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Einzelthemen -
Texte zur Frauen- und Geschlechtergeschichte



In den folgenden Beiträgen werden die für die Frauen- und Geschlechterforschung zentralen Bereiche Religion, Politik, Bildung und Arbeit unter einer geschlechter- und regionalgeschichtlichen Perspektive analysiert. Entsprechend der zeitlichen Ausrichtung des Westfälischen Institutes für Regionalgeschichte konzentrieren sich die Aufsätze auf das 19. und 20. Jahrhundert.
 
 

Religion
Zwei Mädchen bei der Erntedank-Andacht, 1950er Jahre (Ausschnitt) / Münster, Westfälisches Landesmedienzentrum, Ignaz Böckenhoff, 06_502 
Barbara Stambolis Gender und Religion 


Geschlechtergeschichtliche Forschungsansätze nehmen heute verstärkt Handlungsräume von Frauen in den Blick, die in religiösen Zusammenhängen verortet werden müssen. Das 19. Jahrhundert gilt als Zeitalter weiblicher Frömmigkeit par excellence; dies zeigt sich beispielsweise in einem ausgeprägten Engels- und Marienkult; in ländlich-dörflichen Regionen wurde nicht nur im Pietismus Frömmigkeit von Frauen getragen. Die wichtigsten religiös geprägten weiblichen Berufe waren zweifellos Diakonissen und Ordensschwestern, die vorbildhaft auf die Berufsauffassungen zahlreicher Frauen der helfenden Berufe in Diakonie und Caritas wirkten. Weniger bekannt ist, dass jüdische Frauen ihr soziales und karitatives Engagement ebenfalls als religiöse Verpflichtung ansahen. Darüber hinaus gibt es in Westfalen bekannte weibliche Stigmatisierte und herausragende weibliche Konvertitinnen.

Stadtrundgänge nehmen bereits teilweise Zusammenhänge des Themen- und Forschungsfeldes Gender - Religion auf, es findet seinen Niederschlag in Frauengeschichtsdarstellungen zu einzelnen Städten und Gemeinden, Frauenhand- und Lesebücher, Ausstellungen bieten Anregungen für die Weiterarbeit.
 
 

Politik
Gruppenbild mit Abgeordneten des Provinzialverbandes im Garten des Landeshauses in Münster, um 1905 (Ausschnitt) / Münster, Westfälisches Landesmedienzentrum, 10_3205 
Heide-Marie Lauterer Politische Partizipation 


Um politische Partizipationsformen von Frauen aufzuspüren, bedarf es einer breiten Auffassung von Politik. Der instrumentelle Partizipationsbegriff, der vor allem auf das aktive und passive Wahlrecht zielt, greift zu kurz. Denn es waren gerade Frauen, die sich schon vor 1918, der Einführung des Frauenwahlrechtes, aber auch nach 1945 und 1968 außerhalb des parlamentarischen Raumes in kirchlichen und gesellschaftlichen Organisationen, Vereinen und Verbänden sowie in autonomen Gruppen organisierten und gesellschaftliche Prozesse maßgeblich mitgestalteten. Wie die folgenden Ausführungen zeigen, lassen sich alle Partizipationsformen von Frauen auf Reichs- bzw. Bundesebene auch für den Raum Westfalen-Lippe nachweisen.


Wählerinnen und Wähler bei der Wahl zur Nationalversammlung am 19.01.1919 / Foto: Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen, 01_5291-1 
Julia Paulus 19. Januar 1919 - Erstmaliges aktives und passives Wahlrecht für Frauen in Deutschland 


Bevor Frauen in Deutschland erstmals weibliche Abgeordnete in ein deutsches Zentralparlament wählen konnten, hatte die Verfassung des Deutschen Reiches das gleiche und geheime Wahlrecht ausschließlich auf männliche Deutsche begrenzt. Darüber hinaus war Frauen bis 1908 die Mitarbeit und Teilnahme an politischen Vereinen in der Mehrzahl der deutschen Bundesländer untersagt. Lediglich in einigen Ländern konnten Frauen aufgrund des dortigen Besitzwahlrecht in Gemeinderäte gewählt werden. Der Beitrag liefert Hinweise über die Initiatorinnen und Initiatoren und Prozesse, die 1918 zur Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen führten, wie auch detaillierte Informationen über die Mandatsverteilung und Biografien weiblicher westfälischer Parlamentarierinnen in der Nationalversammlung, im Reichstag, in der Preußischen Landesversammlung, im Preußischen Landtag und im Westfälischen Provinziallandtag während der Weimarer Republik.
 
 

Bildung
Edith Stein (Ausschnitt) / Köln, Edith-Stein-Archiv 
Rita Börste Aufbruch in die Wissenschaft -
Die Anfänge der Frauenbildung am Beispiel des Hochschulstudiums
 


Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden Frauen wegen ihres Geschlechtes und damit verbundener vermeintlich eingeschränkter Leistungsfähigkeit im Deutschen Reich von einem Universitätsstudium ausgeschlossen. Zahlreiche Frauenverbände, darunter der „Allgemeine Deutsche Frauenverein“, wandten sich gegen diese Ungleichbehandlung und engagierten sich seit Mitte der 1860er Jahre verstärkt für den Zugang von Frauen zu akademischer Bildung. 1908 war ein zentraler Meilenstein erreicht: In Preußen wurden Frauen als ‚ordentliche’ Studierende zum Universitätsstudium zugelassen. Wesentliche Etappen auf dem Weg dorthin und die Situation der ersten Studentinnen sollen für Preußen allgemein und für die Universität Münster (bis 1902 Akademie) im Besonderen aufgezeigt werden. Die Universität Münster war im Untersuchungszeitraum die einzige Universität in Westfalen-Lippe.
 
 

Arbeit
Arbeiterinnen im Maschinensaal (Abfüllanlage) der Firma Dr. Oetker, Bielefeld, 1930 (Ausschnitt) / Bielefeld, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek 
Sabine Heise Frauen-Arbeiten -
Zwischen Beruf und Berufung
 


Die Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts basierte auf der Trennung von Erwerbsarbeit und Familienarbeit, wobei die Männer für die bezahlte Erwerbsarbeit, die Frauen hingegen für die unbezahlte Haus- und Familienarbeit zuständig sein sollten.
Diese bürgerliche Norm ließ sich allerdings im Leben der Arbeiterfamilien und der bäuerlichen Haushalte nur bedingt durchsetzen, da viele Familien auf die außerhäusliche Erwerbsarbeit oder Mitarbeit ihrer Ehefrauen und Töchter angewiesen waren. Auch gingen mit Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend mehr Frauen aus dem Bürgertum einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nach, wobei für bürgerliche Frauen wie auch für Arbeiterinnen oftmals bestimmte, geschlechtsspezifisch zugewiesene Arbeiten vorgesehen waren. Typisch für Westfalen-Lippe war die Konzentration von Frauen auf Arbeitsplätze in der Textilindustrie und im Dienstleistungsbereich sowie in der Landwirtschaft.
 
 

Frauenkarrieren
 
Ulrike Gilhaus / Julia Paulus / Anne Kugler-Mühlhofer Frauen im Aufbruch zu Amt und Würden 


Im Wintersemester 1908/09 durften Frauen erstmals in Preußen regulär studieren. Zehn Jahre später erhielten sie das aktive und passive Wahlrecht und übten es 1919 erstmals aus. 1949 schrieb das Grundgesetz die Gleichberechtigung beider Geschlechter fest.
Am Beispiel von Westfalen zeichnet diese Internetpräsentation den hürdenreichen Weg von Frauen im Aufbruch zu Amt und Würden im 20. Jahrhundert nach und beschreibt an ausgewählten Biografien Gelingen und Scheitern, Chancen und Preis der neuen Möglichkeiten. Sie fragt danach, wie Frauen unterschiedlicher sozialer Milieus diese neuen Leitbilder rezipierten, modifizierten oder sogar eigene Leitbilder formten. Über Objekte, biographische Skizzen und Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden Einblicke in ganz persönliche Pionierleistungen gegeben. In einem zusätztlichen Tagungsteil diskutieren sieben Beiträge anhand regionaler und kollektivbiografischer Untersuchungen neue Partizipationskonzepte und vermitteln ein vertieftes Verständnis des politisch wie gesellschaftlichen Engagements von Frauen vom Kaiserreich bis zur Gegenwart.