Revitalisierung durch Kultur – das Rock´n´Popmuseum in Gronau

01.01.2013 Florian Teetz

Inhalt

In Europa zeichnet sich seit längerem ein Trend ab, der als Kulturalisierung von Stadtentwicklung und Stadtentwicklungspolitik beschrieben werden kann (Wood 2007, S. 28). Besonders für Altindustrieregionen bieten kulturelle Projekte die Chance, den Strukturwandel voranzutreiben (s. Beitrag Wehling).

Nach dem Niedergang der Textilindustrie sah sich die Stadt Gronau mit einer Brachfläche in der Innenstadt konfrontiert. Durch die Schaffung des Inselparks mit dem Rock- und Popmuseum im Rahmen mehrerer Stadtsanierungen wurde das Areal neu belebt.
 

Museen im Wandel

Die Bedeutung von Museen hat sich im letzen Jahrhundert maßgeblich verändert – analog zum Wandel der Kultur; dieser mündete Ende der 1970 in einer Ökonomisierung von Stadt(teil)kultur (Dangschat 1992, S. 127ff.). Ursprünglich hatten Museen die Aufgabe, erhaltenswerte Güter zu sammeln und zu bewahren, zu erforschen sowie zur Bildung der Bevölkerung beizutragen. Heute besteht ihre Aufgabe auch darin, zur Anziehungskraft des Ortes beizutragen und einen Beitrag zur sinnvollen Freizeitgestaltung zu liefern (Höcklin 1996, S. 55). Damit sind die Aufgaben von Museen an eine veränderte Gesellschaft angepasst worden, die Freizeit eine höhere Bedeutung beimisst. Gleichzeitig wird der Tatsache Rechnung getragen, dass sich Kommunen im Konkurrenzkampf untereinander durch ein positives Image behaupten müssen. Zudem können kulturelle Einrichtungen wie Museen aufgrund ihrer hohen Standortflexibilität dazu genutzt werden, Stadträume zu gliedern oder vorhandene Stadtstrukturen zu betonen (ebd., S. 28f.), so dass sie neben anderen kulturellen Einrichtungen auch als Instrument der Stadtentwicklung zu betrachten sind.

In neuerer Zeit sind einige neue Museen als sog. Flagship-Projekte errichtet worden. Die "Flaggschiffe" sollen die Erneuerung einer Region oder Stadt richtungsweisend und prominent weithin sichtbar anführen. Der Ausbau der kulturellen Infrastruktur mit einer deutlichen Symbolwirkung sowohl nach innen als auch nach außen wird dabei durch eine hohe Konzentration von menschlichen und finanziellen Ressourcen ermöglicht und geht zumeist mit erheblichen Folgekosten einher (Lenfers 2000, S. 13f.; Shoval 2009, S. 28). Auch in Gronau wurde viel Geld für die Schaffung des Inselparks sowie des Rock'n'Popmuseum investiert. Das Museum ist auf eine Bezuschussung in nicht unerheblichem Umfang angewiesen.
 

Abb. 1: Inselpark Gronau (Foto: Stadt Gronau)

Der Inselpark Gronau

In der deutsch-niederländischen Grenzregion war die Textilindustrie der entscheidende Impulsgeber für die siedlungsstrukturelle, demographische und wirtschaftliche Entwicklung (s. Beitrag Lassotta). So errichteten auch die Brüder van Delden in Gronau zwei Baumwollspinnereien in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s. Beide Betriebe prägten in den folgenden Jahrzehnten das Stadtbild maßgeblich. Die wirtschaftliche Monostruktur blieb bis zum Zusammenbruch des van Delden-Konzerns 1982 erhalten und erwies sich als gravierender Nachteil für die Stadt. Der Verlust einiger Tausend Arbeitsplätze machte eine ökonomische Umstrukturierung nötig. Umfangreiche Fördermaßnahmen führten dazu, dass sich neue Industrien in Gronau ansiedelten. Der Strukturwandel hatte außerdem zur Folge, dass zahlreiche innerstädtische Flächen brach lagen, die durch Sanierungsmaßnahmen völlig neu gestaltet wurden, um einem Image- und Zentralitätsverlust der 45.000-Einwohner-Stadt zuvorzukommen (Hillmann 1998, S. 189ff.).

Der Inselpark Gronau stellt die letzte von insgesamt drei Stadtsanierungen dar. Für die Brachfläche nördlich der Innenstadt wurde ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben, den das Atelier Fritschi, Stahl und Baum mit dem Entwurf des Inselparks für sich entscheiden konnte. Dieser sah vor, auf dem Gelände neun überwiegend quadratische Einheiten mit unterschiedlicher Nutzung zu schaffen, die durch ein geometrisches System von Wasserläufen voneinander getrennt sein sollten. Es war vorgesehen, die Inseln durch eine diagonale Allee zu verbinden und das ganze Projekt mit einer Passage an den neuen Stadtkern anzuschließen. Jede Insel sollte ein spezielles Thema aufgreifen (z.B. Fest-Insel, Musiker-Insel; Stadt Gronau 1998). Im Wesentlichen wurde die Planung des Inselparks umgesetzt (Abb. 1); lediglich die Themen der Inseln wurden nicht in allen Fällen beibehalten. Auf der Denkmal-/Musikerinsel ist eine alte Turbinenhalle des van Delden-Konzerns erhalten geblieben und zum Rock'n'Popmuseum umfunktioniert worden.

Abb. 2: Rock'n'Popmuseum (Foto: F. Teetz)

Das Rock'n'Popmuseum

Die Idee zum Museum geht zurück auf Elmar Hoff, der Ende der 1990er Jahre im Kulturmanagement der Stadt Gronau tätig war und Udo Lindenberg, den prominentesten Sohn der Stadt. Nachdem ein Finanzierungsplan unter Beteiligung des Museumsamtes und des Kreises Borken aufgestellt wurde, konnte die Fachmesse Popkomm dafür gewonnen werden, das Konzept (bis 2003) inhaltlich mit auszuarbeiten (Hoff 2006, S. 384). Zudem wurde mit der rock'n'popmuseum gGmbH eine gemeinnützige Gesellschaft gegründet, die das Museum betreibt (Albers 2012). Insgesamt beliefen sich die Baukosten auf etwa 15,5 Mio. DM (Röger 2001).

Das Museum erzählt die Geschichte der Populärmusik des 20. Jh.s. In der Dauerausstellung finden sich zahlreiche Exponate der Musikgeschichte. Mediale Installationen und Klangkorridore machen Popmusik erlebbar. Sonderausstellungen runden das Angebot ab. Zudem übernimmt das Museum auch die Rolle eines Kulturzentrums. Die große Halle für Sonderausstellungen wird im Herbst für Veranstaltungen genutzt; es finden regelmäßig kleinere Clubkonzerte statt. Das Haus versteht sich außerdem als Ort der Wissenschaft und Bildung. Es hat eine umfangreiche Datenbank zur Rock-und Popmusik angelegt und soll Standort seriöser wissenschaftlicher Aufarbeitung seines Themas sein, indem es Workshops und Seminare anbietet und mit Schulen zusammen arbeitet. Des Weiteren beherbergt es das ehemalige Studio der einflussreichen Band Can, das für Musiker zugänglich ist und so die Brücke zur Musikszene der Region schlägt (www.rock-popmuseum.de).

In den Jahren nach der Eröffnung ist das Museum immer wieder Kritik aus Politik und Bevölkerung ausgesetzt gewesen (z.B. Wiedau 2008). Ursprünglich sollte das "Leuchtturmprojekt" 60.000 Besucher jährlich anziehen. Die Besucherzahlen liegen aber mit etwa 40.000 deutlich darunter. 2012 konnten 42.000 Besucher (etwa 50% Schüler) gezählt werden (Albers 2013). Problematisch im Hinblick auf die Akzeptanz des Museums ist der Umstand, dass die Stadt Gronau aktuell jährlich 800.000 € Betriebskostenzuschuss bereit stellen muss (ebd.), wobei dieser in den letzten Jahren schon erheblich gesenkt werden konnte. Damit konzentriert das Museum aber noch immer einen sehr großen Anteil der jährlichen Ausgaben der Stadt für Kultur und Bildung (ca. 2,8 Mio. €, Anteil am Gesamthaushalt im städtevergleich durchschnittlich; ebd.) auf sich. Lediglich einzelne Projekte, wie z.B. spezielle Ausstellungen werden ggf. durch das Land NRW, die Euregio oder den Landschaftsverband Westfalen-Lippe gefördert. Die Tatsache, dass der Erfolg von Kulturinvestitionen nicht unmittelbar messbar ist, sondern nur mittelbar in ökonomischen Indikatoren oder Übernachtungszahlen zum Ausdruck kommt, trug neben der Erwähnung im Schwarzbuch der Steuerzahler dazu bei, dass sich der Unmut in der Bevölkerung zunächst weiter verschärfte. Nachdem der politische Streit um das Museum im Laufe der letzen Jahre einer konstruktiven Debatte gewichen ist, wurde ein Förderverein gegründet, über den das Rock'n'Popmuseum die Nähe zur Bevölkerung Gronaus sucht. Ziel ist es auch, die Bürger in die Arbeit des Museums zu integrieren und ihre Identifikation mit dem Haus zu stärken (ebd.).

Fazit

Mit dem Inselpark und dem Rock'n'Popmuseum (sowie der Landesgartenschau 2003, die teilweise im Inselpark stattfand) hat die Stadt Gronau ihr Image einer "Kulturstadt im Grünen" weiter ausgebaut und kann positive Entwicklungen, wie z.B. steigende Übernachtungszahlen, vorweisen. Die ehemalige Brachfläche in der Innenstadt konnte durch erhebliche Investitionen revitalisiert werden. Jedoch bleibt der alleinige Beitrag des Museums zur Stadtentwicklung nicht nachweisbar, da mehrere kulturelle Einrichtungen und Projekte in der Stadt existieren und außerdem andere Faktoren die Entwicklung mitbestimmen. Ein neues "Wir-Gefühl des Aufbruchs" im Strukturwandel, wie es das erste Jazzfest in Gronau 1989 zu generieren vermochte, und an das die Landesgartenschau 2003 anknüpfte, konnte das Rock'n'Popmuseum bisher nicht transportieren. Die hohen Folgekosten, die größtenteils allein von der Stadt Gronau getragen werden müssen, und die anfängliche Diskussion in der Politik verhinderten eine breite Identifikation der Bürger mit der Einrichtung. Das Museum hat zwar einen übergeordneten Stellenwert für die Kulturlandschaft Gronaus, übernimmt aber nicht die Rolle eines "Flagships" für die Stadt. In neuerer Zeit wird versucht, projektbezogene Gelder zu akquirieren, um die Betriebskosten möglichst gering zu halten. Durch Veranstaltungen wie regelmäßige, kleinere Konzerte, aber vor allem über den Förderverein wird daran gearbeitet, den Rückhalt in der Bevölkerung Gronaus für das Rock'n'Popmuseum zu stärken.

Das Beispiel Gronau zeigt, dass der Förderung von Kultur als weichem Standortfaktor eine hohe Bedeutung zukommt, die aber – vor allem bei Großprojekten wie Museen mit ihrer nicht-kommerziellen Ausrichtung – einhergeht mit einer hohen Konzentration öffentlicher Finanzmittel. Die Kosten auf der einen und der Beitrag zur Stadtentwicklung auf der anderen Seite müssen sorgsam abgewogen und ebenso kommuniziert werden, so dass ein erfolgreiches Projekt das Image der Stadt und die Identifikation der Bevölkerung gleichsam stärken kann.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2013