Erinnerungskultur in Westfalen > Stadtarchiv Detmold


 

1. Einführung: Zeitgeschichte im Archiv - zur Zusammenarbeit der Archive mit den Schulen

 
 
 
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte hat zwei Zielrichtungen. Zum einen erklärt sie die Bedingungen und die Entwicklungslinien, die zur Gegenwart des jeweils Forschenden führen. Zum anderen kann sie mögliche Alternativen aufzeigen, Brüche und Wendepunkte, bei denen Geschichte auch anders hätte verlaufen können.

Dies gilt für die gesamte Geschichte. Das hier vorliegende Angebot wird aber auf den Zeitraum von 1918 bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 eingeschränkt. Diese "Zeitgeschichte" umfasst das Ende des Ersten Weltkriegs, die Revolution vom November 1918 in Deutschland, den Aufbau der Weimarer Republik, die Machtübernahme durch die NSDAP 1933, die zwölf Jahre der NS-Regierung bis 1945, den Zusammenbruch des Deutschen Reiches sowie die Neugründung von nunmehr zwei deutschen Staaten, der Bundesrepublik und der DDR.

In diesem Zeitraum fanden in Deutschland bedeutende soziale, wirtschaftliche und politische Veränderungen statt. Sie lassen sich als eine immer dynamischer werdende Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bezeichnen. Gleichzeitig stehen die beiden großen Verbrechen, für die Deutschland während der NS-Herrschaft verantwortlich war, im Mittelpunkt des Interesses: Die Verfolgung und Ermordung von aus der Gesellschaft ausgegrenzten Menschengruppen, vor allem der jüdischen Bevölkerung, sowie der Zweite Weltkrieg.

Das Interesse an der Zeitgeschichte wird durch noch bestehende lebensgeschichtliche Zusammenhänge der Forschenden gefördert und erleichtert. An Zeitzeugen der Eltern- und Großelterngeneration können noch Fragen gerichtet, die Antworten hinterfragt und ausgewertet werden. Hier wird deutlich, dass sich Geschichte auch in Alltagserfahrungen oder in den Erfahrungen kleiner Gruppen vollzieht, die mit denen der "großen Geschichte" auf Reichs- oder europäischer Ebene zusammenhängen, sich aber auch von ihnen unterscheiden.

Die Archive bieten die Möglichkeit, über die Sichtung und Auswertung von Originalschriftgut der historischen Erkenntnis eine eigene Basis zu geben und gleichzeitig die Aussagen der "Zeitzeugen" an dieser Überlieferung zu überprüfen. Die Materialien zur Erschließung der Zeitgeschichte sind gegenüber denen früherer Jahrhunderte vielfältiger und durch die Verwendung der Maschinenschrift Texte leichter zugänglich. Als wichtige eigenständige Quellengattung ergänzen Sammlungen von Zeitungen und Zeitschriften die Dokumente.

Mit Fotografien, Filmen und Tonaufnahmen stehen darüber hinaus Medien zur Verfügung, die jugendlichen Forschern vertraut sind. Die Umsetzung historischer Erkenntnis kann dann ebenfalls auf lebensnahe Methoden zurückgreifen, vom selbstverfassten Text bis hin zum Film mit Zeugenaussagen.
 
 
 
 

2. Krieg - Revolution - Republik:
Lippe 1918/19

 
 
 
Detmold war bis 1947 die Residenzstadt des Landes Lippe, seine Geschichte ist deshalb eng mit der des Landes verbunden.

Im November 1918 war der Erste Weltkrieg zu Ende, auch nach Detmold kehrten geschlagene Truppen zurück. Hier hatte inzwischen eine Revolution stattgefunden: Fürst Leopold IV. hatte abgedankt, ein Volks- und Soldatenrat die Regierung übernommen. Anfang des Jahres 1919 wurde ein neuer Landtag nach demokratischen Regeln gewählt, der eine neue Landesregierung bestimmte: das aus drei Männern bestehende Landespräsidium. Sein führender Kopf war der Sozialdemokrat Heinrich Drake.

  • Verfügbare Quellen im Stadtarchiv / Staatsarchiv Detmold:
    • Aktenbestände L 10 (Landtag), L 75 (Landespräsidium), L 79 (Regierung), D 106 Detmold (Stadtarchiv)
    • Lippische Landes-Zeitung (liberal)
    • Lippische Tageszeitung (konservativ)
    • Vorbereitete Materialien: Lippischer Heimatbund (Hg.): Materialien zur lippischen Landesgeschichte, Bd. III: Revolution in Lippe 1918/19. Detmold 1990
 
 
 
 

3. Krisen und Gegner der Republik
Lippe 1919-1933

 
 
 
In Detmold zeigten sich die gleichen politischen, ökonomischen und sozialen Probleme wie im übrigen Deutschland:
  • Kämpfe zwischen Verteidigern und Gegnern der Republik,
  • Inflation,
  • Arbeitslosigkeit, hier noch durch die Notwendigkeit verschärft, saisonale Wanderarbeiter, die Ziegler, "seßhaft" zu machen,
  • Mängel in der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur (Wohnungsbau, Verkehrswegebau),
  • ein Anwachsen der radikalen Parteien.

  • Verfügbare Quellen im Stadtarchiv / Staatsarchiv Detmold:
    • Aktenbestände L 10 (Landtagsakten), L 75 (Landespräsidium), L 79 (Regierung), L 80.14 und L 80.15 (Polizei), D 106 Detmold (Stadtarchiv), D 72 Helmuth Petri (Nachlass)
    • Lippische Landes-Zeitung (liberal)
    • Lippische Tageszeitung (konservativ)
    • Volksblatt (sozialdemokratisch)
    • Vorbereitete Materialien in den Archivpädagogischen Themenheften des Staatsarchivs (Auswahl): "Die lippischen Ziegler waren auch Gastarbeiter", Ostwestfalen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise, Antisemitismus in Lippe in der Zeit des Kaiserreiches und der Weimarer Republik
 
 
 
 

4. Die NSDAP in Lippe: 1933-1945

 
 
 
Schon 1932 hatte die NSDAP die Kommunalwahlen gewonnen, im Januar 1933 dann auch die Landtagswahlen. Über 12 Jahre herrschte die NSDAP mit dem Gauleiter des Gaus Westfalen-Nord, Dr. Alfred Meyer, als Reichsstatthalter und Chef der Landesregierung, und mit ihrem lippischen Kreisleiter Adolf Wedderwille. Die einzelnen Elemente der Politik der NSDAP wurden auch hier spürbar:
  • Verfolgung der politischen Gegner,
  • Gleichschaltung,
  • Antisemitismus mit wirtschaftlichem Boykott, rechtlicher Ausgrenzung, Zerstörung der Detmolder Synagoge im November 1938, Ausplünderung, Zwangsauswanderung, Deportation und Mord.

Die Kriegspolitik zeigte sich im Stadtbild in einem Anwachsen des Kasernenbaus, der zugleich Arbeit und Geld brachte. Detmold war am Vorabend des Krieges mit sechs Kasernen Standort für Infanterie-, Artillerie- und Luftwaffeneinheiten.

Seit dem Kriegsbeginn im September 1939 wurde die lippische Wirtschaft auf die Kriegsbedürfnisse ausgerichtet und in die Rüstungsproduktion eingezogen. Sowohl in der Industrie als auch im Handwerk und in der Landwirtschaft wurden in großer Zahl ausländische Männer und Frauen als Zwangsarbeiter eingesetzt.

  • Verfügbare Quellen im Stadtarchiv / Staatsarchiv Detmold:
    • Aktenbestände L 75 (Landespräsidium), L 76 (Reichsstatthalter in Lippe), L 80 L (Büro des Staatsministers), L 80.14 und L 80.15 (Polizei), L 113 (NSDAP und NS-Organisationen), D 106 Detmold (Stadtarchiv), D 72 Kenter (Nachlass)
    • Lippische Staatszeitung (nationalsozialistisch)
    • Vorbereitete Materialien in den Archivpädagogischen Themenheften (Auswahl): Rassenlehre und Rassenpolitik der Nationalsozialisten in Lippe, Der Pogrom vom 9./10. November in OWL, Kirche und Nationalsozialismus in OWL, Widerstand und Verweigerung in Lippe 1933-1945, Lippische Kinder und Jugendliche im Zweiten Weltkrieg, Ostwestfalen und Lippe im Zweiten Weltkrieg
 
 
 

5. Vom Kriegsende zum Anschluss an Nordrhein-Westfalen: Lippe 1945-1947

 
 
 
Detmolder Bürger starben durch den NS-Terror und als Soldaten im Krieg, während die Stadt selbst nur wenige Zerstörungen durch Bombenangriffe erlebte. Anfang April 1945 wurde Detmold von amerikanischen Truppen besetzt und kurz darauf der britischen Armee übergeben. Heinrich Drake wurde wieder als Landespräsident eingesetzt.

1947 schloss sich Lippe dem neuen Bundesland Nordrhein-Westfalen an. Detmold verlor seinen Status als Residenzstadt, wurde aber mit dem Sitz der Bezirksregierung und des Staatsarchivs entschädigt.

  • Verfügbare Quellen im Stadtarchiv / Staatsarchiv Detmold:
    • Aktenbestände L 10 (Landtagsakten), L 75 (Landespräsidium), L 79 (Regierung), D 106 Detmold A (Stadtarchiv), D 72 Drake (Nachlass), D 72 Diether Kuhlmann (Nachlass), D 72 Staercke (Nachlass)
    • Freie Presse (sozialdemokratisch)
    • Lippische Landes-Zeitung (liberal)
    • Vorbereitete Materialien im Archivpädagogischen Themenheft: "Stunde Null?" Ostwestfalen und Lippe 1945
 
 
 

6. Literatur zur Zeitgeschichte in
Detmold (in Auswahl)

 
 
Bibliographien
Lippische Landesbibliothek (Hg.)
Literatur über die Stadt Detmold. Zusammengestellt von Ernst Fleischhack. Detmold 1985.

Landesverband Lippe (Hg.)
Lippische Bibliographie. Mit Hinweisen auf die Buchbestände der Lippischen Landesbibliothek. Bearb. v. Wilhelm Hansen. Detmold 1957.

Landesverband Lippe (Hg.)
Lippische Bibliographie, Bd. II - Das Schrifttum von 1954/56 bis 1975 mit Nachträgen aus früheren Jahren. Bearb. v. Ernst Fleischhack. Detmold 1982.

Die Lippische Bibliographie wird als Computerdatei weitergeführt und ist als CD-Rom erhältlich.
 
 
Allgemein
Engelbert, Walter
250 Jahre Evangelisch-lutherische Gemeinde in Detmold 1721-1971. Detmold o.J. [1971].

van Faassen, Dina / Hartmann, Jürgen
"... dennoch Menschen von Gott erschaffen" - Die jüdische Minderheit in Lippe von den Anfängen bis zur Vernichtung. Bielefeld 1991.

Hartmann, Jürgen
Zur Geschichte der KPD und zum kommunistischen Widerstand in Lippe (1920 bis 1945). In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde [im weiteren: Lippische Mitteilungen] 62, 1993, S. 199-251.

Hartmann, Jürgen
Völkische Bewegung und Nationalsozialismus in Lippe bis 1925. Ein Beitrag zur Entstehung und Frühzeit der NSDAP. In: Lippische Mitteilungen 60, 1991, S. 149-198.

Klocke-Daffa, Sabine
Vom Wanderarbeiter zum Industriearbeiter. Die Entwicklung der lippischen Möbelindustrie aus sozialhistorischer Perspektive. In: Landesverbandes Lippe-Institut für Lippische Landskunde (Hg.): Lippische Möbelindustrie 1900-1960, Detmold 1993, S. 8-25.

Landesverband Lippe u.a. (Hg.)
Felix Fechenbach 1894-1933. Journalist, Schriftsteller, Pazifist. Detmold 1994.

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe (Hg.)
Geschichte der Stadt Detmold. Detmold 1953.

Rauchschwalbe, Karl
Geschichte der lippischen Sozialdemokratie. Bielefeld 1980.

Riechert, Hansjörg / Ruppert, Andreas
Herrschaft und Akzeptanz. Der Nationalsozialismus in Lippe während der Kriegsjahre. Analyse und Dokumentation. Opladen 1998.

Riechert, Hansjörg / Ruppert, Andreas
Militär und Rüstung in der Region. Lippe 1914-1945. Bielefeld 2001.

Wehrmann, Volker
Die Lippische Landeskirche 1684-1984. Ihre Geschichte in Darstellungen, Bildern und Dokumenten. Detmold 1984.

Wehrmann, Volker
Heinrich Drake 1881-1970. Sein Leben in Bildern und Dokumenten. Detmold 1981.
 
 
Weimarer Zeit
Drake, Heinrich
Die lippische Landesverwaltung in der Nachkriegszeit. Detmold 1932.

Drake, Heinrich
Wirtschaftliche Entwicklungslinien in Lippe. In: Lippische Mitteilungen 18, 1949, S. 8-25.

Hüls, Hans
Wähler und Wahlverhalten im Lande Lippe während der Weimarer Republik. Detmold 1974.

Mundt
Das 18. Infanterie-Regiment von 1921 bis 1932. Detmold 1932.
 
 
Nationalsozialismus
Freitag, Gabriele
Zwangsarbeiter im Lipper Land. Eine regionalgeschichtliche Studie zum Nationalsozialismus. Bochum 1996.

Müller, Wolfgang
Moritz Rülf - ein jüdischer Lehrer in schwerer Zeit. In: Lippische Mitteilungen 57, 1988, S. 365-432.

Ruppert, Andreas
"Der nationalsozialistische Geist läßt sich nicht in die Enge treiben, auch nicht vom Arbeitsamt." Zur Auseinandersetzung zwischen dem Kreisleiter der NSDAP in Lippe und dem Leiter des Arbeitsamtes Detmold in den Jahren 1939 bis 1943. In: Lippische Mitteilungen 62, 1993, S. 253-283.

Sengotta, Hans-Jürgen
Der Reichsstatthalter in Lippe 1933 bis 1939. Reichsrechtliche Bestimmungen und politische Praxis. Detmold 1976.

Stadt Detmold (Hg.)
Nationalsozialismus in Detmold. Dokumentation eines stadtgeschichtlichen Projekts. Bearb. v. Hermann Niebuhr und Andreas Ruppert. Bielefeld 1998.

Wehrmann, Volker
Lippe im Dritten Reich. Die Erziehung zum Nationalsozialismus. Detmold 1984.

Wulfmeyer, Reinhard
Lippe 1933. Die faschistische Machtergreifung in einem deutschen Kleinstaat. Bielefeld 1987.
 
 
Kriegsende, Nachkriegszeit und
Bundesrepublik
Albertin, Lothar
Demokratische Herausforderung und politische Parteien. Der Aufbau des Friedens in Ostwestfalen-Lippe 1945-1948. Paderborn 1998.

Becker, Waldemar
Die Besetzung Lippes im Frühjahr 1945. In: Lippische Mitteilungen 64, 1995, S. 213-270.

Die Detmolder Kriegstage 1945. Tagebuchnotizen von Bernhard Ebert, bearb. v. Hermann Niebuhr. In: Lippische Mitteilungen 64, 1995, S. 271-277.

Drake, Heinrich
121 Military Government Detmold. In: Heimatland Lippe, Jg. 1965, Heft 3, Mai 1965, S. 87-98.

Drechsler, Annette / Spindler, Jürgen (Hg.)
Zwischen Angst und Befreiung. Zeitzeugen berichten über das Kriegsende in Lippe. Detmold 1995.

Hufschmidt, Anke
"... Und dann blieben wir doch". Flüchtlinge und Vertriebene in Lippe 1945-1953. Detmold 1994

Stadt Detmold (Hg.)
Detmold in der Nachkriegszeit. Dokumentation eines stadtgeschichtlichen Projekts. Bearb. v. Wolfgang Müller, Hermann Niebuhr und Erhard Wiersing. Bielefeld 1994.

Wehrmann, Volker
Zusammenbruch und Wiederaufbau. Lippe zwischen 1945 und 1949. Detmold 1987.