Erbe nicht mit Menschen in Kontakt kommt, unterschiedliche Sprachen spricht und sich an jeden wendet, riskiert es zu sterben, unfähig, einer Gemeinschaft Sinn und Identität zu vermitteln.“

Fabio Capacciolis Erkennungszeichen ist das nicht Perfekte, das nicht Vollendete im Leben und in der Welt. Er hat mit seinen Arbeiten an zahlreichen Ausstellungen in Italien teilgenommen und ist Organisator des jährlichen Fotofestivals in Rossignano Marittimo und Castigliocello.

Seine Website ist www.fabiocapaccioli.com

 

 

Andrea Cesarini

„Orte der Industrie empfinde ich als Kathedralen, in denen wir die Seele des Eisens erahnen können.“

Biographie

Andrea Cesarini, geb.1966 in Piombino in der Toskana, ist Meeresbiologe. Seine Liebe zur Natur weckte den Wunsch, seine Beobachtungen festzuhalten. Die Fotografie wurde zur Passion.

Die digitale Fotografie ermöglicht Cesarini zu experimentieren. Der Autodidakt bildet sich fort, wird nach wenigen Jahren selbst Dozent. Ziel seiner Experimente in der Nachproduktion ist bis heute, durch Bearbeitung etwas Neues zu schaffen, das dem empfundenen gelebten Moment nahe kommt, der ihn motiviert hat, den Auslöser zu betätigen.

Der Austausch mit anderen Fotografie Begeisterten weitete das Spektrum seiner Motive von Natur und Landschaften auf Menschen und Industrielandschaften. Gerade diese charakterisieren das Val di Cornia, in dem er lebt, besonders stark. Seine Aufnahmen überraschen mit besonderen Szenarien und Details jener Gegend, in der er geboren und aufgewachsen ist. Er bevorzugt das Licht von Sonnenuntergang und Dämmerung, wenn die Farben zu einer märchenhaften Atmosphäre verblassen. Altbekannte Orten bei unterschiedlichen Licht- und Wetterbedingungen neu sehen, die Suche nach anderen Bildern, die Fähigkeit, über das Normale hinaus zu sehen sind die Merkmale seines fotografischen Stils.

Die Zeugnisse der Hüttenindustrie bezeichnet Cesarini als „Kathedralen der Industrie, in denen wir die Seele des Eisens erahnen können.“ Auch an diesen neuen Orten bleibt das Mitglied von „Toscana Foto Project“ seiner gestalterischen Sprache als Landschaftsfotograf treu.

Seine Website ist www.fotocromia.it

Mattia Crocetti

„Die Geschichten sind das Leben des Volkes. Die Fotografie ist die Stimme des Volkes.“

Biographie

Mattia Crocetti geb.1993 in Piombino begann mit 16 Jahren unter Anleitung seiner ersten Dozentin Sabine Korth zu fotografieren.

Es folgte ein Studium der Fotografie an der Accademia Italiana in Florenz. 2015 nahm er an einem Kurs für Zeitgenössischen Fotojournalismus bei Emiliano Mancuso am Officine Fotografiche in Rom teil. Seither verfeinert Mattia Crocetti seine Bildsprache kontinuierlich auch durch den Besuch von Workshops bekannter Fotografen wie Paolo Woods von River Boom. Crocetti lebt in Bologna, arbeitet aber seit 2016 von Florenz aus europaweit für Luz Photo Agency an verschiedenen Projekten.

Mattia Crocettis Arbeiten sind fotografische Erzählungen, die soziale und politische Veränderungen dokumentieren. Er hat sich dabei auf die Methode einer langfristigen Recherche und bildnerischen Vertiefung spezialisiert.

Aktuell befasst er sich mit dem Bergbau in Sardinien, wo in diesem Jahr die letzten Zechen stillgelegt werden. 400 Bergleute verlieren ihre Arbeit, die Jugendarbeitslosigkeit liegt dort bereits heute bei 58 Prozent. “Die Zukunft der jungen Generation ist so dunkel wie es der Schacht war.”

Für „Toscana Foto Project“ war Mattia Crocetti mit seiner sozial engagierten Fotografie im Raum Piombino unterwegs. Dort hat das Unternehmen „Lucchini SPA“  am 24. April 2014 um 10.56 Uhr ihren letzten Hochofen ausgeblasen. Eine Tradition, die bis in das 15. Jahrhundert zurückreicht, endete. Die Krise, die während des letzten Jahrzehnts begann, hat zur Entlassung von mehr als 3000 Arbeitern aus Piombino und Umgebung geführt. So wie die Stadt durch die Fabrik geboren wurde, droht sie nun durch sie zu sterben.

Das Land ist in eine schwere Wirtschaftskrise geraten. Das zwang auch mehrere örtliche Gewerbezweige in die Knie und hat vielen jungen Menschen die Aussicht auf eine gesicherte Zukunft genommen. Die Möglichkeit, den Arbeitsplatz in der Fabrik vom Vater zum Sohn weiter zu geben, war nicht mehr gegeben. Sie mussten, anders als ihre Eltern, nach neuen Jobs suchen. Das „Vater-Sohn“-Motiv treibt Mattia Crocetti auch während seines kurzen Aufenthaltes in Hattingen um.

Mattia Crocetti ist nicht nur ein exzellenter Fotograf, sondern auch ein empathischer Mensch, was auch seinem Credo zu entnehmen ist: „Die Geschichten sind das Leben des Volkes. Die Fotografie ist die Stimme des Volkes.

Seine Website ist www.mattiacrocettiphotography.com

Annette Hudemann

„Die Suche nach Spuren von 3.000 Jahren Hüttengeschichte war ein berufliches Highlight.“

Biographie

Annette Hudemann, geb. 1955 in Heidelberg, lebt seit 1976 in Dortmund. Bis 1989 arbeitete sie als Krankenschwester, die längste Zeit auf der Intensivstation. In ihrem Elternhaus erlebte sie, wie ihr Großvater und ihre Mutter mit der Kamera unterwegs waren und begann selbst, sich für Fotografie zu interessieren.

1990 beteiligte sie sich als fotografische Autodidaktin gemeinsam mit Karin Heßmann am Dortmunder Ausstellungsprojekt „Nordstadtbilder“. Anschließend begann sie eine Ausbildung zur Fotografin.

Seit 1993 ist Annette Hudemann Fotografin am LWL-Industriemuseum. Mit ihrem Kollegen Martin Holtappels produziert und verwaltet sie das gesamte fotografische Bildmaterial, das acht große Museen für ihre Arbeit benötigen.

Vor Ort, im Studio und am Computer entstehen Fotodokumentationen zur Bebilderung der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit, Aufnahmen für Ausstellungen, Kataloge und Publikationen, Reportagen von Veranstaltungen und PR-Fotos für Werbemaßnahmen des LWL-Industriemuseums.

Zu ihren größeren Projekten gehören Dokumentationen über den Dortmunder Hafen und das Phönix-Stahlwerk, über die Relikte des Kupferschiefer-Bergbaus im Mansfelder Land, über die Textilstädte Crimmitschau, Plauen und Forst und über den Strukturwandel in den durch Bergbau, Textil- und Schwerindustrie geprägten Regionen Nordrhein-Westfalens.

Zum LWL-Industriemuseum Henrichshütte hat Annette Hudemann eine besondere Beziehung, begleitet sie doch die Entwicklung dieses Standortes seit vielen Jahren. Die Reise an die europäische „Quelle“ des Eisenhüttenwesens in der Toskana, zu den Spuren von 3.000 Jahren Eisenzeit war für Annette Hudemann ein fotografischer Höhepunkt ihrer Arbeit.

Sabine Korth

„Meine Collagen vereinen unerwartete Bildwelten mit Humor, mitunter auch mit Provokation.“

Biographie

Sabine Korth, geb. 1958 in Monheim, im Ruhrgebiet aufgewachsen, studierte Fotodesign an der FH Dortmund/ Bielefeld. Seit 1986 lebt und arbeitet sie in der Toskana, seit 12 Jahren in Piombino an der Etruskischen Küste.

Neben eigenen Foto- und Ausstellungsprojekten arbeitet Sabine Korth als Dozentin, wobei sie die Fotografie auch therapeutisch einsetzt. Als Fotografin und Therapeutin setzt sie auf die Technik der Collage.

Collagen erlauben Korth, sich der Forderung Hannah Höchs nach „schrankenloser Freiheit“ zu nähern – oder um es mit Pablo Picassos Worten zu sagen: „Kunst ist eine Lüge, um die Wahrheit zu sagen.“ Die Collage erlaubt ihr ein grenzenloses Spiel mit Möglichkeiten. Dem Spiel folgt die Reflexion. Sie bewertet, wählt aus, reduziert, verwirft, verfeinert, bis sich die Collage zur stimmigen endgültigen Form verdichtet.

Das Abenteuer der Collage beginnt für Sabine Korth mit Fragmenten unscharfer Bilder, halb bewusster Gedanken und Weisheiten. Eine Buch-Zeile, ein Lied-Reim, die Wahrnehmung eines Bildes aus dem Augenwinkel ziehen diese Fragmente ans Licht. Diese Fragmente findet sie im Alltag und lässt sich von Moment und Ort des Findens inspirieren. „Seit ich mit vierzehn zum ersten Mal in der Dunkelkammer die Magie erlebte, wie ein Bild in der Entwicklerschale erscheint oder wie Fotogramme zufällig aus weißen Lichtformen auf schwarzem Silberpapier entstehen, habe ich nie aufgehört, weiter nach dieser zauberhaften Erfahrung zu suchen. Die Spannung zwischen Zufall und Projekt, zwischen Prozess und Wahrnehmung reizt mich.“

Heute arbeitet Sabine Korth ich mit Tablet und Computerstift. Der spontane Pinselstrich und die haptische Bewegung ähneln dabei auf wunderbare Weise der Malerei mit Entwickler und Fixiererlösungen, die mich am Anfang meiner Laufbahn in der Dunkelkammer in ihren Bann gezogen hat.“  Auch wenn sich die Arbeitsweise von analoger Fotografie mit Schere und Klebstoff hin zum Digitalen verändert hat, besteht die Essenz ihres Experimentierens darin, „die Magie in Gang zu halten.“

In ihrer Serie TOSCANA BLUES, die hier gezeigt wird, sorgen durchgehend Tierfiguren für Irritation. Bilder industrieller Orte der Toskana und Ansichten ihrer Landschaft geraten in ein provozierendes Zusammenspiel. Die „tierischen Beobachter“ fungieren dabei als Katalysatoren dieses Spiels. Blicken wir durch ihre Augen?

Alles Nonsens. Oder doch nicht?

Ihre Website ist www.fotokorth.de