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(82 KB)   Josepha Arens (geb. 1909), langjährige Direktorin des Gymnasiums von Rheine / Münster, Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen-Lippe / Gisbert Strotdrees   Informationen zur Abbildung

Josepha Arens (geb. 1909), langjährige Direktorin des Gymnasiums von Rheine / Münster, Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen-Lippe / Gisbert Strotdrees
FAMILIEArens
VORNAMEJosepha


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1909-10-08   Suche
GEBURT ORTBausenrode (Sauerland)


VATERArens, Josef
MUTTERArens, Marie


BIOGRAFIEDas Wort "Karriere" mag Josepha Arens nicht. Sie sagt stattdessen schlicht "Lebenslauf", oder auch: "Lauf der Dinge". Aufrecht sitzt die 81jährige am Schreibtisch in ihrer Mietwohnung in Rheine. In dieser Stadt hat sie lange Jahre am Mädchengymnasium Latein, Deutsch und Französisch unterrichtet. In ihren letzten zehn Berufsjahren war sie als Oberstudiendirektorin mit der Leitung des Gymnasiums betraut - sie, die Bauerntochter aus dem Sauerland.

Vom Bauernhof ins Direktorenzimmer - andere würden dies eine "glänzende Karriere" nennen. Josepha Arens läßt das Wort nicht gelten: "Das hört sich so an, als ob ich diesen Posten immer zielstrebig angepeilt hätte." Nach einer kurzen Pause zitiert sie aus dem Gedicht "Für meine Söhne" von Theodor Storm, das sie aus ihrer eigenen Schulzeit kennt. Der Direktor ihrer Schule hatte die Verse ihr und ihren Mitabiturientinnen in der Abschiedsrede mit auf den Weg gegeben:

"Was Du immer kannst, zu werden
Arbeit scheue nicht und Wachen.
Aber hüte Deine Seele
Vor dem Karrieremachen."

An dieses Motto habe sie sich in ihrem Leben gehalten. "Nach vorne gekämpft habe ich mich nie", sagt sie, und: "Ich habe das Glück gehabt, auf Menschen zu treffen, die mich als Mensch achteten und förderten."

Josepha Arens stammt aus Bausenrode, einem winzigen sauerländischen Dorf nahe Finnentrop. Hier wurde sie am 8.Oktober 1909 geboren, als jüngste von vier Töchtern der Bauersleute Josef Arens und seiner Frau Marie geborene Verse. "Vier Bauernhöfe - das war das ganze Dorf", erinnert sich Josepha Arens. "Zu meiner Kinder- und Jugendzeit lebten dort 28 Kinder, aus diesen paar Familien! "

Ferdinand Arens, ein Bruder ihres Vaters und Pfarrer in Bochum-Hamme, sorgte dafür, daß die damals 13jährige Josepha nach dem Besuch der Volksschule im Nachbarort Fretter auf eine weiterführende Schule kam. "Er vertrat die Ansicht: ,Die Mädchen können nicht zu Hause bleiben. Sie müssen einen Beruf haben.'" Josepha Arens kam zu ihrem Onkel nach Bochum. Dort besuchte sie die "Realgymnasiale Studienanstalt", in der sie Ostern 1929 die Reifeprüfung ablegte.
Im Pfarrhaus sammelte sie auch ihre "ersten Verwaltungserfahrungen", wie sie es nennt. Sie erledigte Botengänge, schrieb Briefe nach Diktat und gewann Einsicht in die Kirchenbücher der Gemeinde. In allen Schulferien zog es sie nach Hause. "Meine Eltern brauchten eigentlich immer Hilfe auf dem Hof, denn es war ja kein Sohn da "

Nach dem Abitur hatte sie zunächst daran gedacht, Medizin zu studieren. Aber der Gedanke, ständig mit kranken und todkranken Menschen zu tun zu haben, schreckte sie letztlich von diesem Beruf ab. "Ich hätte das seelisch nicht verkraftet", sagt sie heute. "Schule dagegen - das ist gesundes Leben und Umgang mit jungen Menschen." An der Universität Münster wählte sie das Studium für das Lehramt an höheren Schulen mit den Fächern Latein, Deutsch und Französisch. "Das Studiengeld kam von meinem Onkel. Meine Eltern hätten das wohl kaum aufbringen können."

Bevor sie in Münster im Dezember 1934 das erste Staatsexamen ablegte, hatte sie ein Semester in Wien und zwei Semester in Berlin studiert. Diese Zeit möchte sie nicht missen, ebensowenig wie die Jahre in Bochum, wo sie in der Arbeiterpfarrei ihres Onkels das pulsierende Leben und die Schattenseiten des Reviers kennenlernte.

Nun aber begann, wie sie sagt, "ein ständiges Auf und Ab". Da es zuviele Anwärter für das Lehramt an höheren Schulen gab, erhielt sie keinen Platz im staatlichen Studienseminar. Josepha Arens mußte ihre weitere berufliche Ausbildung selbst in die Hand nehmen.

Immerhin konnte sie an ihrer früheren Schule in Bochum den Vorbereitungsdienst für das Lehramt absolvieren. Doch sie erhielt keinen Pfennig Gehalt. Nicht einmal eine Unterkunft hatte sie anfangs, da ihr Onkel inzwischen in eine andere Stadt versetzt war. "Ich habe in einem einfachen Schlafsaal des Bochumer Mädchenschutzvereins übernachtet." Durch Privatstunden, die sie nachmittags den Söhnen und Töchtern verschiedener Bochumer Familien erteilte, verdiente sich Josepha Arens ihren Lebensunterhalt; eine dieser Familien bot ihr ein kleines Dachkämmerchen als Unterkunft.

Nach dem zweiten Staatsexamen im Februar 1937 war sie ausgebildete Gymnasiallehrerin, aber ohne jede Aussicht auf Beschäftigung. Die NS-Kultusbehörden hatten das Unterrichtsfach Latein an den Mädchenschulen ersatzlos gestrichen, und Französisch, die Sprache des "Erbfeindes", wurde durch Englisch als erster Fremdsprache abgelöst.

Notgedrungen erwarb Josepha Arens 1938 die nachträgliche Lehrbefähigung für "Nadelarbeit", wie es damals hieß. Danach begann für die Lehrerin eine dreijährige "Hängepartie". Sie unterrichtete ohne Entgelt in Bochum, wurde dann für einige Monate in Hamm beschäftigt, unterrichtete dann wieder an der Bochumer Schule in einer halben Stelle "Nadelarbeit", parallel dazu wurde sie stundenweise an einer Mädchenoberschule in Gelsenkirchen tätig. Einige Monate mußte sie schließlich in Gütersloh sogar Sport und Biologie unterrichten - Fächer, die ihr völlig fremd waren.

Nach einer weiteren Zwischenstation in Emsdetten erhielt sie schließlich im Januar 1943 eine Stelle an der Emsland-Schule in Rheine. Ihre berufliche Odyssee war beendet. An dieser Schule blieb sie dreißig Jahre lang, bis zu ihrer Pensionierung im Juli 1973.

An eine Heirat, an eine Familiengründung hat sie nie gedacht. "Ich war nicht begabt dafür", sagt sie schmunzelnd. Und: "Familie und Schule - das ließ sich damals schwer vereinbaren. Ich bin auch ganz aufgegangen in meinem Beruf."

Sie übernahm Aufgaben in der Verwaltung der Schule und wurde in den 50er Jahren Vertreterin des Schuldirektors; im März 1964 schließlich wählte der Schulausschuß der Stadt Rheine sie zur Leiterin der Emsland-Schule. "Es war anstrengend, natürlich, aber es war auch eine schöne Zeit", sagt sie rückblickend. Die Schule hatte etwa 700 Schülerinnen und ein entsprechend großes Lehrerkollegium. "Das alles zusammenzuhalten, war nicht immer ganz einfach."

Eine der letzten großen Reformen, die sie noch als Direktorin mitprägte, war der Wandel des reinen Mädchengymnasiums zum gemischten, koedukativen Gymnasium. "Als ich ging", sagt sie, "hatten gerade die ersten 51 Jungen die Sexta durchlaufen."

Im Juli 1973 schied Josepha Arens aus dem Schuldienst. Seitdem lebt sie zurückgezogen in ihrer Wohnung in Rheine. "Von mir aus", so sagt sie, "ist seitdem die Tür zur Schule zu, aber nicht zugeschlagen. Ich habe meiner Nachfolgerin nicht mehr hineindirigiert, wie das so manche noch tun."

Oftmals, etwa wenn sie über den Wochenmarkt schlendert, trifft sie auch ehemalige Schülerinnen. Und eine aus ihrer großen Schülerinnenschar kann sie in den Fernseh-Nachrichten sehen. Denn zu ihren Schülerinnen zählt Josepha Arens auch Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die damals von Burgsteinfurt aus die Schule in Rheine besuchte. "Ich weiß noch, wo sie saß in der Klasse", erinnert sich die alte Lateinlehrerin, und: "Sie war eine zielstrebige, zuverlässige Schülerin."

In Rheine ist Josepha Arens schon lange heimisch. Aber seit sie pensioniert ist, kehren ihre Gedanken oft nach Bausenrode zurück. Wenn sie kann, stöbert sie in Archiven nach der Geschichte ihres Dorfes und ihrer Familie. Gerade ist sie dabei, das Leben eines ihrer bäuerlichen Vorfahren zu recherchieren, der es zum Vizepräsidenten des US-Bundesstaates Minnesota gebracht hat. "Aber das", so sagt sie, "ist ein größeres Unterfangen. Es braucht noch viel Zeit."

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 158f.
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2004-09-09


QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 158f.

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.9   1900-1949
3.10   1950-1999
Ort1.9   Olpe, Kreis
3.7.19   Rheine, Stadt
Sachgebiet6.8.8   Frauen
12.6   Lehrerin/Lehrer, Erzieherin/Erzieher
DATUM AUFNAHME2003-10-17
AUFRUFE GESAMT1726
AUFRUFE IM MONAT177