Ereignisse > Ereignis des Monats Januar


Kunstdruck aus dem Buch 'Die Elektrizität und ihre Technik' von W. Beck (5. Aufl., 1902)









Peter Döring

1. Januar 1925 -
Gründung der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW)

1. Die Gründung

Zum 01.01.1925 trat die in Bochum ansässige Elektricitätswerk Westfalen AG dem Unternehmen "Dortmunder und Verbands-Elektrizitätswerk GmbH" bei, das als Ausdruck eines neuen Abschnitts der Unternehmensentwicklung seinen Firmennamen in Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen GmbH (VEW) änderte. Die VEW bildete die neue Dachgesellschaft, die nun von ihren Gesellschaftern - dem Städtischen Elektrizitätswerk Dortmund, dem Westfälischen Verbands-Elektrizitätswerk, Dortmund und dem Elektricitätswerk Westfalen - die gesamten Werksanlagen anpachtete und betrieb. Bis zu der beabsichtigten Verschmelzung sollte die Zusammenarbeit eine weitere Annäherung der Unternehmen herbeiführen. Von dem zunächst auf 200.000 RM festgesetzten Gesellschaftskapital übernahmen das Dortmunder und das Bochumer Werk jeweils die Hälfte. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates erfolgte paritätisch, ebenso die Besetzung der Geschäftsführung, die zunächst in den Händen von Carl Döpke, dem "Altmeister der deutschen Elektrizitätswerk-Direktoren" lag und zum 01.04.1925 an Max Krone vom Elektricitätswerk Westfalen überging. Den Vorsitz im Aufsichtsrat übernahm der Dortmunder Oberbürgermeister Eichhoff. Die Stadt Dortmund, die das größte und ertragreichste Versorgungsgebiet in die neue Gesellschaft einbrachte, erhielt den Sitz der Generaldirektion, an den Standorten Bochum, Münster und Dortmund richtete die VEW Betriebsdirektionen ein.
 
 
Im Februar 1925 zogen sich die Gelsenkirchener Bergwerks-AG und das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk als verbliebene private Aktionäre aus dem Westfälischen Verbands-Elektrizitätswerk (WVE) zurück. Deren Anteil übernahm der Westfälische Provinzialverband, so dass das WVE ebenso wie die beiden anderen Pachtbetriebe der VEW nun ein rein kommunales Unternehmen darstellte. Damit entfiel zugleich der Grund für die aus steuerlichen Gesichtspunkten gewählte Konstruktion der Verpachtung der Werksanlagen an die Dachgesellschaft VEW GmbH. Die drei Elektrizitätswerke übertrugen rückwirkend zum 01.01.1925 ihre Vermögenswerte auf die VEW. Im Gegenzug erhielten sie eine direkte Beteiligung an der VEW, die sie bis 1928 an ihre kommunalen Eigentümer weiterreichten. Das Elektricitätswerk Westfalen und das Westfälische Verbands-Elektrizitätswerk wurden in den 1930er Jahren aufgelöst.

Die VEW versorgten 1925 in 31 Stadt- und Landkreisen 2.650.000 Einwohner mit Strom und Gas. Die nutzbare Stromabgabe betrug in diesem Jahr 270 Mio. kWh. Damit war die VEW nicht nur zum größten westfälischen Energieversorger, sondern auch zum sechstgrößten Stromversorgungsunternehmen des Deutschen Reiches aufgestiegen. Die 1925 geschaffenen institutionellen Strukturen sollten sich als stabil erweisen und für viele Jahrzehnte die Elektrizitätslandschaft in Westfalen nachhaltig prägen.
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Logo der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW), 1925
 
 
 

2. Die Vorläuferunternehmen

2.1 Das Städtische Elektrizitätswerk Dortmund

 
 
 
Schon in den 1880er Jahren gab es im Magistrat der Stadt Dortmund als auch seitens privater Unternehmen mehrfach Initiativen, in der Stadt eine öffentliche Stromversorgung einzurichten. Sie scheiterten allesamt an den Interessen der privaten "Dortmunder Actien-Gesellschaft für Gasbeleuchtung". Die Gasgesellschaft hatte 1857 auf die Dauer von 50 Jahren das alleinige Recht erhalten, die Straßen und Plätze der Stadt mit Gas zu beleuchten. Der Bau des Dortmund-Ems-Kanals und des vor dem Stadtzentrum errichteten und gewerblich und industriell stark genutzten Hafengebietes als südlicher Endpunkt des Kanals gaben dem Bau eines Elektrizitätswerks dann die entscheidenden Impulse. Die negativen Erfahrungen mit dem Monopolgebaren der Gasgesellschaft führten dazu, dass die Kommunalpolitiker das Elektrizitätswerk als Eigenbetrieb in städtischer Hand behielten. Nahe dem Stadtzentrum gelegen errichtete die Kommune 1897 ein großzügig ausgelegtes Kraftwerk, das am 11.12.1897 zum ersten Mal Strom in das Leitungsnetz einspeiste. Mit der Gasgesellschaft, die ihre Interessen juristisch verfolgte, konnte erst 1898 ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen und damit die Versorgung Dortmunds mit elektrischem Strom auf eine rechtlich gesicherte Basis gestellt werden.

Im Stadtkern erfolgte die Stromversorgung durch ein Gleichstromnetz, die Versorgung außerhalb des engeren Innenstadtbezirkes erfolgte auf der Basis von Drehstrom. Die Einbeziehung von Drehstromkapazitäten sollte sich für die weitere Ausdehnung der Elektrizitätsversorgung in Orte des Landkreises Dortmund und damit für das Wachstum des Städtischen Elektrizitätswerkes als ein glücklicher Griff erweisen. Die Elektrizitätsnachfrage zeigte in den Anfangsjahren ein rasantes Wachstum: Vom Betriebsjahr 1898/1899 bis zum Betriebsjahr 1904/1905 verneunfachte sich die Stromabgabe von 563.000 kWh auf über 5 Mio. kWh. Schon im Herbst 1906 musste das Werk wesentlich erweitert werden: Mit der Belieferung der Landkreise Dortmund und Unna entwickelte sich das Städtische Elektrizitätswerk zu einem Überlandwerk. Zum 01.04.1923 wurde das Städtische Elektrizitätswerk an die Dachgesellschaft Dortmunder und Verbands-Elektrizitätswerk GmbH verpachtet.
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Kraftwerk des Städtischen Elektrizitätswerks Dortmund, um 1900
 
 

2.2 Das Elektricitätswerk Westfalen AG

 
 
 
1905 errichtete das RWE, das die Kapitalkraft seiner montanindustriellen Miteigentümer Stinnes und Thyssen im Rücken hatte, im südlich von Dortmund gelegenen Ort Kruckel ein groß dimensioniertes Kraftwerk, das als "Centrale II" auch das östliche Ruhrgebiet mit Strom durch das RWE versorgen sollte. Hierüber kam es zu einem intensiv ausgetragenen Konflikt mit den westfälischen Kommunen im Ruhrgebiet. Sie standen der Geschäftspolitik von Stinnes ablehnend gegenüber und fürchteten ein von ihm angestrebtes Elektrizitätsmonopol. Um eine weitere Ausdehnung des RWE abzublocken, gründeten auf Initiative des Bochumer Landrates Karl Gerstein (1864-1924) im Juli 1906 die Landkreise Bochum, Recklinghausen, Gelsenkirchen und Hattingen, die Stadtkreise Bochum, Herne, Witten und die Bergwerksgesellschaft Hibernia sowie die Bank "Berliner Handels-Gesellschaft" die Elektricitätswerk Westfalen AG (EWW). 1909 schieden die beiden privaten Aktionäre aus dem Unternehmen aus, so dass das EWW eine rein kommunale AG wurde. Das Versorgungsgebiet erstreckte sich zunächst vor allem auf den Raum der beteiligten Land- und Stadtkreise, dehnte sich aber 1911 bis 1913 in den Norden und Osten der Provinz Westfalen aus, als das EWW mit den Landkreisen Lüdinghausen, Beckum, Warendorf, Borken, Coesfeld, Ahaus, Münster, Steinfurt, Lippstadt und Wiedenbrück langfristige Stromlieferungsverträge abschloss. Auf der Basis der jeweiligen Kreisverträge schloss das Unternehmen dann in weiteren Verhandlungen mit den kreisangehörigen Kommunen Strom-Konzessionsverträge ab.

Das EWW bezog anfänglich den Strom, den es an die angeschlossenen Gemeinden lieferte, von den Zechen der Bergwerksgesellschaft Hibernia sowie von weiteren, im Versorgungsgebiet liegenden Zechen. Die rapide steigende Stromnachfrage erforderte dann aber den Bau eines eigenen Kraftwerks. 1911 errichtete das EWW mit der Stadt Barmen das Gemeinschaftswerk Hattingen, 1914 baute es in Werne/Lippe das nach dem Initiator des Unternehmens benannte Gersteinwerk. Aufgrund kriegsbedingter Lieferengpässe ging es erst 1917 in Betrieb. Die Kraftwerksbauten sowie der Ausbau der Netze im relativ dünn besiedelten Münsterland hatten das Unternehmen viel Kraft gekostet. Zum 01.01.1925 verpachtete es seine Anlagen an die Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen.
Kurzbiografie  Karl Gersteins

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Elektricitätswerkes Westfalen, um 1911


 
Versorgungsgebiet des Elektricitätswerk Westfalen Aktiengesellschaft Bochum, 1912
 
 

2.3 Die Westfälische Verbands-Elektrizitätswerk AG

 
 
 
Das Werk mit Sitz in Kruckel im Landkreis Dortmund wurde im März 1908 durch die Stadt Dortmund, die Stadt und den Kreis Hörde, das EWW, die Harpener Bergbau AG, das RWE und die Gelsenkirchener Bergwerks AG gegründet. In die neue Gesellschaft wurde das vom RWE auf der Zeche Wiendahlsbank, die über das "Dortmunder Steinkohlenbergwerk Louise Tiefbau" im Eigentum von Hugo Stinnes stand, errichtete Kraftwerk eingebracht. Es war großzügig dimensioniert und technisch auf dem neuesten Stand. Da die westfälischen Gemeinden ein Elektrizitätsmonopol von Stinnes fürchteten, drohten sie dem RWE die Verweigerung der notwendigen Benutzung öffentlicher Wege für den Aufbau des Stromnetzes an. In langwierigen und harten Verhandlungen kam es dann 1908 zu einem Abschluss von Demarkationsverträgen zwischen dem RWE und westfälischen kommunalen Versorgungsunternehmen, die Interessensphären abgrenzten und langfristig die Energieversorgung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet unternehmensbezogen strukturierten. Das WVE baute sein Leitungsnetz in den Landkreisen Hörde, Hagen, Iserlohn und Unna und Soest aus. 1911 schloss es auch mit dem Kreis Arnsberg einen langfristigen Stromlieferungsvertrag.

Zum 01.04.1923 wurde das WVE an das Dortmunder und Verbands-Elektrizität verpachtet. Nach dem Ausscheiden der letzten privaten Eigentümer im Laufe des Jahres 1925 übertrug es seine Anlagen gegen Hergabe von Geschäftsanteilen auf die inzwischen gegründete VEW.
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Logo des Westfälischen Verbands-Elektrizitätswerkes (W. V. E.), 1920
 
 
 

3. Die VEW GmbH 1925-1930

 
 
 
Noch im Laufe des Jahres 1925 führte die Gemeinschaftsarbeit der drei Stammwerke zur Verschmelzung mit der VEW. Innerhalb weniger Jahre vergrößerte die VEW ihr Stromversorgungsgebiet maßgeblich: 1925 schloss der hannoversche Kreis Lingen mit der VEW einen langfristigen Stromlieferungsvertrag, 1928 übertrugen die sauerländischen Kreise Meschede, Arnsberg, Büren, Brilon und Wittgenstein ihre Versorgungsanlagen an die VEW gegen eine Beteiligung am Unternehmen. Mit diesen Kreisen schloss die VEW zugleich langfristige Stromlieferungsverträge. Zudem richtete sie in Arnsberg 1928 eine vierte Bezirksdirektion ein.

Die stark steigende Stromnachfrage veranlasste die VEW zu einem großzügigen Ausbau der Leitungsnetze. Sie errichtete für eine sichere Versorgung ein modernes 110-Kilovolt-Ringnetz. Zugleich wurden die Kraftwerke grundlegend modernisiert und erweitert.

Aufgrund der negativen Erfahrungen mit dem Kohlenmangel in der unmittelbaren Nachkriegszeit erwarb die VEW 1925-1927 zur gesicherten Brennstoff-Versorgung ihrer Kraftwerke mit den Zechen Alte Hasse, Sprockhövel, Gottessegen, Dortmund und Caroline, Holzwickede drei so genannte "Südrandzechen", die allesamt äußerst problembeladen waren und eigentlich vor der Schließung standen. Die Zechen sollten über lange Zeit die Ergebnisrechnung des Unternehmens schwer belasten.

1925 brachten das Westfälische Verbands-Elektrizitätswerk und das Elektricitätswerk Westfalen ein bis dahin unbedeutendes Gasversorgungsgeschäft in die VEW ein. Im Zuge der Gründung der Ruhrgas AG durch den Ruhrbergbau und dem Aufbau eines großzügigen Ferngasnetzes entwickelte auch die VEW ihre Gasaktivitäten weiter. Bis 1929 schloss das Unternehmen mit drei Landkreisen sowie mit 76 Städten und Gemeinden Gas-Konzessions- bzw. mit sechs Städten Gas-Lieferungsverträge. Eine zunächst angestrebte einheitliche Gasversorgung in Westfalen kann allerdings nicht zustande. In Ost- und Südostwestfalen übernahm die 1928 gegründete kommunale Westfälische Ferngas-AG die Versorgung. Dennoch hatte die VEW die Grundlage für ein Geschäftsfeld gelegt, das sich 40 Jahre später mit dem Übergang vom Kokereigas zur Erdgasversorgung auszuzahlen begann.
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Mitarbeiter der Vereinigten Gaswerke Westfalen, um 1928


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Gersteinwerk, 1928
 
 
 

4. Die Umwandlung in eine
Aktiengesellschaft

 
 
 
Der massive Ausbau der Versorgungsanlagen war überwiegend mit kurzfristigen Krediten finanziert worden. Die Weltwirtschaftskrise führte zu einem drastischen Rückgang der industriellen Produktion und damit auch zu einem Einbruch der Stromnachfrage. Die VEW geriet nun in eine existenzielle Krise. Da die westfälischen Kommunen wie schon in der Vergangenheit kein Geld in das Unternehmen einbrachten, blieb nur dessen Umwandlung in eine Aktiengesellschaft im Sommer 1930. Anschließend begab die VEW eine Dollar-Optionsanleihe, die den amerikanischen Gläubigern das Recht einräumte, zur Darlehnsfälligkeit am 1. Januar 1934 anstelle einer Rückzahlung des Darlehns rund 50% des Gesellschaftskapitals der VEW zu übernehmen. Das Darlehn verschaffte der VEW nur kurzfristig Luft. Ende 1930 trat der VEW-Vorstand an das RWE heran und bot die Übernahme des Unternehmens an. Nach kurzen Verhandlungen herrschten über die Modalitäten Übereinstimmung, auch die Organe beider Unternehmen hatten ihre Zustimmung erteilt. Dass die Fusion dennoch scheiterte, lag dann an den zu hohen Forderungen der amerikanischen Darlehnsgläubiger. Ein hartes Sanierungsprogramm mit einer Massenentlassung von Mitarbeitern, Lohnkürzungen und Stilllegung von Kraftwerken ließ die VEW dann durch die Wirtschaftskrise schlingern. Erst im Laufe des Jahres 1933 stellte sich eine wirtschaftliche Stabilisierung des Unternehmens ein.
 
 
 
 

5. Die VEW in der NS-Zeit

 
 
 
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Ende Januar 1933 verloren im Zuge der Gleichschaltung der Kommunen die meisten Aufsichtsratsmitglieder ihre Ämter. Zugleich wurde mit Dr. Harry Vosberg ein ausgewiesener Nationalsozialist zum Staatskommissar für die VEW eingesetzt, ferner ein NS-dominierter Vorstand gebildet sowie das Unternehmen nach dem Führerprinzip organisiert. Ende 1933 gelang es der VEW, mit Hilfe des Reichswirtschafts- und des Reichsfinanzministeriums das Notes-Darlehn in ein einfaches Reichsmarkdarlehn ohne Optionsrecht umzuwandeln. Dadurch blieb der rein kommunale Charakter des Unternehmens erhalten.

Mit Zunahme der wirtschaftlichen Tätigkeit gesundete das Unternehmen dann bis zum Jahr 1937/38. 1934 hatte die Stromabgabe erstmals den bisherigen Höchststand von Ende der 1920er Jahre überschritten. Vor allem die Stromabgabe für Rüstungsbetriebe sowie für Rohstoffersatzwerke des Vierjahresplans ließen die Stromabgabe ab 1938 dramatisch ansteigen.

Der Zweite Weltkrieg hatte verheerende Auswirkungen auf das Unternehmen. Gleich bei Kriegsausbruch 1939 wurden über 500 Mitarbeiter zum Heeresdienst einberufen, bis Ende 1944 stieg die Zahl der Einberufenen auf rund 1200 Mitarbeiter, was einer Quote von rund 20% entsprach. Die überwiegende Zahl der Einberufenen kam aus den drei VEW-Zechen. Die fehlenden Arbeitskräfte wurden auf den VEW-Zechen teilweise durch Zwangsarbeiter ersetzt. 1943/44 stieg der Anteil der Zwangsarbeiter auf den Zechen der VEW auf rund 630 an. In anderen Unternehmensbereichen waren Zwangsarbeiter aus Sicherheitserwägungen kaum eingesetzt.

Bis 1942 blieben die Versorgungsanlagen von unmittelbaren Kriegseinwirkungen weitgehend verschont. 1943 und 1944 wurde das Kraftwerk Dortmund bei Bombenangriffen der Alliierten mehrmals stark getroffen, in den letzten Kriegswochen 1945 erlitt auch das Kraftwerk Hattingen sowie das Kraftwerk Kruckel Schäden durch Kriegseinwirkungen. Bei Bombenangriffen wurden zudem die Verwaltungsgebäude der Bezirksdirektion Münster im Juli 1941, der Hauptverwaltung und der Bezirksdirektion Dortmund im Mai 1943 total und das der Zweigstelle Bochum 1944 teilweise zerstört.
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Antreten der Mitarbeiter vor der VEW-Hauptverwaltung in Dortmund am 01.05.1935
 
 
 

6. Die VEW im Wiederaufbau

 
 
 
Mit dem Kriegsende setzte die Entnazifizierung des Unternehmens ein, ein angesichts des hohen Organisationsgrades der Mitarbeiter in NS-Organisationen schwieriger und auch widersprüchlich verlaufender Prozess. "Auf Wunsch" der Belegschaft wurde Ende April 1945 der nicht NS-belastete Diplom-Ingenieur Dr. Friedrich Stiegler von dem kommissarischen Aufsichtsratsvorsitzenden, dem Arnsberger Regierungspräsidenten Fritz Fries, als Leiter des Unternehmens eingesetzt. Erst nach dem Wiederaufleben demokratisch legitimierter kommunaler Verwaltungsorgane erhielt auch die VEW eine von den kommunalen Eigentümern legitimierte Unternehmensleitung und von ihnen beschickte Kontrollorgane.

Die Kriegsschäden an den Versorgungseinrichtungen waren bis zur Währungsreform im Sommer 1948 weitgehend behoben. Die Währungsreform sorgte auch für eine Bereinigung der Bilanz. Das Unternehmen befand sich auch 1950 noch vollständig in öffentlicher Hand. 12 Stadtkreise, 20 Landkreise, 102 kreisangehörige Gemeinden sowie der Provinzialverband Westfalen waren an ihm beteiligt. Das größte Aktienpaket mit über 32 % besaß die Stadt Dortmund.

Das "Wirtschaftswunder" der 1950er Jahre verlangte eine höhere Kraftwerksleistung und den Ausbau der Netzkapazitäten. Im Gersteinwerk begann 1958 der Bau von zwei Kraftwerksblöcken mit je 107 Megawatt Leistung, es avancierte so zeitweise zum größten Steinkohlenkraftwerk der Bundesrepublik. Zwei Einheiten der gleichen Größe wurden 1959 im Gemeinschaftswerk Hattingen fertig gestellt. Zudem ging 1963 das Kraftwerk Westfalen, errichtet auf der "Grünen Wiese" südöstlich von Hamm, mit zwei Kraftwerksblöcken von je 160 Megawatt Leistung in Betrieb. Das bisherige 110-Kilovolt-Netz wurde allmählich von einem 220-kV-Netz überlagert.

Das Gasgeschäft der VEW stand in den 1950er Jahren im Schatten der Stromversorgung. Zwar versorgte die VEW 80 Gemeinden, belieferte 15 Weiterverteiler sowie eine Gasgesellschaft. Doch als das billige Heizöl die Kohle bei der Raumheizung zunehmend aus dem Markt drängte, verdunkelte sich bei der auf Kokereigas beruhenden Gasversorgung die Perspektive. Die Entdeckung riesiger Erdgasfelder in Holland und in der Nordsee brachte den Umschwung. 1965 setzte die Umstellung der Versorgungsanlagen auf Erdgas ein, knapp zehn Jahre später war sie abgeschlossen. Sie öffnete der VEW bei der Raumheizung einen riesigen Wachstumsmarkt.

Schon 1957 hatte sich die VEW an der "Studiengesellschaft für Atomkraftwerke" beteiligt. Da die deutsche Steinkohle sich immer mehr verteuerte, die Politik und die Wirtschaft aber niedrige Strompreise anmahnten, entschloss die VEW sich, bei Lingen im Emsland gemeinsam mit der AEG ein Kernkraftwerk zu errichten. 1968 ging die Anlage mit einer Leistung von 250 Megawatt in Betrieb. Sie musste Anfang 1977 wegen eines Schadens an den Wärmetauschern vom Netz genommen werden.
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Werbeanzeige der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen AG Dortmund (VEW), um 1955
 
 
 

7. Der Gang an die Börse

 
 
 
Der wachsende Energiebedarf und der dadurch erforderliche Ausbau der Versorgungsanlagen riefen einen Kapitalbedarf der VEW hervor, der die Möglichkeiten der finanzschwachen kommunalen Eigentümer des Versorgungsunternehmens bei weitem überstieg. Im Mai 1966 erfolgte der Börsengang der VEW, aus dem kommunalen wurde ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen. Allerdings hielten die Kommunen nach wie vor die Mehrheit an dem Unternehmen und damit das Heft in der Hand.
 
 
 
 

8. Kernenergie und Kohle

 
 
 
Im Jahre 1970 beteiligte sich die VEW an einer Betreibergesellschaft, die in Hamm den Prototyp eines Thorium-Hochtemperaturreaktors (THTR) errichten wollte. Die Perspektiven der THTR-Baureihe erschienen den Technikern geradezu verlockend: Hohe Temperaturen bis 1000 Grad Celsius sollten nicht nur Strom, sondern auch Prozessdampf und später Prozessgase als Ausgangsprodukt für die chemische Industrie erzeugen. Die mit preisgünstiger Kernenergie erzeugte hohe Temperatur sollte der Kohlevergasung und damit der heimischen Steinkohle neue Absatzchancen eröffnen. Die zeitaufwendige Genehmigungspraxis, organisierte Bürgerproteste, die zu einer fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz der Kernenergie führten, wachsende Skepsis in Teilen der Politik und schließlich auch technische Mängel des THTR führten nach einer nur kurzen Betriebszeit nach mehreren Stillsetzungen 1989 zum endgültigen Aus dieses Projektes.

Um den weiter steigenden Strombedarf zu befriedigen, hatte die VEW im niedersächsischen Lingen ein 1300-Megawatt-Kernkraftwerk errichtet, das 1987 in Betrieb ging. Parallel hierzu errichtete die VEW in Bergkamen mit der STEAG ein auf Steinkohle basierendes 750-Megawatt-Gemeinschaftskraftwerk sowie am Standort Werne mit der Harpener AG das 750-Kilowatt-Steinkohlenkraftwerk Werne, die 1981 bzw. 1983 in Betrieb gingen. Wenige Jahre zuvor, 1977, hatte die Elektrizitätswirtschaft unter maßgeblicher Beteiligung der VEW mit dem Steinkohlenbergbau den so genannten "Jahrhundertvertrag" geschlossen. Er bot dem Bergbau für zehn Jahre sichere Absatzchancen durch die Kohleverstromung. Der Vertrag wurde dann in modifizierter Weise um 10 Jahre verlängert.

Ein gewachsenes Umweltbewusstsein veranlassten die VEW zwischen 1985 und 1991 zu einer umfassenden Umrüstung ihrer konventionellen Kraftwerke. Mit Investitionen in Höhe von rund 2 Milliarden DM konnte eine Reduzierung der Emissionen um mehr als 75% erreicht werden. Im Bereich des Stromtransportes baute das Unternehmen in den 1980er Jahren die 380-Kilovolt-Ebene systematisch aus.

Große Investitionen tätigte die VEW in den Ausbau der Erdgasversorgung. Gut zehn Jahre dauerte der 1985 abgeschlossene Bau einer 400 km langen Ringleitung, die vom Münsterland ausgehend über das östliche Ruhrgebiet ging und auch das Sauerland einbezog.

Die Eröffnung zahlreicher Kundenberatungszentren in den 1980er Jahren zeigte, dass kundenorientiertes Handeln und Denken stärker in den Vordergrund rückte und die alte Versorgermentalität mit hoheitlicher Attitüde der Vergangenheit angehörte.
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THTR 300 am Standort des Kraftwerks Westfalen in Hamm-Uentrop, 1989
 
 
 

9. Diversifikation und Expansion

 
 
 
Die 5. Kartellrechtsnovelle von 1989 stellte das gegen Wettbewerb abgeschottete System geschlossener Versorgungsgebiete in Frage. Auch die Vorarbeiten an der Binnenmarktrichtlinie der Europäischen Union, die 1998 zur Liberalisierung der Energiemärkte führen sollte, veranlassten die VEW, ihren Standort im zukünftigen Wettbewerbsmarkt neu auszutarieren. Ein Mittel wurde in der Diversifikation des Unternehmens gesehen. Mit dem Erwerb der Edelhoff-Gruppe zum 01.01.1994 eröffnete die VEW neben Strom und Gas mit dem Entsorgungsbereich ein drittes Geschäftsfeld. Zwei Jahre zuvor hatte die VEW die in eine existenzbedrohende Schieflage geratene Harpener AG übernommen. Die VEW baute das traditionsreiche ehemalige Bergbauunternehmen zu einem Dienstleistungsunternehmen um, das vor allem in den Geschäftsfeldern Energie-, Immobilien-, Umwelt- und Verkehrsdienstleistungen tätig war. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung erwarb die VEW in Ostdeutschland neben kleinen regionalen Gasversorgern auch die Mehrheit an der Mitteldeutschen Energieversorgung AG (MEAG) in Halle, die den zu DDR-Zeit hoch industrialisierten südlichen Teil des Landes Sachsen-Anhalt mit Strom versorgte.

Mit dem Erwerb von Beteiligungen in der ungarischen Gaswirtschaft wurden zudem 1995 erste Schritte zur Internationalisierung ihrer Geschäftstätigkeit eingeleitet. Schließlich stärkte die VEW ihr Gasgeschäft. 1997 verständigten sich die VEW und die Westfälische Ferngas-AG (WFG) darauf, im liberalisierten Gasmarkt vertieft zusammen zu arbeiten. In mehreren Schritten erfolgte bis zum Jahr 2000 die Integration der WFG in den VEW-Konzern.

1995 hatte sich die VEW eine vollkommen neue Struktur gegeben: Unter dem Dach einer Holding arbeiteten schließlich fünf operative Führungsgesellschaften: die VEW Energie AG, die WFG AG, die MEAG, die Harpen AG und die Edelhoff AG&Co. Mit der Bildung der Holding verabschiedete sich das Unternehmen auch von seinem sieben Jahrzehnte geltenden Firmennamen "Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen", aus dem - von vielen unbemerkt-"VEW AG" geworden war. Aus einem relativ kleinen, regional tätigen Unternehmen, das 1925 rund 2.000 Mitarbeiter beschäftigte, war bis zum Jahr 2000 ein Konzern geworden, der nun weit über die Grenzen seines westfälischen Stammgebietes tätig war und rund 15.000 Mitarbeiter zählte.
 
 
 
 

10. Liberalisierung und Fusion

 
 
 
Die Liberalisierung der Energiemärkte durch das Energiewirtschaftsgesetz von 1998 barg für die VEW große Risiken, eröffnete aber auch Chancen. Das Kerngeschäft des Unternehmens wurde auf den Wettbewerb ausgerichtet. Dazu gehörte vor allem eine Verschlankung der Organisation. Sie ging einher mit einer Reduzierung der Mitarbeiterzahl bei der VEW Energie AG, die von 6.000 (Ende 1996) auf 4.100 (Ende 1999) sank. Die Zielgröße nach Abschluss der Reorganisation lag bei 3.300.

Es zeigte sich schnell, dass Kostensenkungen nicht ausreichten, um in einem sich verschärfenden Wettbewerb, auf den nun auch ausländische Anbieter traten, bestehen zu können. Mit dem Zusammenwachsen der europäischen Energiemärkte gewann die Größe eines Unternehmens mit entsprechend größeren finanziellen Ressourcen zunehmend an Bedeutung. Am 21.10.1999 beauftragten die Aufsichtsräte der VEW AG und der RWE AG ihre Konzernvorstände, eine Zusammenführung beider Unternehmen zu prüfen und darüber Verhandlungen aufzunehmen. Am 27.06.2000 stimmte die Hauptversammlung der VEW AG mit mehr als 99% der Fusion mit dem RWE zu. Das neue Unternehmen, das am 01.10.2000 an den Start ging, behielt den Namen des Fusionspartners der VEW, angesichts der unterschiedlichen Größenverhältnisse und des Bekanntheitsgrades national wie international eine nachvollziehbare und rationale Entscheidung. Die neue RWE AG war im Fusionsjahr beim Stromabsatz die Nr. 1 in Deutschland, beim Gasabsatz stand sie an zweiter Stelle. Dortmund als Sitz der ehemaligen VEW und WFG wurde durch die Fusion gestärkt. Heute haben mit der Zwischenholding RWE Energy AG, der RWE Transportnetz GmbH, der RWE Systems AG und der Regionalgesellschaft RWE Westfalen-Weser-Ems AG vier Gesellschaften des RWE-Konzerns ihren Unternehmenssitz in Dortmund. Die RWE Westfalen-Weser-Ems umfasst heute das frühere Stammgebiet der VEW und WFG, erweitert um den Osnabrücker Raum. Hier stellt sie mit rund 2.800 Mitarbeitern die Energieversorgung für rund 5,5 Millionen Einwohner sicher. Und noch etwas bleibt aus der "VEW-Zeit": Rund 30% des RWE-Kapitals besitzen rheinisch-westfälische Kommunen, die Stadt Dortmund ist mit rund 3% an RWE beteiligt und damit einer der größten Einzelaktionäre.
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Die Vorstandsvorsitzenden von VEW und RWE geben die Fusion der beiden Unternehmen bekannt, 2000
 
Ressourcen
Weitere Ressourcen zum Thema

Internet-Portal

Literatur

25 Jahre VEW 1925-1950. Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG Dortmund. Dortmund 1950.

Kurt Berlo / Hartmut Murschall
Kommunale Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der Energieversorgungswirtschaft. Eine Untersuchung zur Rekommunalisierung und Entkommunalisierung der Energieversorgung am Beispiel der Städte und Gemeinden im Versorgungsgebiet der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen AG. Bremen 1994.

Carl Döpke
Das Städtische Elektrizitätswerk in Dortmund. Dortmund 1900.

Peter Döring
Bewegte Jahre. Die VEW von 1925 bis 1948. In: Mehr als Energie, S. 79-195.

Karl-Peter Ellerbrock / Peter Döring
Auf dem Weg in neue Dimensionen: Die Konzernentwicklung von 1989 bis 2000. In: Mehr als Energie, S. 293-375.

Theo Horstmann / Peter Döring
Zehn Jahrzehnte Kraftwerk Dortmund 1897-1997. Eine Geschichte in Fotodokumenten. Dortmund 1997.

Theo Horstmann
Die "Zweite Industrielle Revolution" in Westfalen. Zur Elektrifizierungsgeschichte einer Region. In: Elektrifizierung in Westfalen. Fotodokumente aus dem Archiv der VEW. Hg. von Theo Horstmann. Essen 2. Aufl. 2000. S. 36-47.

Theo Horstmann
Die Vorläufergesellschaften der VEW. In: VEW AG (Hrsg.): Mehr als Energie. Die Unternehmensgeschichte der VEW 1925-2000. Essen 2000. S. 11-77.

Walther Lipken
Die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen GmbH Dortmund-Bochum-Münster und ihre Entwicklungsgeschichte. Dortmund 1926.

Walther Lipken
Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen Aktiengesellschaft. Dortmund - Bochum-Münster-Arnsberg. Köln 1930.

Edmund Neville Todd III
Technology and Interest Group Politics: Electrification of the Ruhr 1886-1930. (Phil. Diss.) Pennsylvania 1984.

Meinhard Schwarz
Zwischen Wiederaufbau und Wiedervereinigung: Die VEW 1948 bis 1989. In: Mehr als Energie, S. 197-291.
 
 

 
Der Autor | Peter Döring, Historiker, Archivar am Historischen Konzenrnarchiv RWE, Essen, peter.doering@rwe.com