"Westfalen im Bild" - Texte

Jakob, Volker
Mittelalterliches Klosterleben
2. Aufl., Münster, 1987



Einleitung

Die heutige Weit ist ohne die Voraussetzungen des Mittelalters nicht denkbar. Wenn die neuere historische Forschung vom Früh- und Hochmittelalter als einer "Klosterkultur" spricht und sie von der "Stadtkultur" der vorhergehenden Antike und des nachfolgenden Hochmittelalters gleichermaßen abhebt, so wird hier etwas von der grundlegenden Bedeutung sichtbar, die den Klöstern und Stiften als Impulsgebern für das Werden des christlichen Abendlandes beizumessen ist.

Bildung und Wissenschaft, Malerei und Kunsthandwerk, Technik und Ökonomie - es gibt kaum einen Bereich des menschlichen Lebens, der nicht durch die nach bestimmten Ordensregeln lebenden geistlichen Gemeinschaften wesentlich mitgeprägt worden wäre. Aber die Klöster waren nicht nur religiöse und geistige Zentren, sondern auch wichtige Träger des jeweiligen sozialen und politischen Systems überall dort, wo sie mit ausgedehntem Landbesitz und hörigen Bauern die Grundherrschaft ausübten. Dabei mußte der für alle Orden konstitutive Spannungsgegensatz zwischen dem asketischen Ideal der Weltflucht und jenem aktiven, Spuren hinterlassenden Handeln in Politik und Gesellschaft, zwischen Armut und Reichtum mithin, von jeder mittelalterlichen Generation neu gelöst werden.

Das abendländische Klosterwesen ist eine der wichtigsten, vielfältigsten und interessantesten Lebensäußerungen der katholischen Kirche. Seit dem frühen Mittelalter werden "monasterium" (lat. Einsiedelei) und "coenobium" (d.h. Ort des gemeinschaftlichen Lebens) als Begriffe für klösterliche Niederlassungen gebraucht.

ORDEN (von lat. ordo = der Stand) ist allgemein die Bezeichnung für einen freiwilligen Zusammenschluß von Personen, die sich einer gemeinsamen Lebensform und den drei Gelübden Gehorsam, Keuschheit und Armut unterwerfen, wobei zwischen eigentlichen Orden, deren Angehörige ein feierliches Gelübde ablegen, und den sog. KONGREGATIONEN, denen eine einfache Verpflichtung genügt, unterschieden wird. Das aus dem Griechischen abgeleitete lateinische Wort "monachus" weist auf die ursprüngliche Idee des Mönchtums hin: Es bedeutet "der allein für sich Lebende" und wurde zuerst für die frühchristlichen Anachoreten (d.h. die, die sich zurückgezogen haben) gebraucht, wenn sie mit anderen ein gemeinsames Haus bewohnten. MÖNCHE und NONNEN - in den Frauenklöstern unterscheidet man "moniales" (Nonnen) und "sorores" (Schwestern) nach Art ihres Gelübdes (PROFESS) - unterstehen einem ABT bzw. einer ÄBTISSIN, die von den männlichen oder weiblichen Mitgliedern der Klostergemeinschaft zumeist auf Lebenszeit gewählt werden. ln einzelnen Orden werden sie auch als Prior oder Propst, als Guardian oder Rektor bezeichnet.

Hinsichtlich ihrer Einrichtung und Lebensweise lassen sich die Ordensgemeinschaften in bestimmten Gruppen zusammenfassen. Die bedeutendste und älteste bilden die eigentlichen Mönchsorden (ordines monastici), deren Mitglieder regulares monachi genannt werden. Zu ihnen gehören neben den BENEDIKTINERN u.a. die ZISTERZIENSER, TRAPPISTEN und KARTÄUSER unter der Verpflichtung "ora et labora". Später entstanden die Chorherren-Orden (ordines canonici) der AUGUSTINER und PRÄMONSTRATENSER, die Kleriker- und Bettel(Mendikanten)-Orden der DOMINIKANER und FRANZISKANER, die Ritterorden der MALTESER und JOHANNITER sowie schließlich die Gemeinschaften der Regularkleriker, deren bedeutendster Zusammenschluß der der JESUITEN werden sollte. Ihnen allen ist eines gemeinsam: der ernste Wille zur Nachfolge Christi.

Hergeleitet vom lateinischen "claustrum", was soviel bedeutet wie "nach außen abgeschlossener Ort", will jedes Kloster Abbild der Civitas Dei, des Gottesstaates, sein. So wie jede Ordensgemeinschaft einen bestimmten Frömmigkeitsstil verkörpert, so prägt dieser Stil, der zugleich Ausdruck des jeweiligen Lebensgefühls ist, unverwechselbar die Bau- und Bildwerke seiner Epoche. Dies gilt von den frühen Klosteranlagen der Benediktiner und Zisterzienser über die bescheidenen Niederlassungen der verschiedenen Bettelorden bis hin zu den grandiosen Fürstabteien des Barock.

Gerade hier hat die große Herbstausstellung "Monastisches Westfalen" in Münster 1982 auch für unser Land eine überraschende Vielfalt an Architekturen und Kunstwerken präsentiert, die etwas von dem einstigen Glanz dieser untergegangenen und gleichwohl in besonderer Weise bis heute nachwirkenden Welt ahnen lassen.



Westfalen im Bild, Reihe: Westfälische Kulturgeschichte, Heft 1