"Westfalen im Bild" - Texte

Wiechers-Weidner, Renate
Werkzeugherstellung in der Steinzeit
2. Aufl., Münster, 1988



Einführung

Unser Wissen über den bisher längsten Zeitraum der Menschheitsgeschichte, die Steinzeit, basiert auf der Ausgrabung und Untersuchung steinzeitlicher Fundplätze. Bei den Funden überwiegen vor allem Geräte aus Stein, da dieses Material den für das menschliche Vorstellungsvermögen unvorstellbar langen Zeitraum überdauert hat. Steinzeitliche Geräte aus organischen Materialien sind nur in Einzelfällen unter besonders günstigen Lagerungsbedingungen (z. B. im Moor) erhalten. Das bedeutet aber nicht, daß diese Materialien in der Steinzeit weniger verbreitet waren als Stein, sondern lediglich, daß sie uns heute als Zeugen dieser Zeit nicht mehr in gleichem Umfang zur Verfügung stehen. Stein fand vor allem für harte, widerstandsfähige oder scharfkantige Geräteteile Verwendung, in jenen Bereichen also, in denen in späterer Zeit Metall verarbeitet wurde. Werkzeuge und Waffen aus Stein wurden so zum Charakteristikum der Steinzeit und werfen immer wieder die Frage nach den steinzeitlichen Fertigungsmethoden auf. Um die Steinbearbeitung im Rahmen dieser Bild-Reihe möglichst umfassend behandeln zu können, wird das Thema Werkzeugherstellung in der Steinzeit ausschließlich auf die Herstellung von Werkzeugen aus Stein begrenzt.

Anhand von steinzeitlichen Funden aus dem westfälischen Raum werden die wesentlichen Verfahren der Steinbearbeitung exemplarisch behandelt. Man unterscheidet grundsätzlich sieben verschiedene Techniken der Steinbearbeitung [1]:
  • Technik des direkten harten und weichen Schlags
  • Drucktechnik
  • Technik des indirekten Schlags
  • Picktechnik
  • Schleiftechnik
  • Bohr- und Sägetechnik

Die einzelnen Techniken hinterlassen auf dem jeweiligen Gerät bestimmte, charakteristische Spuren, die Rückschlüsse auf die Fertigungsmethode ermöglichen. Bei der Herstellung von Steingeräten durch Schlag entstehen zudem an den Bruchstellen spezifische Schlagmerkmale, die eine weitestgehende Identifizierung der angewandten Technik möglich machen. Diese, auf den Artefakten erkennbaren Schlagmerkmale, werden jedoch im Bild nicht deutlich, auf eine entsprechende Erläuterung wird daher hier verzichtet. Die einzelnen steinzeitlichen Werkzeuge werden hingegen zum Anlaß genommen, um die jeweils möglichen Herstellungsverfahren zu nennen und zu erläutern, unter Einbeziehung der auf der Abbildung erkennbaren Spuren der Bearbeitung. Selbstverständlich wurde von den steinzeitlichen Steinbearbeitern für die Herstellung eines Werkzeugs nicht nur eine bestimmte Technik angewandt, sondern ggf. wurden auch verschiedene Techniken zu einer Fertigungsmethode kombiniert.

Den Ausgangspunkt der Steinbearbeitung in der Steinzeit bildeten die verschiedenen Schlagtechniken, an deren Beginn wahrscheinlich die Technik des direkten, harten Schlags stand. Im Laufe der Steinzeit wurden die Schlagtechniken erweitert und verfeinert und es traten neue Verfahren der Steinbearbeitung hinzu, bedingt durch die jeweiligen veränderten Lebensbedingungen. So treten die zeitaufwendigen Techniken des Steinschliffs und der Steinbohrung erst in der Jungsteinzeit auf, in einer Zeit also, als der Mensch seßhaft geworden war. Mit dem Übergang zur Seßhaftigkeit und der damit verbundenen produzierenden Lebensweise stieg sicherlich auch der Bedarf an qualitativ hochwertigen Werkzeugen zur Rodung neuer Ackerflächen.

Ihren letzten Höhepunkt erreichte Steinbearbeitung gegen Ende der Steinzeit, als erste Metallwerkzeuge der beginnenden Bronzezeit neben den Werkzeugen aus Stein auftraten. Die Konkurrenz dieser beiden völlig unterschiedlichen Materialien fand ihren Niederschlag in der Nachahmung von Metallwerkzeugen in Stein (vgl. Bild 12  Medien). Die imponierenden Versuche des steinzeitlichen Steinbearbeiters, die Metallvorbilder in Stein nachzuahmen, lassen zugleich die Grenzen der Steinbearbeitung deutlich werden. Zwar sind gerade im relativ metallarmen Westfalen noch lange Zeit Steinwerkzeuge neben solchen aus Metall zu finden, doch letztendlich setzte sich die Überlegenheit des neuen Werkstoffs allgemein durch.


[1] Unterscheidung nach: Jürgen Weiner, Vom Rohmaterial zum Gerät - Zur Technik der Feuersteinbearbeitung. In: Gerd Weisgerber, Rainer Slotta, Jürgen Weiner (Bearb.), 5000 Jahre Feuersteinbergbau. Die Suche nach dem Stahl der Steinzeit. Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum 22 (1980), S. 216-227, hier S. 217. im Gegensatz dazu vertritt Weiner inzwischen die Auffassung, daß der direkte, harte und der direkte, weiche Schlag als eine Technik zu verstehen sind.




Westfalen im Bild, Reihe: Vor- und Frühgeschichte in Westfälischen Museen, Heft 2