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Sabine Mecking

Der Bürgermeister / Oberbürgermeister -
19./20. Jh.

 
 
 
Mit der Ernennung zum Bürgermeister hatte und hat der Amtsinhaber als Stadtoberhaupt die Spitze der lokalen Hierarchie erreicht. Die im 19. und 20. Jahrhundert vorhandene unveränderte Amtsbezeichnung suggeriert dabei allerdings eine mit dieser Position verbundene Aufgaben- und Statuskontinuität, die in der Realität nicht gegeben war. Trotz gleichbleibender Amtsbezeichnung veränderte sich die rechtliche Stellung und das Tätigkeitsfeld der Bürgermeister mehrmals.

In kreisfreien Städten führte und führt der Bürgermeister die Bezeichnung Oberbürgermeister. Sah auch die Stein'sche Städteordnung von 1808 diesen Amtstitel allgemein für die Leiter der größeren Städte (d.h. mit mehr als 10.000 Einwohnern) vor, so handelte es sich im späteren 19. und frühen 20. Jahrhundert in Preußen um einen verliehenen Titel. Die Bestellung der Oberbürgermeister erfolgte in der Regel durch ein Zusammenwirken von Gemeindevertretung und Staatsbehörden. Das Stadtparlament wählte den Bürgermeister und anschließend bestätigte der preußische König bzw. später das Staatsministerium die Wahl oder lehnte sie ab (vgl. Städteordnung vom 19.03.1856 in Verbindung mit dem Gesetz über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 01.08.1883). Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts betrug die Wahlzeit zwölf Jahre. Die Amtsinhaber nahmen ihre Aufgabe hauptamtlich wahr und wurden für ihre Tätigkeit besoldet. Sie waren als Stadtoberhäupter zugleich als politische Repräsentanten ihrer Stadt und als Behördenchefs der Stadtverwaltung tätig.

Im Zuge der "nationalsozialistischen Machtergreifung" 1933 und der Übertragung des Führerprinzips auf die kommunale Ebene entsprechend der Deutschen Gemeindeordnung vom 30.01.1935 war die Tätigkeit des Bürgermeisters jeglicher parlamentarischer Kontrolle entzogen. Der Amtsinhaber vereinigte sämtliche Entscheidungs- und Verantwortungskompetenzen auf sich.

Die nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft in der britischen Besatzungszone eingeführte revidierte Deutsche Gemeindeordnung vom 01.04.1946 brachte die Trennung zwischen Politik und Verwaltung. Nach englischem Vorbild oblag die Leitung der städtischen Verwaltung dem hauptamtlichen Stadtdirektor. Den Vorsitz im Rat nahm der ehrenamtlich tätige Bürgermeister wahr. Der Bürgermeister erhielt für seine Tätigkeit lediglich eine Aufwandsentschädigung. Die Amtszeit betrug fünf Jahre.

Mit der Reform der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung im Oktober 1994 Jahre wurde diese "kommunale Doppelspitze" abgeschafft, indem die Aufgaben des Bürgermeisters und Stadtdirektors wieder in einem Amt zusammengeführt wurden. Die politische Repräsentation der Stadt und die Verwaltungsleitung lagen nun wieder in einer Hand. Die Amtsbezeichnung des Inhabers dieser neugeschaffenen bzw. wiedereingerichteten Position lautete (Ober-)Bürgermeister. Jetzt war der Bürgermeister als kommunaler Wahlbeamter wieder hauptamtlich tätig. Seit der Wiedereinführung der Einheitsspitze wählt die Bürgerschaft den Bürgermeister direkt.


Relevante Gesetze


19.03.1856 
 Städte-Ordnung für die Provinz Westphalen 
01.08.1883 
 Gesetz über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden 
01.04.1946 
 Verordnung Nr. 21 der Militärregierung im Britischen Kontrollgebiet: Abänderung der Deutschen Gemeindeordnung ["Revidierte Deutsche Gemeindeordnung", [mit] Anlage: Deutsche Gemeindeordnung] 
21.10.1952 
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen 



Literatur


Grauhan, Rolf-Richard
Politische Verwaltung. Auswahl und Stellung der Oberbürgermeister als Verwaltungschefs deutscher Großstädte. Freiburg i. Br. 1970.

Hofmann, Wolfgang
Oberbürgermeister als politische Elite im Wilhelminischen Reich und in der Weimarer Republik, in: Klaus Schwabe (Hg.): Oberbürgermeister, Boppard 1981, S. 17-38.

Hofmann, Wolfgang
Zwischen Rathaus und Reichskanzlei. Die Oberbürgermeister in der Kommunal- und Staatspolitik des Deutschen Reiches von 1890 bis 1933. Stuttgart [u.a.] 1974.

Kost, Andreas
Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen, in: Andreas Kost/Hans-Georg Wehling (Hg.): Kommunalpolitik in den deutschen Ländern, Eine Einführung, Wiesbaden 2003, S. 197-219.

Krabbe, Wolfgang R.
Der Bürgermeister in der preußischen Magistratsverfassung, in: Die alte Stadt 11 (1984), S. 41-47.

Krabbe, Wolfgang R.
Die deutsche Stadt im 19. und 20. Jahrhundert. Göttingen 1989.

Matzerath, Horst
Oberbürgermeister im Dritten Reich, in: Gerhard Hirschfeld/Lothar Kettenacker (Hg.), Der "Führerstaat": Mythos und Realität. Studien zur Struktur und Politik des Dritten Reiches, Stuttgart 1981, S. 228-254.

Mecking, Sabine
"Immer treu". Kommunalbeamte zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik. Essen 2003.

Noakes, Jeremy
Oberbürgermeister and Gauleiter. City Government between Party and State, in: Gerhard Hirschfeld/Lothar Kettenacker (Hg.), Der "Führerstaat": Mythos und Realität. Studien zur Struktur und Politik des Dritten Reiches, Stuttgart 1981, S. 194-227.

Romeyk, Horst
Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945.
Düsseldorf 1994.

Schwabe, Klaus (Hg.)
Oberbürgermeister. Boppard am Rhein 1981.