DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa
Ausstellungskatalog > Thementexte
VII. DIE STÄDTE DER FRIEDENSVERHANDLUNGEN
Seit 1636 hatten die beteiligten Mächte in Köln und Hamburg über ein
Ende des Krieges verhandelt und sich 1641 auf Vorschlag Schwedens und
Frankreichs auf zwei Städte als Kongreßorte geeinigt, die auf halbem
Wege zwischen Köln und Hamburg lagen: das konfessionell gemischte
Osnabrück, mit zwei lutherischen und zwei katholischen Kirchen für den
Gottesdienst der Diplomaten, und das seit fast einer Generation rekatholisierte
Münster. Die beiden Bischofsstädte trafen sich in ihrem wieder
ländlichen Charakter, der eine Folge des Rückgangs von Handel und
Gewerbe durch den Krieg war. Münster, mit rund 10.000 Einwohnern die
größte Stadt Westfalens, hatte seine Bevölkerung behauptet,
während Osnabrück mit rund 6.000 bis 8.000 Einwohnern vor dem Krieg
vor allem durch die gewaltsame Rekatholisierung 1628 bis 1633 eine Abwanderung
protestantischer Bürger erlebt hatte. Dazu belasteten enorme Zahlungen an
dänische, dann ligistische und ab 1633 schließlich schwedische
Truppen die Finanzen der Stadt schwer.
Die Devisen auf den Bildnissen der Bürgermeister, die Anselm van Hulle 1649 gegen eine entsprechende
Geldzahlung in seine Serie der “Friedensboten” aufnahm, machen die
Unterschiede deutlich: Der Münsteraner Johann Timmerscheidt wählte
“Bedenke, in harten Zeiten Gleichmut zu bewahren.” Das spielte auf
die Neutralität, die “Aequitas” an, die Bürgermeister und
Rat gegenüber den Diplomaten zu wahren hatten. Das Ovid-Zitat des
Osnabrücker Bürgermeisters Dr. Gerhard Schepeler, der seine Stadt bei
den Verhandlungen vertrat, spiegelt dagegen den Kampf der Stadt um ihre
politische und konfessionelle Selbstbestimmung, nachdem ihr Versuch, die
Reichsfreiheit zu erlangen, vergeblich geblieben war: "Nicht geringer ist
die Tapferkeit, die versucht, das Erreichte zu
sichern."
Die Kongreßzeit bildete für die Stadt Münster einen glanzvollen
Höhepunkt ihrer Freiheit. Die innerstädtische Verfassung war im
Gleichgewicht zwischen Rat und Gilden, aber auch zwischen Klerus und
Bürgerschaft, trotz latenter Konflikte um Gerichtsrechte zwischen Rat und
Domkapitel. Die Konfession trug zur Integration bei: die Tätigkeit der
Jesuiten, ihre Sodalitäten und die zahlreichen katholisch geprägten
Bruderschaften. Die humanistische Stadtgesellschaft vereinigte Honoratioren wie
den Stadtarzt und Ratsherrn Rottendorff, Kleriker wie den Domdechanten
Mallinckrodt und Kunsthandwerker, Maler wie Everhard Alerdinck, aber auch
Goldschmiede und Bildhauer. Sie konnte z.T. Gesandte integrieren, die oft
Patenschaften bei Bürgerkindern übernahmen und mehrfach
Erinnerungsstücke stifteten. In Osnabrück
hatte man die Neutralisierung freudig erwartet, zumal nun die teure schwedische
Garnison abzuziehen hatte. Osnabrück war trotz schwedischer Herrschaft
bikonfessionell geblieben; Spannungen zwischen der protestantischen
Ratsoligarchie und dem katholischen Domkapitel blieben ohne Auswirkungen auf den
Kongreßalltag. Die Präsenz der Gesandten befriedete sogar eher die
Konflikte in der Stadt und erzwang ein Ende der seit 1636 aufgeflammten
Hexenverfolgungen. Die protestantischen Bürger einte die Angst vor der
Rückkehr des katholischen Fürstbischofs, dessen ab 1628 als Zwingburg
am Stadtrand angelegte Zitadelle Petersburg 1648 nach Verkündung des
Friedens zerstört wurde. Buß- und Bettage für den Frieden
bildeten ein Forum für Friedensappelle der
Bürgerschaft. Nach dem Friedensschluß beschlossen beide Städte, das Andenken an den
Kongreß durch eine Galerie der Gesandtenportraits in ihren Rathäusern
zu wahren. Während der münstersche Rat die Bilder der
"vornehmsten" Gesandten - der Mediatoren, des Kaisers, Spaniens,
Frankreichs, Schwedens, der Niederlande und der Kurfürsten - auswählte
und von dem flämischen Bildnismaler Janbaptist Floris ankaufte, war die
Stadt Osnabrück zumindest teilweise auf die Stiftungen der Bilder durch die
Gesandten selbst angewiesen. Es waren alles Kopien nach den Portraits des Anselm
van Hulle, die auch in Kupferstich-Reproduktionen weite Verbreitung fanden.
Außerdem gab es sechs Serien von Nachstichen und
Raubkopien. G. D.
Lit. Lahrkamp 1993;
Bäte 1948; vgl. die Beiträge von Jakobi und Steinwascher in Bd. II
dieses Kataloges; Kaster/Steinwascher 1996.