"Westfalen im Bild" - Texte

Klaukien, Jürgen
Technische Kulturdenkmäler im Ruhrgebiet
Münster, 1988



A. Das Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen

Denkmalschutzgesetze gehören in die Zuständigkeit der Bundesländer. 1958 erließ Schleswig-Holstein als erstes das "Gesetz zum Schutz der Kulturdenkmale", das 1972 novelliert und seitdem mehrfach geändert wurde. In den 70er Jahren folgten sämtliche Bundesländer mit Ausnahme Nordrhein-Westfalens, dessen "Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen" am 01.07.1980 in Kraft trat.

Nach dem nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetz sind Denkmäler
"... Sachen, Mehrheiten von Sachen und Teile von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Ein öffentliches Interesse besteht dann, wenn die Sachen bedeutend für die Geschichte der Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen..." (§ 2 Abs. 1 DSchG NW).


Gruppen von Denkmälern

Es gibt Natur- und Kulturdenkmäler. Naturdenkmäler entstanden ohne menschliche Eingriffe durch die geographische, geologische, klimatische Umwelt. Kulturdenkmäler beruhen auf menschlichem Schaffen. Naturdenkmäler sind durch das Natur- und Landschaftsschutzgesetz gesichert, Kulturdenkmäler durch das Denkmalschutzgesetz. Zu den Kulturdenkmälern zählen nach dem nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetz Baudenkmäler, Denkmalbereiche, bewegliche und Bodendenkmäler.


Baudenkmäler

Als Baudenkmäler sind alle vom Menschen geschaffenen ortsfesten Denkmäler anzusehen. Baudenkmäler können Autobahn-Raststätten, Brücken, Fabriken, Fachwerkhäuser, Kotten, Bauernhöfe, Kirchen, Kapellen, Sportanlagen, Bildstöcke, Schlösser, Burgen, Paläste usw. sein. Vom Menschen gestaltete Landschaftsteile wie Kanäle, Gärten, Parks und Friedhofsanlagen werden wie Baudenkmäler behandelt. Auch ortsfeste historische Ausstattungsstücke sind Baudenkmäler, wenn sie mit dem Baudenkmal eine Einheit bilden. Dazu gehören z. B. Ausstattungen in Schlössern, Burgen, Kirchen und Klöstern.


Denkmalbereiche

Denkmalbereiche sind mehrere bauliche Anlagen, von denen nicht alle Objekte denkmalwert sein müssen. So kann z. B. ein Straßenzug ein Denkmalbereich sein, obwohl das mit Waschbeton verkleidete Wohnhaus im Straßenzug sicher keinen Denkmalwert hat. Bei Denkmalbereichen geht das nordrhein-westfälische Denkmalschutzgesetz über die anderer Länder hinaus. Denkmalbereiche sind hiernach auch Stadtgrundrisse, Einzelbauten mit der engeren Umgebung, Gesamtanlagen, Bautengruppen, Straßenzüge, Siedlungen, Stadtteile und -viertel. Selbst Orts- und Stadtbilder sowie Silhouetten fallen unter den Begriff Denkmalbereich. Ausdrücklich erwähnt das Denkmalschutzgesetz NW in diesem Zusammenhang auch handwerkliche und industrielle Produktionsstätten.


Bewegliche Denkmäler

Unter bewegliche Denkmäler fallen alle nicht ortsfesten Denkmäler. Bewegliche Denkmäler können z. B. Schützenfahnen, Münzen, Gemälde, Heiligenfiguren, Fahrzeuge, Handwerksgeräte, Maschinen und Einrichtungsgegenstände sein. Bei beweglichen Denkmälern ist es unerheblich, ob sich die Denkmäler selbst bewegen oder fortbewegen lassen, ohne ihren Zustand zu verändern. Entscheidend bleibt die Ortsungebundenheit.


Bodendenkmäler

Bodendenkmäler definiert das Denkmalschutzgesetz NW als "bewegliche und unbewegliche Denkmäler, die sich im Boden befinden oder befanden". Daraus folgt, ein Bodendenkmal, das sich im Boden befindet oder befand, bleibt ein Bodendenkmal und wird nicht zu einem beweglichen Denkmal. Diese Feststellung ist deshalb notwendig, weil das Denkmalschutzgesetz NW besondere Vorschriften für den Schutz und die Pflege von Bodendenkmälern enthält. Zu den Bodendenkmälern gehören nicht nur archäologische Zeugnisse, sondern auch die pflanzlichen und tierischen Lebens im Laufe der Erdgeschichte, Veränderungen und Verfärbungen der natürlichen Bodenbeschaffenheit, die auf menschliches Schaffen zurückgehen und nicht mehr selbstständig als Bodendenkmal erkennbar sind. Fossilien sind demnach genauso Bodendenkmäler wie Wallgräben, durch Hauspfosten hervorgerufene Verfärbungen der Erde oder Bodenstrukturen, die frühe landwirtschaftliche Nutzungen hinterließen.


Aufgaben der Denkmalpflege

Zentrale Aufgabe des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege ist der Schutz, die Pflege, sinnvolle Nutzung und wissenschaftliche Erforschung von Denkmälern, seien es Bau-, Boden- oder bewegliche Denkmäler und Denkmalbereiche. Die Denkmäler sollen der Öffentlichkeit im Rahmen der Zumutbarkeit zugänglich gemacht werden. Die Zumutbarkeit der öffentlichen Zugänglichkeit sollte in der Regel nicht so weit gehen, daß in die Privatsphäre des Einzelnen eingegriffen wird. Der denkmalgeschützte Fachwerkbau kann von der Straße her betrachtet und braucht nicht betreten zu werden. Das geschützte Gemälde im Privatbesitz steht selbstverständlich nicht jedermann zur Ansicht frei. Die Denkmalbehörden könnten u. U. darum bitten, dieses Gemälde zur wissenschaftlichen Forschung zu fotografieren oder es vielleicht für eine Ausstellung auszuleihen.


Zuständigkeiten

Grundsätzlich werden die Zuständigkeiten des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege in Art. 18 der Landesverfassung NW dem Land, den Gemeinden und Gemeindeverbänden zugeordnet. Denkmalschutz und Denkmalpflege liegen in erster Linie in der Verantwortung der Gemeinden als Untere Denkmalbehörden. Im Rahmen des kommunalen Satzungsrechts bestimmt jede Gemeinde einen für die Denkmalpflege zuständigen Ausschuß. In unserem Bundesland sind das in der Regel die Planungs-, Bau- oder Kulturausschüsse. Die Obere Denkmalbehörde ist für die kreisfreien Städte der zuständige Regierungspräsident, für kreisangehörige Gemeinden der Oberkreisdirektor. Der Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr ist Oberste Denkmalbehörde. Ein Sonderfall liegt dann vor, wenn sich denkmalwerte Objekte und Denkmäler im Eigentum des Landes oder Bundes befinden. Der Regierungspräsident entscheidet dann an Stelle der Unteren Denkmalbehörde. In Fragen des Denkmalschutzes können die Oberste und Obere Denkmalbehörde den Unteren Denkmalbehörden Weisungen geben. Die Denkmalpflege ist Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden. Die Landschaftsverbände wirken bei der Denkmalpflege fachlich und beratend mit. Sie erstellen Gutachten, veröffentlichen Schriften, führen wissenschaftliche Untersuchungen durch, restaurieren, konservieren und erbringen eine Reihe weiterer Dienstleistungen.


Das Unterschutzstellungs-Verfahren

Das Unterschutzstellungs-Verfahren in Nordrhein-Westfalen kann von den Denkmalbehörden, dem Eigentümer sowie dem Landschaftsverband eingeleitet werden. Nach der Einleitung des Verfahrens folgt die Anhörung des Eigentümers durch die Untere Denkmalbehörde. Diese teilt in Westfalen-Lippe dem beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe angesiedelten Westfälischen Amt für Denkmalpflege (WAFD) oder Amt für Bodendenkmalpflege die Eintragungsabsicht und Äußerung des Eigentümers mit. Stellt das WAFD das Benehmen her, entscheidet die Untere Denkmalbehörde über die Eintragung des Denkmals. An den Eigentümer des Denkmals ergeht ein Eintragungsbescheid. Das Westfälische Amt für Denkmalpflege/Bodendenkmalpflege wird über die Eintragung unterrichtet.

Wichtig ist die Benehmensherstellung durch den Landschaftsverband. Es kann eine Unterschutzstellung und Eintragung in die Denkmalliste
  • befürworten
  • ablehnen
  • durch Nichtäußerung Zustimmung signalisieren
  • einen Entscheid der Obersten Denkmalbehörde, des Ministers für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, herbeiführen, wenn die Untere Denkmalbehörde entgegen seinen Vorstellungen die Denkmaleigenschaften verneint.

Den Entscheid der Obersten Denkmalbehörde können aber auch die Unteren Denkmalbehörden herbeiführen, wenn der Landschaftsverband den Denkmalwert eines Objektes entgegen der Auffassung der Gemeinde nicht anerkennt.

Für die Unterschutzstellung von Denkmälern gibt es zwei Möglichkeiten. Eine vorläufige Unterschutzstellung kann nach § 4 DSchG angeordnet werden. Damit sollen potentielle Denkmäler z. B. vor Abbruch gesichert werden, wenn die Voraussetzungen für die Denkmaleigenschaft nach einer Prognose-Entscheidung vorliegen, die Einzelheiten aber noch nicht erklärt sind.

Denkmäler können aber auch durch die Eintragung in die Denkmalliste der Gemeinde gemäß § 3 DSchG unter Schutz gestellt werden. In beiden Fällen gelten die Objekte als Denkmal.

Das für Nordrhein-Westfalen dargestellte System der konstitutiven Eintragung schafft Rechtssicherheit für Eigentümer, Denkmalbehörden und die Öffentlichkeit. In der Regel akzeptieren die Eigentümer die Unterschutzstellung ihres Objektes. Ist das aber nicht der Fall, haben sie die Möglichkeit innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen.


Rechte und Pflichten

Mit der vorläufigen Unterschutzstellung oder rechtskräftigen Eintragung in die Denkmalliste erwachsen für den Eigentümer Rechte und Pflichten. Im Hintergrund steht die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen." Das Denkmalschutzgesetz schreibt dem Eigentümer eines Denkmals vor, es "instand zu halten, instand zu setzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen" (§ 7 DSchG) und es so zu nutzen, "daß die Erhaltung der Substanz auf Dauer gewährleistet ist". Aufgabe des Eigentümers ist also die Erhaltung und Nutzung eines Denkmals. Ihm ist es nicht gestattet, das Denkmal verfallen zu lassen, herunterzuwirtschaften oder unbrauchbar zu machen. Gleichgültig, ob an einem denkmalgeschützten Haus angebaut, das Dach erneuert oder das Haus an einem anderen Ort (z. B. Freilichtmuseum) aufgebaut werden soll, vor jeder Veränderung ist die Erlaubnis der Denkmalbehörden einzuholen (§ 9 DSchG). Auch die Veräußerung von Denkmälern muß den Denkmalbehörden angezeigt werden. Eigentümer sind verpflichtet, den Denkmalbehörden erforderliche Auskünfte zu erteilen. Nach vorheriger Benachrichtigung des Eigentümers steht den Beauftragten der Denkmalbehörden ein Betretungsrecht für Grundstücke und Wohnungen zu Prüf- und Untersuchungszwecken zu, wenn das für den Erhalt des Denkmals dringend erforderlich ist. Neben weiteren verpflichtenden Bestimmungen enthält das Denkmalschutzgesetz in § 30 die Möglichkeit der Enteignung. Deren Voraussetzung ist eng begrenzt und in der Praxis bisher noch nie vollzogen worden. Die Vielzahl der Pflichten für Eigentümer von Denkmälern bewegen sich im Rahmen des Zumutbaren. So kann nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs dem Eigentümer eines Baudenkmals beispielsweise nicht auferlegt werden, für die Instandhaltung des Denkmals ständig finanzielle Verluste hinnehmen zu müssen, wenn er das Denkmal nur noch im öffentlichen Interesse erhält.

Ordnungswidrigkeiten durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten gegen das Denkmalschutzgesetz können mit Geldbußen bis zu 1 Mio. DM belegt werden. Bei Beschädigungen von Denkmälern hat die Untere Denkmalbehörde das Recht, die Herstellung des vorherigen Zustandes zu verlangen.

Die Eigentümer haben die Möglichkeit, Finanzhilfen für die Erhaltung, Instandsetzung und dauerhafte Nutzung zu beantragen. Ein gesetzlicher Anspruch darauf besteht aber nicht. Als Finanzhilfe kommen Mittel der Denkmalpflege, des Wohnungsbaus und der Städteförderung in Frage. Des weiteren sind Aufwendungen für den Erhalt von Denkmälern steuerlich absetzbar. Außerdem gewährt das Denkmalschutzgesetz in exakt umschriebenen Fällen Entschädigung.

Das Denkmalschutzgesetz NW stellt erhöhte Anforderungen an die Eigentümer von Denkmälern. Gleichzeitig bietet es als Ausgleich erhöhte finanzielle Unterstützung, damit die Denkmäler auch für die Allgemeinheit erhalten bleiben. Dafür stellen auch die Gemeinden Mittel im Rahmen ihrer Haushalte bereit. Das Land Nordrhein-Westfalen hat nach Schätzungen etwa 100.000 denkmalwerte Objekte, von denen erst ein Teil unter Schutz steht. Denkmalschutz und Denkmalpflege bleiben in unserem Bundesland eine Gegenwarts- und Zukunftsaufgabe.