"Westfalen im Bild" - Texte

Lindenbuß, Bernhard
Das Handwerk des Korbmachers
Münster, 1987



Einführung

In der folgenden Bildserie sollen die Schüler die alte bäuerliche Grünkorbflechterei kennenlernen, die heute nur noch vereinzelt im ländlichen Raum vertreten ist.

Selbstgemachte Korbwaren aus ungeschälten Weiden ("Grünkorbwaren") waren früher in der Landwirtschaft unentbehrlich. Sie erfreuen sich heute insbesondere als Ziergegenstände wieder großer Beliebtheit, so daß für die Schüler ein praktischer Bezug zu den Produkten des Korbmachers hergestellt werden kann.

Man unterscheidet das berufsmäßige städtische Korbmacherhandwerk von der bäuerlichen Korbflechterei. Der Beruf des Korbmachers entstand im Hochmittelalter (13. Jh.); seit dem 16 Jh. gibt es Korbmacherzünfte. Die Hauptkorbflechtergebiete Westfalens lagen im Kreis Höxter (Dahlhausen) und im Kreis Minden an der Weser. Diese Lage gestattete die Versorgung der Fischereihäfen an der Nordseeküste mit Fischkörben und der Glasindustrie, die teilweise auch eigene Korbflechterschulen unterhielt, mit Ballonflaschen. Daneben verkauften die Handwerker ihre Erzeugnisse auf den Märkten und durch Hausieren. Neben diesem berufsmäßigen städtischen Korbmacherhandwerk gab es die bäuerliche Korbflechterei, die im Westmünsterland sehr verbreitet war. Hier stellten geschickte Bauern, Kötter und Heuerlinge für ihren Bedarf und den der Nachbarschaft Körbe in Grünkorbflechterei her.

Aus den Städten ist der Beruf des Korbflechters, den es heute hin und wieder noch als Wandergewerbe gibt, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwunden. Bedingt durch den Gebrauch von Draht- und Kunststoffkörben und billige ausländische Importe von Weißkorbwaren (besonders aus China und Taiwan) mußten die meisten Korbflechter ihr Handwerk aufgeben.

Die bäuerliche Grünkorbflechterei ist bis heute anzutreffen. Sie deckte früher den eigenen Bedarf an Kartoffel-, Futter-, Eierkörben etc. Ähnlich wie der Vorrat an Reiserbesen wurde auch der Vorrat an Körben im Spätherbst und Winter ergänzt, da die Bauern jetzt für diese Tätigkeiten Zeit fanden.

Als Rohmaterial verwendet der Korbflechter hauptsächlich die Zweige des Haselstrauches (daneben sind noch Eiche und Esche gebräuchlich) und die Korbweide (plattdeutsch: "Erdwedde").

Der Haselnußstrauch wächst vor allem als Unterholz im Laubwald oder bildet große Bestände in Wallhecken. Er erreicht eine Höhe von 2-4 m und wird im Spätherbst bzw. im Winter geschnitten. Die harten und dennoch biegsamen Haselgerten werden für das Gerippe der Körbe verwendet.
Das zweite wichtige Rohmaterial ist die Korbweide. Sie wächst als Strauch an Flußläufen, Gräben und anderen feuchten Stellen. Schon früh erkannten die Korbmacher, daß man für die Flechterei eine hochwertige Weide züchten mußte. Die Korbweide besitzt lange, glatte Weidenruten, die besonders weich und geschmeidig sind.

Die Anlage einer Weidenkultur erfolgt in der Regel durch Stecklinge. Diese Stecklinge sind 26-30 cm lange Teile von einjährigen, geschnittenen Ruten.

Später bilden diese Stecklinge Sträucher, deren Triebe jedes Jahr wieder nachwachsen. Der einjährige Trieb eignet sich noch nicht zur Ernte, weil die Wurzeln der jungen Weiden zu zart sind und durch den Schnitt gelöst werden können. Auch ist diese Rute noch zu weich, weil die Verholzung gerade erst begonnen hat. Geschnitten werden die Weiden zwischen dem 15.11. und Februar bis März, wenn sie keinen Saft haben. In diesem Zeitraum ruht das Wachstum, und die Spitzen der Ruten sind bis zu diesem Zeitpunkt verholzt. Für sommergeschnittene Weiden besteht zusätzlich die Gefahr, daß die neuen Triebe im Winter abfrieren, wodurch der Ertrag des nächsten Jahres sinkt. Das Schneiden der Korbweiden muß sehr sorgfältig vorgenommen werden, damit die Wurzeln des Strauches nicht gelockert werden. Geschnitten wird mit einem scharfen Messer oder einer Rosenschere. Anschließend werden die Weiden nach Größe und Dicke vorsortiert, gebündelt und zunächst gestapelt im Freien getrocknet. Bei der anschließenden Weiterverarbeitung unterscheidet man:
  1. die "grüne Arbeit", bei der ungeschälte Weiden in den verschiedensten Stärken zu Körben und anderen Gegenständen verarbeitet werden (vgl. die folgende Bildserie).
  2. Die "weiße Arbeit", bei der geschälte und gebleichte Weiden von mittlerer und feiner Stärke verarbeitet werden.


Die Grünkorbmacher waren in der Regel nur im väterlichen Betrieb oder bei einem anderen Korbmacher angelernt worden und häufig nur für einige besondere Korbformen ausgebildet. Die Weißkorbmacher, die wesentlich mehr Objekte herstellten und dafür auch kompliziertere Flechttechniken beherrschen mußten, hatten alle eine vorgeschriebene Ausbildung erhalten.


Erzeugnisse des Korbmachers

In der bäuerlichen Korbmacherei werden entsprechend ihrem Verwendungszweck die unterschiedlichsten Korbgrößen und -arten hergestellt (vgl. Bild  Medien). Die folgende Auflistung verdeutlicht, daß Korbwaren früher in den verschiedensten Bereichen wie z.B. im Haushalt, in der Landwirtschaft und für die unterschiedlichsten Zwecke benötigt wurden. Dazu zählten:

[Abbildung folgt]

Weiterhin wurden hergestellt:
  • Wiegenkörbe mit und ohne Haube;
  • Große ovale flache Körbe für Rüben, Kartoffeln und Spreu, die sogenannte "Schüte";
  • Stühle, Sessel und Tische;
  • Aalreusen und Bienenkörbe;
  • Reise- und Versandkörbe.

Die folgenden Bilder und Kommentare zeigen die Herstellung eines Korbes aus ungeschälten Weiden.


Didaktisch-methodische Überlegungen

Diese Bildserie ist in erster Linie für die Grundschule konzipiert, darüber hinaus kann sie aber auch in der Sekundarstufe 1 eingesetzt werden. Durch die Zerlegung in Einzelbilder wird der Herstellungsprozeß eines Korbes für die Kinder überschaubar gemacht Gleichzeitig lernen die Schüler hier ein Handwerk kennen, das im Münsterland eine jahrhundertelange Tradition aufweist und dessen Arbeitsgänge bis heute unverändert geblieben sind. Es wird deutlich, daß vor allem die manuelle Geschicklichkeit des Korbmachers bei der Herstellung von Korbwaren entscheidend ist für ein Gelingen der Arbeit. Im Sachunterricht der Grundschule (3./4. Schuljahr) ist eine Zuordnung zum Aufgabenschwerpunkt "Arbeitsstätten und Berufe" möglich. Demnach sollen die Schüler:
  • mit Arbeitsstätten und Berufen im Heimatraum vertraut werden;
  • die Bedeutung von Waren und Dienstleistungen für den Menschen einschätzen;
  • die Wichtigkeit der Arbeit und der verschiedenen Berufe erkennen. [1]

Weiterhin haben im Sachunterricht konkrete Anschauung und unmittelbares Erleben grundlegende Bedeutung für den Lernprozeß. Die Unterrichtserfahrungen der Schüler können durch den Besuch bei einem Korbmacher oder die Einladung eines Korbmachers in die Schule erweitert und vertieft werden. Gleichzeitig bietet der persönliche Kontakt mit einem Korbmacher den Schülern die Möglichkeit, direkte Informationen über die bäuerliche Korbmacherei zu erhalten.


[1] Vgl. Kultusminister NW (Hrsg.): Richtlinien für den Sachunterricht in Grundschulen. Köln 1985, S. 28.




Westfalen im Bild, Reihe: Westfälische Handwerksgeschichte, Heft 5. In Zusammenarbeit mit der Kreisbildstelle Borken.