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Arbeitsbedingungen


 
 
Einleitung
Das starke Bevölkerungswachstum im 18. Jahrhundert brachte eine neue Unterschicht vor allem auf dem Land hervor. Durch die gängige Erbregelung, nach der nur ein Sohn den Landbesitz erben konnte, gab es eine Vielzahl von besitzlosen Familien, die ihren Unterhalt als Tagelöhner in der Landwirtschaft verdienen mussten. Viele dieser Familien besserten ihr Einkommen durch Hausarbeit für die Textil- oder die Zigarrenindustrie auf. Sie bildeten in der Zeit der fortschreitenden Industrialisierung das Arbeitskräftereservoir für die neu entstehenden Fabriken.

Die materielle Not führte zu einer hohen Mobilität dieser Familien. Auf der Suche nach Arbeit zogen sie in die rasch wachsenden Städte und Industriezentren, die einen großen Bedarf an Arbeitskräften hatten. Rings um die neuen Industrieanlagen entstanden Wohnsiedlungen für die Arbeiterfamilien. Seit dem 18. Jahrhundert suchten viele Männer und Jungen als Saisonarbeiter ihr Auskommen, zum Beispiel als so genannte "Hollandgänger" im benachbarten Ausland. Aus dem Lipper Land brachen die Wanderziegler im Frühjahr nach Friesland, Berlin oder das rheinisch-westfälische Industriegebiet auf und kehrten im Herbst wieder heim. Frauen und Kinder bewirtschafteten zu Hause die kleine Landwirtschaft. In zahlreichen Briefen sind Schilderungen des Saisonarbeiterlebens bis heute überliefert. Diese Wanderarbeit existierte in Lippe noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Anke Asfur

Wirtschaftlicher Strukturwandel und Herausbildung von 'Global Playern' in Westfalen im 19. und 20. Jahrhundert




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In der Frühphase der Industrialisierung waren viele Familien darauf angewiesen, dass alle Familienmitglieder zum Unterhalt beitrugen. Vor allem in den Gewerben, die zunächst in Hausarbeit produzierten, wie dem Textil- und Zigarrengewerbe, arbeiteten die Kinder mit. Auch in den neuen Fabriken dieser Branchen und in der Glasindustrie im Mindener Raum wurden Kinder für viele Tätigkeiten eingesetzt. Die Arbeitsbelastungen und die gesundheitlichen Schäden für die Kinder waren offensichtlich. Zwar gab es bereits 1839 ein "Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in den Fabriken", aber diese Bestimmungen reichten für den Schutz der Kinder nicht aus. Bis weit ins 19. Jahrhundert blieb Kinderarbeit an der Tagesordnung. In zeitgenössischen Publikationen wurden die pädagogischen und wirtschaftlichen Folgen kontrovers diskutiert.

Die Fabrikarbeit bedeutete auch eine Umstellung im Arbeitsrhythmus. In der Landwirtschaft hatten Jahreszeiten und Tageslicht die Arbeitszeiten vorgegeben. Jetzt bestimmten Fabrikuhr und maschinelle Arbeitsabläufe den Arbeits- und Tagesverlauf. Die Verlagerung der Produktion von der Heimarbeit in neue Fabriken führte endgültig zu einer Trennung von Wohn- und Arbeitsort, von Familien- und Arbeitsleben. Die meisten Unternehmer erstellten Arbeitsordnungen, um die Einhaltung fester Arbeitszeiten, aber auch bestimmter Verhaltensregeln und Ordnung am Arbeitsplatz einzufordern. Diese Regelwerke dienten nicht nur der Disziplinierung der Arbeiter, sondern trugen auf Dauer auch zur Vermeidung von Unfällen am Arbeitsplatz bei.

Schlechte Arbeitsbedingen, wie der häufig beklagte Mangel an Tageslicht und frischer Luft in den Fabriken, zu lange Arbeitszeiten und vor allem die Lohnfrage waren immer wieder Grund für heftige Konfrontationen zwischen Arbeitern und Unternehmern. Bereits in den 1840er Jahren gründeten sich die ersten Gewerkschaften, um die Interessen der Arbeiterschaft zu vertreten. Das so genannte "Stinnes-Legien-Abkommen" (benannt nach dem Unternehmer Hugo Stinnes und dem Gewerkschaftsführer Karl Legien) von 1918, in dem erstmalig die Gewerkschaften reichsweit anerkannt wurden, das Gesetz über die Montanmitbestimmung von 1951 und das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 markieren wichtige Schritte der langen politischen Auseinandersetzung um betriebliche Mitbestimmung. Seit 1918/1919 werden in allen Branchen Tarifverträge ausgehandelt, in denen Arbeitslohn, Länge der Arbeitszeit und Urlaubsanspruch festgesetzt werden. Die handelnden "Tarifparteien" sind dabei Gewerkschaften als Vertreter der Arbeitnehmer einerseits und Arbeitgeberverbände oder einzelne Arbeitgeber andererseits.