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Religiös-kirchliches Profil Westfalens
im Spätmittelalter


 
 
Einleitung
Der größte Teil Westfalens gehörte zu geistlichen Fürstentümern, also jenen Ländern, in denen die Fürstbischöfe von Münster, Paderborn und Minden zugleich weltliche Landesherren waren. Die geistliche Gewalt der Bischöfe fiel zusammen mit ihrer weltlichen Herrschaft. Diese Tatsache sollte die Geschichte der Reformation und der Neuzeit entscheidend mit beeinflussen, denn das Land war eng mit den Einrichtungen der Alten Kirche verbunden.

Im Mittelalter war es den Fürstbischöfen gelungen, ihre Herrschaftsbereiche auszudehnen sowie die kirchliche und weltliche Gliederung ihrer Bistümer aufzubauen. Im Spätmittelalter erreichten die Fürstbistümer die territoriale Ausdehnung, die sie auch im 16. und 17. Jahrhundert, mit wenigen Ausnahmen, beibehalten sollten.

Die Fürstbischöfe waren aber in ihrer Herrschaftsausübung vom adligen Domkapitel als Wahlgremium abhängig und spätestens seit dem Ende des 14. Jahrhunderts an so genannte Wahlkapitulationen gebunden. Diese Wahlkapitulationen verpflichteten den Fürstbischof u.a. zur Achtung der Landesprivilegien, insbesondere denen des Domkapitels, und zur Wahrung der territorialen Integrität. Da das Domkapitel bei einer Sedisvakanz, das heißt, wenn der Bischofsstuhl nicht besetzt war, die Regierung des Stifts führte, war es für den westfälischen Adel attraktiv, ein Familienmitglied im Domkapitel zu wissen. So waren Bischöfe und die Domkapitulare im späten Mittelalter meist adliger Herkunft und besaßen nur selten die höheren Weihen. Sie verstanden sich vor allem als "Politiker" und ließen sich bei ihren geistlichen Aufgaben von Weihbischöfen und Vikaren vertreten.
 
 
Die westfälische Klosterlandschaft war reich: Schon im frühen Mittelalter waren die Benediktinerabtei in Werden (804) und die Frauenstifte Nottuln (gegr. nach 800), Vreden (vor 839), Liesborn (nach 850), Freckenhorst (zwischen 856-860), Metelen (889) und Borghorst (986) gegründet worden. Erst 1122 wurde mit dem Prämonstratenserkloster in Cappenberg ein weiterer Männerkonvent gestiftet. Es folgten Niederlassungen der Zisterzienser im 12, Jahrhundert, der Franziskaner, Dominikaner und der Augustiner-Eremiten im 13. Jahrhundert sowie Niederlassungen der Johanniter und des Deutschen Ordens. Mit der Gründung der vier großen Bettelorden der Dominikaner, der Karmeliter, der Franziskaner und der Augustiner-Eremiten war schon im 13. Jahrhundert eine bedeutende innerkirchliche Reformbewegung entstanden, die auch in Westfalen einflussreich wurde. In der Reformation spielten die Augustiner-Eremiten, die Klöster in Osnabrück, Herford und Lippstadt unterhielten, als der Orden Martin Luthers eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Reformation in Westfalen.

Schon im 15. Jahrhundert wurde der Ruf nach einer Reform der Kirche "an Haupt und Gliedern" laut: Die Lebensweise der Geistlichkeit wurde ebenso kritisiert wie die Stellung des Papsttums in der Kirche. Die Priester hatten oftmals eine sehr geringe Bildung und kaum ein theologisches Studium absolviert. Häufig waren die Klöster zu adeligen und bürgerlichen Versorgungsanstalten geworden, die oft nicht mehr den monastischen Idealen und den durch Regeln festgelegten Lebensformen entsprachen. Wenn jedoch oft von den Missständen in den mittelalterlichen Klöstern gesprochen wird, muss betont werden, dass es große Unterschiede bei der Einhaltung der klösterlichen Lebensweise zwischen den Ordenshäusern gab.

Daneben entstanden im Spätmittelalter bedeutende Reformbewegungen innerhalb der Kirche, etwa die "Devotio moderna", eine Form der spätmittelalterlichen Mystik, die im niederländisch-westfälischen Raum im 15. Jahrhundert besonderen Einfluss gewann. Die "Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben" waren eine fromme Laienbewegung, die ein praktisches Weltchristentum und Eigenlektüre der Bibel an die Stelle mönchischer Ideale setzte. Ihre Mitglieder verzichteten auf persönliches Eigentum und bemühten sich um ein asketisches Leben inmitten der städtischen Welt. In Münster wurde 1400 die erste Niederlassung der "Brüder vom gemeinsamen Leben" in Deutschland gegründet, ihr folgte die Gründung in Herford 1428.

Die religiöse Alltagswelt der Laien im Spätmittelalter war durch vielfältige Frömmigkeitsformen geprägt und entfaltete sich in der Marienverehrung, in der Stiftung von Altären, im Anwachsen der Wallfahrten und in der Gründung von Bruderschaften. Diese Bruderschaften waren religiöse Gemeinschaften von Laien und Klerikern und hatten einen heiligen Patron oder eine Patronin. Ihre Statuten verpflichteten die Mitglieder, Sorge für Arme und Kranke sowie Witwen und Waisen zu tragen. Den Toten ihrer Gemeinschaft sollten sie das Grabgeleit geben und jährlich eine Gedächtnisfeier für sie abhalten.

Insgesamt weist das spätmittelalterliche religiöse Leben eine große Vielfalt auf. Niedergang und Missstände gab es ebenso wie Reformansätze und neue Lebensformen.