QUELLE

DATUM1933-01-11   Suche   Suche DWUD
TITEL/REGESTHitlers große Wahlmanöver. Mit Mann und Roß und Wagen. Zeitungsartikel aus: Vossische Zeitung, 11.01.1933
TEXTDie Heftigkeit, mit der der Wahlkampf in Lippe geführt wird, hat am meisten die Lipper überrascht. Sie waren bisher in politisch-parlamentarischer Hinsicht gänzlich unbeachtet geblieben und wollten nun auch diesmal in aller Stille und Bescheidenheit die 21 Abgeordneten für ihren Landtag wählen. Aber mit Ablauf des Burgfriedens kamen SA-Kolonnen über die Grenze, die über das ganze Land verteilt wurden und es dauerte nicht lange, da begannen die Umzüge, Appells wurden abgehalten, Braunhemden knatterten auf Motorrädern durch die Straßen. Lippe hatte "Einquartierung" bekommen. Natürlich sahen die Kommunisten nicht müßig zu. Sie ließen aus den westlichen Nachbargebieten ihre Kolonnen anrücken, und die Folge waren blutige Ausschreitungen. Es war nicht nur das gute Recht des sozialistischen Landespräsidenten Heinrich Drake, sondern auch seine Pflicht, gegen diese Verwilderung des öffentlichen Lebens einzuschreiten und Umzüge zu verbieten. Dank dieser Maßnahmen ist eine gewisse Beruhigung eingetreten. Es gibt überhaupt wenig äußere Zeichen, die auf den großen Wahlkampf hinweisen, der in diesem Ländchen geführt wird. Die Straßen zeigen das gewohnte Bild, gelegentlich hängt eine Parteifahne aus dem Fenster, an den Litfaßsäulen kleben bescheidene Aufrufe, das größte davon in Quartformat. Das ist alles. In den Dörfern kleben kleine Handzettel mit Versammlungshinweisen an den Telegraphenmasten. Dagegen ist die braune Farbe der SA überall. Vor den "Hauptquartieren" steht Auto hinter Auto, Motorradfahrer partroullieren durchs Land, auf den Marktplätzen stehen Bereitschaftswagen, vor allen Dingen in den Abendstunden, wenn die Versammlungen beginnen und die SA zum "Saalschutz" anrückt. Da Umzüge verboten sind, werden riesige Lastkraftwagen mit Anhängern benutzt. Dieser Betrieb dauert für gewöhnlich bis spät in die Nacht [...]

Während bei den Reichstagswahlen die großen, weltanschaulichen Fragen entscheidend sind, denkt der Lipper bei den Landtagswahlen in erster Linie an die Dinge und Begebenheiten, die in seinem kleinen, gut übersehbaren, geschlossenen Raum geschehen. Diesen gesunden Sinn sucht Hitlers großer Wahl-Manöver-Aufmarsch mit einem Massenaufgebot von Mann und Roß und Wagen zu vergewaltigen. Nach nationalsozialistischen Darstellungen sind seine Versammlungen immer "überfüllt". Die Versammlungen sind aber nicht durch die Lipper Bevölkerung überfüllt! Im Gegenteil. Wenn Herr Hitler in dem "Riesenzelt" im Bösingfeld eine Versammlung abhält, dann werden auf der Extertalbahn vier Sonderzüge gefahren, aber mit SA-Leuten aus den benachbarten schaumburg-lippischen Gebieten, aus Hameln und der übrigen preußischer Umgebung. Die Bösingfelder haben festgestellt, daß bei dieser Versammlung von den Einwohnern 2/5tel waren. Das übrige war "Import". Es ist erstaunlich, wie in diesem Fall das Geld keine Rolle spielt. Es hat Versammlungen gegeben, bei denen man 200 Autos zählte! Wie sich dieses Trommelfeuer auswirkt, bleibt abzuwarten.


QUELLE    Helmert-Corvey, Theodor | Nationalsozialismus - Wahl in Lippe | Dokument 08, S. 40f.


PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.9   1900-1949
DATUM AUFNAHME2004-02-08
AUFRUFE GESAMT1962
AUFRUFE IM MONAT215