Donnerstag, 29.11.2007, 17-19Uhr
Führung und „Salon" zur Roburit-Katastrophe
Industriemuseum stellt Witwe des verunglückten Fabrikdirektors vor
Witten (lwl). Mit einer Führung und einer Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Salon Frauenbilder" widmet sich der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in der kommenden Woche erneut der Explosion der Wittener Sprengstoff-Fabrik Roburit. Am 28.11.1906 waren bei dem Unglück 41 Menschen ums Leben gekommen. Das LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall erinnerte im vergangenen Jahr mit einer Sonderausstellung und einer Publikation an den 100. Jahrestag der Katastrophe.
Am Mittwoch, 28.11., lädt Ingrid Telsemeyer vom LWL-Industriemuseum um 15 Uhr zu einer Führung am historischen Ort des Geschehens ein. Einen Tag später, am Donnerstag, 29.11., geht es von 17 bis 19 Uhr auf der Zeche Nachtigall in der Reihe „Salon Frauenbilder" um Katharina Kunz. Ihr Mann war Betriebsdirektor der Wittener Roburit-Fabrik und kam bei der Explosion ums Leben.
Katharina Kunz, 1878 als Tochter eines Bauunternehmers in Oberlahnstein geboren, wuchs in einer kinderreichen Familie auf. Mit 21 heiratete sie den Chemiker Dr. Philipp Kunz. 1902 zog die junge Familie nach Witten. „Durch einen Glücksfall sind Unterlagen und Erinnerungen des Ehepaars bewahrt worden. Die Familie stellte sie uns zu Forschungszwecken zur Verfügung", erzählt Ingrid Telsemeyer.
Die Dokumente und Fotografien, darunter ein Briefwechsel der Verlobten und des jungen Ehepaares aus den Jahren 1899-1905, offenbaren ein für jene Zeit „normales" bürgerliches Frauen- und Familienleben. Es sind Momentaufnahmen des alltäglichen Lebens, jäh unterbrochen durch die Katastrophe. Der Blick in den privaten Briefwechsel erlaube seltene Einblicke in damalige Lebensumstände, Weltsicht und Gefühle eines „ganz gewöhnlichen Paares, abseits von Klischees", so die Wissenschaftlerin. Die Traumatisierung von Katharina Kunz infolge der plötzlichen Veränderung ihrer Lebensverhältnisse werde nachfühlbar.
Ein Kurzvortrag mit vielen unveröffentlichten Bildern sowie Lesungen aus den Briefen und anderen Dokumenten stellt den Besucherinnen des Salons die Familie Kunz vor und nach der Katastrophe vor. Auch weitere Witwenschicksale der Wittener Katastrophe kommen zur Sprache. Aus den damaligen Befragungen zur Berechnung der Unterstützungsleistung lässt sich die Not, finanziell über die Runden zu kommen und Überlebensstrategien zu entwickeln, deutlich herauslesen. Die ausgewählten Beispiele werfen einen Blick auf die Sozialgesetzgebung vor 100 Jahren, die noch keine allgemeine Witwen- und Waisenversorgung vorsah. „Witwen, die in der Regel kein eigenes Einkommen hatten, waren einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt", erklärt Ingrid Telsemeyer.
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