QUELLE

DATUM1933-01-16   Suche   Suche DWUD
TITEL/REGESTLippe-Berlin. Zeitungsartikel aus: Berliner Tageblatt, 16.01.1933
TEXTDie Landtagswahl in Lippe-Detmold ist vorüber. Die Nationalsozialisten, die gegenüber der Reichstagswahl vom 6. November 1932 5.800 Stimmen gewonnen haben, aber hinter ihrer Stimmenzahl vom 31. Juli 1932 noch immer um rund 3.500 Stimmen zurückbleiben, triumphieren, als hätten sie eine große Schlacht gewonnen. In Wirklichkeit haben sie dennoch nur verloren: zwar nicht den Kampf um Lippe, der mit einem Unentschieden endet, weil weder die Rechte noch die Linke im neuen Landtag über eine klare Mehrheit verfügt, wohl aber die bequeme Ausrede, mit der sie sich in den letzten Wochen um die politische Entscheidung herumgedrückt haben. Keine neue Landtagswahl steht in nächster Zeit bevor, keine neue Flucht in einen Wahlkampf ist Hitler möglich. In den nächsten Tagen schon wird er gezwungen sein, zum Kabinett Schleicher Stellung zu nehmen.

Hier allerdings, aber auch nur hier und nur für Hitler, könnte dem Wahlergebnis in Lippe, das im übrigen keinen aktuellen und unmittelbaren Einfluß auf die Reichspolitik hat, grundsätzliche Bedeutung zu kommen. Hitler hat nun einmal seine weitere Politik im Reiche von dem Wahlergebnis in Lippe abhängig gemacht, und es kann gar keine Frage sein, daß dieses Ergebnis von ihm als ein Beweis für die Richtigkeit seiner Oppositionspolitik ausgelegt werden wird. Die Göring und Goebbels, die stets gegen jeden Kompromiß waren, werden behaupten, daß ihnen die Wahl in Lippe recht gegeben habe, der Glaube an die Allmacht, die Agitation wird sich bei Hitler wieder verstärken und die Angst vor Neuwahlen im Reiche verringern. Die Wahrscheinlichkeit, daß es - noch im Januar - zu einem neuen Kampf zwischen Reichstag und Reichsregierung kommt, ist durch das Wahlergebnis in Lippe jedenfalls erheblich größer geworden [...]

Und schon am Wahltag selbst hat Hitler in einer Rede in Weimar erklärt, man werde es schon in den nächsten Monaten erleben, daß die Nationalsozialisten zu den alten Kampfmethoden zurückkehrten. Denn nun werde der Kampf um die Macht in Deutschland mit größter Entschlossenheit fortgeführt. Der übliche Versuch, durch Verhandlungen nach jedem "Sieg" der Bewegung den Erfolg streitig zu machen, werde auch diesmal nicht gelingen, denn auch jetzt werde er unter keinen Umständen nachgeben. Wenn auch einzelne Leute in den eigenen Reihen etwas anderes wollten, so werde doch die Partei fest geschlossen hinter ihm, Hitler, stehen.

Das alles sind Worte und Erklärungen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, und es paßt ja auch durchaus in das Lied der nationalsozialistischen Bewegung und ihres "Führers", daß einem Ereignis von so untergeordneter Bedeutung, wie es die Landtagswahl in Lippe ist, ein entscheidender Einfluß auf die ganze Politik der Partei eingeräumt. wird.

Für die Reichspolitik jedenfalls hat sie eine solche Bedeutung nicht; für sie ist auch die Tatsache, daß die Nationalsozialisten gegenüber den Novemberwahlen etwas aufholen konnten, bei weitem nicht so wichtig und interessant, wie die beiden anderen Kennzeichen der Wahl in Lippe: die geradezu katastrophale Niederlage Hugenbergs, der an Hitler wieder alle die Wähler abgeben mußte, die er ihm Ende des vorigen Jahres abgewinnen konnte, und die unerwartete und erhebliche Zunahme der Sozialdemokraten, die allerdings wohl zum größten Teil ein Verdienst des bisherigen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Drake sein dürfte.


QUELLE    Helmert-Corvey, Theodor | Nationalsozialismus - Wahl in Lippe | Dokument 14, S. 49f.


PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.9   1900-1949
DATUM AUFNAHME2004-02-08
AUFRUFE GESAMT1894
AUFRUFE IM MONAT199