Ereignisse > Zeitleiste 1750-1815


Gruppenbildnis von Napoleon Bonaparte und den von ihm eingesetzten Königen mit ihren Frauen, 1809 (Ausschnitt) / Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, C-506144 PAD







Zeitleiste
Ereignisse 1750 - 1815

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1750


1750

 

 Gründung einer Hofkapelle in Burgsteinfurt
Repräsentationsbedürfnis und persönliches Musikinteresse gehen als Motive für die Gründung von Hofkapellen an den Grafen- und Fürstenhäusern Westfalens häufig Hand in Hand. Um 1750 wird die Hofkapelle in Burgsteinfurt ins Leben gerufen.
Sie ist neben der fürstbischöflichen Hofmusik in Münster die wichtigste Einrichtung dieser Art in Westfalen. Der kostenlose Besuch der wöchentlich stattfindenden Konzerte steht allen Bevölkerungsgruppen bei angemessener Kleidung frei. 1770 wird im Burgsteinfurter Schlosspark, dem Bagno, der erste nur musikalischen Veranstaltungen vorbehaltene Konzertsaal des europäischen Kontinents erbaut.
 
 

1753

 

 Errichtung eines Krankenhauses in Münster
In der Wohlfahrtspolitik ist das Interesse der Landesherren am wirtschaftlichen und gesundheitlichen Wohlergehen der Untertanen untrennbar mit dem fiskalischen Nutzen des Staates verknüpft. Besonders nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) kommt es zu weitreichenden Reformmaßnahmen in den unterschiedlichsten Bereichen.
Bereits 1753 gründet Kurfürst Clemens August von Bayern (reg. 1719-1761) in Münster das Hospital der Barmherzigen Brüder, das Clemenshospital. Es dient in erster Linie der Behandlung von Männern, die von auswärts kommen und nicht durch Verwandte oder städtische Stiftungen versorgt werden.
 
 

1754

April 6

 "Land-Schul-Ordnung für das Fürstentum Minden und die Grafschaft Ravensberg"
Innerhalb Westfalens werden Verbesserungen auf den Gebieten des Landschulwesens und der Lehrerbildung zuerst in den zu Preußen gehörenden Gebieten Minden-Ravensberg und der Grafschaft Mark vorgenommen. Notwendig werden diese aufgrund der schlechten fachlichen und pädagogischen Ausbildung der Lehrer sowie der schwierigen Lebensbedingungen der Kinder in den ländlichen Gebieten, die durch viele Pflichten beansprucht sind und häufig dem Unterricht fernbleiben.
Die am 06.041754 für Minden-Ravensberg erlassene Landschulordnung ist die erste umfassende Ordnung des Elementarschulwesens. Sie dient als Muster für das sogenannte "General-Landschul-Reglement". Dieses erste allgemeine Volksschulgesetz Preußens ist wesentlich von dem aus Werden stammenden Reformpädagogen Johann Julius Hecker (1707-1778) beeinflusst und wird von König Friedrich II. (reg. 1740-1786, gen. "Friedrich der Große") 1763 für die lutherischen Schulen verkündet. Es bildet die gesetzliche Basis für die allgemeine Schulpflicht und für regelmäßige Visitationen und enthält einen verbindlichen Stundenplan.
 
 

1757

 

 Einrichtung einer österreichischen Zivilverwaltung
Im Zuge des Siebenjährigen Kriegs (1756-1763) werden im Frühjahr 1757 in den linksrheinischen und in den westfälischen Gebieten Preußens österreichisch-französische Besatzungsbehörden konstituiert. Die Zentrale der österreichischen Zivilverwaltung befindet sich für Minden, Ravensberg, Tecklenburg und Lingen in der Stadt Tecklenburg, die für die Grafschaft Mark und außerhalb Westfalens liegende Territorien im niederrheinischen Kleve. Ihre Leitung übernimmt der Administrationspräsident Johann Anton Graf Pergen (1725-1814).
Während die preußischen Beamten in Kleve die Zusammenarbeit zunächst verweigern, kann die Verwaltung in Tecklenburg weitergeführt werden. Hier hat Valentin von Massow (1712-1775) in seiner Funktion als Präsident der preußischen Kriegs- und Domänenkammer entsprechende Maßnahmen für den Fall der Besatzung getroffen und den Beamten genaue Anweisungen hinsichtlich ihrer Aufgaben und ihres Verhalten gegeben.
 
 

 

 Einrichtung einer französischen Militärverwaltung
Die französischen Truppen, die im Siebenjährigen Krieg auf der Seite Österreichs gegen Preußen und dessen Verbündete kämpfen, kontrollieren seit 1757 neben den linksrheinischen auch die westfälischen Gebiete Preußens.
Im Frühjahr 1757 werden in diesen Territorien österreichisch-französische Besatzungsbehörden konstituiert. Während die Österreicher für die Zivilverwaltung zuständig sind, haben die französischen Festungsgouverneure die Militärverwaltung inne. In Westfalen handelt es sich um die Gouverneure der Festungen Lippstadt und Minden. Da die militärische Besetzung der preußischen Gebiete in Westfalen nur bis 1758 andauert und deshalb keine tief greifenden Spuren hinterlassen kann, kommt es hier im Gegensatz zu den niederrheinischen Territorien nicht zu einer Kollaboration der Bevölkerung mit dem Feind.
 
 

Januar

 Zwangsrekrutierung im Fürstentum Minden
Während des Siebenjährigen Kriegs (1756-1763) zwischen den europäischen Großmächten wird auch Westfalen erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Die Winterquartiere der Truppen, die fortwährenden Geld- und Naturallieferungen sowie die häufigen Spanndienste zehren an den Kräften der Landbevölkerung. Die von ihr zu erbringenden Lieferungen und Leistungen werden oft mit Gewalt erzwungen.
Auch die Rekrutierungspraxis Preußens und seiner Verbündeter in den westfälischen Gebieten ist äußerst rigide. So ergeht im Januar 1757 ein Befehl der Mindener Kriegs- und Domänenkammer, wonach die Kirchen des Fürstentums von Militär umstellt und alle wehrfähigen Männer weggebracht werden sollen. Ähnliche Zwangsmaßnahmen werden auch in Territorien wie der Grafschaft Lippe, die in dem Konflikt einen neutralen Standpunkt einnimmt, ergriffen. Die aus Westfalen stammenden Soldaten kommen nicht in ihrer Heimat, sondern überwiegend auf den Kriegsschauplätzen im Osten zum Einsatz.
 
 

April

 Einmarsch von Truppen in das Fürstbistum Münster und das Fürstbistum Paderborn
Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) zwischen den europäischen Großmächten werden die traditionellen Bündnisse in ihr Gegenteil verkehrt. Als Kriegsparteien stehen sich Österreich, Frankreich, Russland und Schweden auf der einen und Preußen, England-Hannover, Braunschweig, Hessen-Kassel und Sachsen-Gotha auf der anderen Seite gegenüber. Auch Westfalen wird aufgrund seiner strategischen Lage zum Austragungsort militärischer Auseinandersetzungen.
Erstmals im April und Mai 1757 wird diese Region durch den Einmarsch französischer Truppen in das Fürstbistum Münster und hannoveranischer Truppen in das Fürstbistum Paderborn mit dem Krieg konfrontiert. Nach der mit einer Niederlage für Preußen und seine Verbündeten endenden Schlacht bei Hastenbeck in der Nähe von Hameln im Juni 1757 wird am 08.09.1757 die Konvention von Kloster Zeven geschlossen. Fast ganz Nordwestdeutschland und somit auch Westfalen fällt für kurze Zeit an die Franzosen.
 
 

1759

August 1

 Sieg Ferdinands von Braunschweig bei Minden
Die französischen Truppen, die im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) auf der Seite Österreichs gegen Preußen und dessen Verbündete kämpfen, kontrollieren von 1757 bis weit in das Jahr 1758 hinein die westfälischen Gebiete Preußens. Nach mehreren Niederlagen rücken sie 1759 wieder weit nach Westfalen hinein vor und nehmen Anfang Juni 1759 Minden ein.
Am 01.08.1759 kommt es hier zu einer großen Schlacht, die mit dem Sieg des preußischen Generalfeldmarschalls Ferdinand von Braunschweig (1721-1792) über die Franzosen endet. Sie ist noch heute bekannt und wird von der britischen Armee als "Minden Day" gefeiert.
 
 

November

 Räumung der Stadt Münster durch die Franzosen
Die französischen Truppen, die im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) auf der Seite Österreichs gegen Preußen und dessen Verbündete kämpfen, kontrollieren von 1757 bis weit in das Jahr 1758 hinein die westfälischen Gebiete Preußens. Nach mehreren Niederlagen rücken sie 1759 wieder weit nach Westfalen hinein vor und nehmen Ende Juli 1759 Münster ein, was von der Bevölkerung positiv aufgenommen wird.
Nach einer fast drei Monate dauernden Belagerung räumen die französischen Truppen Ende November 1759 die Stadt. Sie ist durch den Beschuss der alliierten Streitkräfte, bei dem rund zweihundert Häuser zerstört und das Arsenal der Zitadelle gesprengt worden sind, stark in Mitleidenschaft gezogen.
 
 

1761

 

 Übernahme der Geschäftsleitung des Handelshauses Harkort durch Louise Catherina Märcker
Neben dem landwirtschaftlichen Betrieb auf Gut Harkorten in der Nähe der Stadt Hagen stellt im 18. Jahrhundert der Handel und die mit ihm verbundene Produktion von Fertigwaren aus Metall den Haupterwerbszweig der Familie Harkort dar und macht sie zu bedeutenden Unternehmern in der Grafschaft Mark.
Louise Catherina Harkort, geb. Märcker (1718-1795), deren Vater Medizinaldirektor der Äbtissin des Stifts Essen war, erhält eine ausgezeichnete Ausbildung und arbeitet während ihrer Ehe mit Johann Caspar III. Harkort (1716-1761) in dessen Geschäft. Nach dem Tod ihres Mannes übernimmt sie die Geschäftsleitung des bekannten Handelshauses. Die "Märckerin" ist eine der wenigen bekannten Unternehmerinnen der vorindustriellen Zeit in Südwestfalen. Aufgrund ihrer unternehmerischen Fähigkeiten und weit reichenden Kontakte ist sie nicht nur in der Lage, das Familienunternehmen erfolgreich fortzuführen, sondern vergrößert es auch in erheblichem Maße. Im Jahre 1780 werden ihre zwei ältesten Söhne Johann Caspar IV. (1753-1818) und Peter Nikolaus (1755-1817) Teilhaber des Geschäfts, das nun den Namen "Compagnie-Handlung" trägt.
 
 

Juli 15

 Schlacht bei Vellinghausen
In den letzten Jahren des Siebenjährigen Kriegs (1756-1763) wird Westfalen nur selten zum Schauplatz entscheidender Auseinandersetzungen. Es kommt zu mehreren Gefechten, die aber keiner der Kriegsparteien einen langfristigen Vorteil verschaffen. Vielmehr siegt mal die eine Fraktion und wird dann durch die gegnerische wieder zurückgedrängt.
Die letzte bedeutende Schlacht des Siebenjährigen Kriegs auf westfälischem Boden wird am 15. und 16.07.1761 bei Vellinghausen in der Nähe des Ortes Welver ausgetragen. Der preußische Generalfeldmarschall Ferdinand von Braunschweig (1721-1792) besiegt mit seinen Truppen die zwei zahlenmäßig überlegenen Armeen der Franzosen. Diese werden durch die Niederlage bis zum Kriegsende aus Westfalen verdrängt.
 
 

1762

 

 Angriff auf Arnsberg
In den letzten Jahren des Siebenjährigen Kriegs (1756-1763) wird Westfalen nur selten zum Schauplatz entscheidender Auseinandersetzungen. Es kommt zu mehreren Gefechten, die aber keiner der Kriegsparteien einen langfristigen Vorteil verschaffen. Vielmehr siegt mal die eine Fraktion und wird dann durch die gegnerische wieder zurückgedrängt.
Hervorzuheben ist der Angriff auf die Stadt Arnsberg, die Hauptstadt des Herzogtums Westfalen. Sie wird durch den auf der Seite Preußens kämpfenden Erbprinzen Karl Wilhelm von Braunschweig (1735-1806) beschossen. Im Zuge der Gefechte zerstören die Angreifer das von Kurfürst Clemens August von Bayern (reg. 1723-1761) zur Residenz umgebaute Schloss, dessen Ruinen später als Steinbruch genutzt werden.
 
 

1763

 

 Teilung und Privatisierung der Marken im Fürsteig bei Minden
Seit dem 10. Jahrhundert existieren Allmenden, in Westfalen Marken genannt. Hierbei handelt es sich um den gemeinschaftlichen Weide- und Waldbesitz, der von den Mitgliedern einer Gemeinde zur Gewinnung von Bau- und Brennholz, als Weideflächen für Rinder und für die Eichelmast verwendet wird. Im 18. Jahrhundert umfassen die Allmenden in Westfalen zwar noch ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Durch die starke Beanspruchung der Weiden und die Ausbeutung der Waldbestände sind sie jedoch häufig in einem schlechten Zustand und haben einen geringen Nutzwert. Außerdem sind die zur Miete wohnenden Landlosen (Heuerlinge), die einen großen und weiter wachsenden Teil der ländlichen Bevölkerung stellen, von der nutzungsberechtigten Gemeindegenossenschaft ausgeschlossen.
Wie in anderen Territorien des Alten Reiches beginnt auch die Regierung im Fürstbistum Münster 1763 trotz der Gegenwehr der ländlichen Bewohner, die sich eines Teils ihrer Wirtschaftsgrundlage beraubt sehen, mit der systematischen Teilung und Privatisierung der Marken. Sie erhofft sich eine Steigerung des Nutzwertes und die Versorgung landloser Heuerlinge. Die Durchsetzung der Maßnahmen, die eine enorme Produktionssteigerung der Landwirtschaft und die Festigung klein- und mittelbäuerlicher Strukturen zur Folge haben, kommt nur schleppend in Gang und ist häufig erst im 19. Jahrhundert abgeschlossen.
 
 

1765

 

 Reorganisation des Mindener Gymnasiums
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts widmet sich die preußische Regierung der Reform des Gymnasialwesens. Im Jahre 1765 wird das Mindener Gymnasium systematisch umgestaltet. Neben den klassischen Sprachen wird nun der deutschen Sprache, Geschichte, Geographie und Mathematik mehr Gewicht im Lehrplan beigemessen.
1781 ist auch die Reorganisation des Hammer Gymnasiums zu einer fünfstufigen gymnasialen Bildungsinstitution abgeschlossen. Die hierbei gesammelten Erfahrungen fließen in die 1782 fertiggestellte Cleve-Märkische Verordnung für die höheren Schulen ein.
 
 

1766

 

 "Revidirte Bergordnung für das Herzogtum Cleve, das Fürstentum Meurs und die Grafschaft Mark"
Die durch König Friedrich II. (reg. 1740-1786, gen. "Friedrich der Große") erlassene Bergordnung von 1766 stellt eine Überarbeitung derjenigen von 1737 dar. In ihr wird das sogenannte Direktionsprinzip im Bergbau eingeführt. Neben der bergpolizeilichen Aufsicht über die Gruben übernimmt die vom Staat eingesetzte Bergbehörde die Führung der Zechen durch für diesen Zweck eingesetzte Beamte. Ziel der Lenkung durch den merkantilistisch ausgerichteten Staat ist es, die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben.
Die Bergordnung von 1766 hat auch Vorbildwirkung für den vermehrten Abbau von Steinkohle. Im Gegensatz zu anderen Verfügungen, die sich überwiegend auf die Erz- und Salzgewinnung konzentrieren, behandelt sie dezidiert die Kohleförderung. Die Regierung reagiert hiermit auf den fortschreitenden Mangel an Holzkohle, die für die Eisen- und Metallverarbeitung benötigt wird, und fördert die Steinkohlegewinnung als Ersatz.
 
 

 

 Herausgabe des Arnsberger Intelligenzblatts
Seit dem 18. Jahrhundert entwickelt sich auch in Westfalen das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen. Vor allem Publikationsorgane in der Art des seit 1727 in Preußen herausgegebenen "Intelligenzblatts" werden nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) in jedem größeren westfälischen Territorium gegründet. So erlangt der Buchdrucker Herken aus Arnsberg 1766 das Recht, eine Buchdruckerei und einen Verlag zu führen. Daneben erhält er die Erlaubnis, ein zweimal wöchentlich erscheinendes so genanntes Intelligenzblatt für das Herzogtum Westfalen herauszugeben.
Es handelt sich bei diesen Schriften um Amtsblätter für Behörden und Beamte, die auch private Anzeigen und nichtamtliche Nachrichten drucken. Die Zeitungen des 18. Jahrhunderts sind Ausgangspunkt einer sich langsam herausbildenden Öffentlichkeit.
 
 

1767

August 26

 Grundsteinlegung des Münsteraner Schlosses
Im Jahre 1766 erstellt Johann Conrad Schlaun (1695-1773) Pläne für einen münsterischen Residenzbau. Nach deren Genehmigung durch den Fürstbischof Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels (reg. 1762-1784) und der Bewilligung beträchtlicher finanzieller Mittel durch den Landtag erfolgt am 26.08.1767 unter Beteiligung der Bürger der Stadt die Grundsteinlegung.
Unter der Leitung von Schlaun wird das Schloss auf dem Gelände der Zitadelle aus dem 17. Jahrhundert erbaut und ist im Juli 1773 bezugsfertig. Erst 1784 sind die Arbeiten vollständig abgeschlossen und der Garten, eine Mischung aus Barock- und Landschaftsgarten, fertig gestellt. Die Bewohner Münsters stehen der Anlage aufgrund ihrer repräsentativen Bedeutung zwar positiv gegenüber. Allerdings kommt es während des Baus zu heftigen Protesten der Handwerker der Stadt. Diese sind von der Auftragsvergabe ausgeschlossen, da ihnen nach Ansicht des Landesherrn bzw. der Baumeister die nötigen fachlichen Qualifikationen fehlten.
 
 

1768

April 15

 Einführung einer Brandversicherung in Münster
In der Wohlfahrtspolitik ist das Interesse der Landesherren am wirtschaftlichen Wohlstand der Untertanen untrennbar mit dem fiskalischen Nutzen des Staates verknüpft. Vor allem nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) kommt es einhergehend mit dem notwendigen Wiederaufbau zu weitreichenden Reformmaßnahmen in den unterschiedlichsten Bereichen.
Erste Ansätze zur Einrichtung vorsorgender Versicherungen datieren in Münster auf das Jahr 1768. In diesem Jahr wird auf Initiative des Ministers und Generalvikars Franz von Fürstenberg (1729-1810) eine  "Brand-Assecuranz" eingerichtet. Die Bürger der Stadt sind verpflichtet, ihre Häuser zu versichern. Eine Entschädigung im Brandfall erhält nur derjenige, der zum Wiederaufbau bereit ist. Im November 1770 wird eine eigene  Brandordnung für die "Haupt- und Residenzstadt" erlassen. Ihre Bestimmungen sorgen für eine noch strengere Kontrolle der Hausbesitzer. Aus dieser Zeit stammen viele Häuserkataster mit Wertangaben. Erstmals werden auch die Häuser durchnummeriert.
 
 

1770

 

 Konstituierung des "Kreises von Münster"
Um 1770 ruft der Minister und Generalvikar  Franz von Fürstenberg (1729-1810) einen literarischen Zirkel, den sogenannten "Kreis von Münster", ins Leben. Im Mittelpunkt dieser Gesellschaft steht neben von Fürstenberg die seit 1779 in Angelmodde bei Münster lebende  Fürstin Amalie von Gallitzin (1748-1806).
Die Gruppierung lässt sich ihrer Grundhaltung gemäß in die katholische Erneuerungsbewegung des späten 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts einordnen. Ihre Mitglieder debattieren über philosophisch-pädagogische Themen und unterstützen sich gegenseitig in ihrer religiös-sittlichen Entwicklung. Sie unterhalten weitreichende Kontakte zu Philosophen, Dichtern und Gelehrten wie Friedrich Heinrich Jacobi, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg und Johannes von Müller.
 
 

1776

 

 "Verordnung, die Lehrart in den unteren Schulen des Hochstifts Münster betreffend"
Durch das Wirken des Generalvikars  Franz von Fürstenberg (1729-1810) wird das Hochstift Münster ein Zentrum der Reformen in den geistlichen Territorien. Im Mittelpunkt der von Fürstenberg initiierten Maßnahmen steht das Bildungswesen. Besonders auf dem Gebiet der Gymnasialreform nimmt das Hochstift eine Vorreiterrolle ein.
Die 1776 als Landesgesetz in Kraft getretene Verordnung ist das Resultat einer seit 1770 erprobten Schulordnung für die Gymnasien. Unter Berücksichtigung des Vorrangs der religiös-sittlichen Erziehung wird dem mathematisch-naturkundlichen sowie dem Deutsch- und Geschichtsunterricht mehr Platz eingeräumt. Die Reform des Gymnasialwesens hat Vorbildwirkung für protestantische wie katholische Territorien in Westfalen.
 
 

1777

 

 Münsterische Medizinalordnung von Christoph Ludwig Hoffmann
Im Zuge der "katholischen Aufklärung" kommt es seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu weitreichenden Reformen. Im Mittelpunkt steht das Unterrichts- und Bildungswesen, aber auch gesundheitspolitische Maßnahmen werden von den Landesherren ergriffen, um die Wohlfahrt der Untertanen zu steigern. Durch das Wirken des Ministers und Generalvikars  Franz von Fürstenberg (1729-1810) wird das Hochstift Münster ein Zentrum der Reformen in den geistlichen Territorien.
Um die gesundheitliche Verfassung der Bevölkerung zu verbessern, wird in Münster bereits 1732 die erste Medizinalordnung erlassen. In dieser finden sich Bestimmungen über die Ausbildung und über die Tätigkeitsfelder der Ärzte, Apotheker, Chirurgen und Hebammen. Unter der Vielzahl der neuerlassenen Medizinalordnungen ist die 1777 von dem kurfürstlichen Leibarzt  Christoph Ludwig Hoffmann (1721-1807) verfasste hervorzuheben. Sie unterscheidet sich von anderen Verfügungen in diesem Bereich u. a. durch die Betonung der Notwendigkeit einer medizinischen Aufklärung der Bevölkerung und die qualitative Einstufung der Ärzte.
 
 

1778

 

 Gründung einer Freimaurerloge in Münster
Die erste Freimaurerloge Deutschlands wird 1737 in Hamburg gegründet. Diese Organisationen, die sich das rationalistische und philanthropische Gedankengut der Aufklärung zu eigen machen, entstehen in Westfalen erst relativ spät.
1778 wird in Münster die "Loge zu den drey Balken" ins Leben gerufen. Einer ihrer Begründer ist der Schriftsteller und Professor  Anton Matthias Sprickmann (1749-1833). Da sie die einzige Loge in den geistlichen Herrschaftsgebieten Westfalens ist, zählen auch Bewohner aus anderen katholischen und protestantischen Städten zu ihren Mitgliedern. Trotz päpstlichen Verbots gehören ihr fürstbischöfliche Beamte, Offiziere und Domherren an. Die Zugehörigkeit zu einer Loge ist mit einem hohen gesellschaftlichen Rang und hieraus resultierenden Einflussmöglichkeiten verbunden. Später wird auch  Blücher, der zeitweise in Münster wohnt, Mitglied.
 
 

1780

 

 Schiffbarmachung der Ruhr
Eine große Herausforderung beim Absatz der in Westfalen hergestellten oder zur Weiterverarbeitung bestimmten Produkte stellen die schlechten Verkehrsverbindungen dar. Neben dem Bau fester Straßen spielt im 18. Jahrhundert der Ausbau und die Errichtung von Binnenschifffahrtswegen eine große Rolle bei der Behebung dieses Problems. Die Schaffung einer günstigen Verkehrslage stellt gleichzeitig eine Voraussetzung für das Ingangsetzen des Industrialisierungsprozesses dar.
Bereits in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts wird die Schiffbarmachung der Ruhr geplant. Mit der Fertigstellung 1780 wird eine Strecke von 120 Kilometern zugänglich gemacht, die von Langschede südlich von Unna bis zur Mündung in den Rhein bei Duisburg reicht. Auf dem Höhepunkt der Ruhrschifffahrt im Jahre 1860 werden 940.000 Tonnen Güter, darunter 868.000 Tonnen Steinkohle, aber auch Salz und Steine transportiert. In der darauf folgenden Zeit kann sie jedoch der Konkurrenz durch die Eisenbahn nicht mehr standhalten.
 
 

 

 Gründung von Freimaurerlogen in Minden und Bielefeld
Die erste Freimaurerloge Deutschlands wird 1737 in Hamburg konstituiert. Diese Organisationen, die sich das rationalistische und philanthropische Gedankengut der Aufklärung zu eigen machen, entstehen in Westfalen erst relativ spät.
Nach Münster werden 1780 Logen in Minden und Bielefeld gegründet. Ihnen gehören in Minden u. a. fast alle Beamten der Kriegs- und Domänenkammer an. Dies zeigt, dass die Mitgliedschaft in einer Loge mit einem hohen gesellschaftlichen Rang und hieraus resultierenden Einflussmöglichkeiten verbunden ist.
 
 

1780

 

 Offizielle Eröffnung der Universität in Münster
1771 gründet Fürstbischof  Max Friedrich von Königsegg-Rothenfels (reg. 1762-1784) auf Initiative  Franz von Fürstenbergs (1729-1810) die Universität in Münster. Fürstenberg fungiert auch als Vizekanzler und Kurator derselben. Die Errichtungsurkunde wird 1773 durch den Kaiser und den Papst bestätigt. Bereits vor der offiziellen Eröffnung im Jahre 1780 wird der Lehrbetrieb 1773/1774 in der philosophischen und der theologischen Fakultät aufgenommen. Hinzu kommen später die juristische und die medizinische Fakultät.
Die zum Zweck der Ausbildung künftiger Beamter errichtete Hochschule folgt dem Vorbild der Universitäten im josephinischen Österreich. Allerdings ist sie zunächst gegenüber großen auswärtigen Universitäten nicht konkurrenzfähig, da sie kein Promotionsrecht besitzt. 1818 wird die münsterische Hochschule aufgelöst. Die philosophisch-theologischen Kurse können jedoch weiter angeboten werden.
 
 

1781

 

 Erscheinen des Werks "Über die bürgerliche Verbesserung der Juden"
Im Gegensatz zum übrigen Westfalen besitzt die Grafschaft Lippe mit der Stadt Lemgo ein Zentrum der Aufklärung. Sie verfügt auch über bekannte Persönlichkeiten, die diesem Gedankengut anhängen. 1781 und 1783 erscheint das Werk des in Lemgo geborenen preußischen Archivrats und Diplomaten  Christian Wilhelm Dohm (1751-1820) "Über die bürgerliche Verbesserung der Juden".
Im Mittelpunkt der Schrift steht die aufklärerischen Ideen entsprechende Vorstellung von der Möglichkeit einer "Verbesserung" bzw. "Erziehung" der Juden zu "nützlichen" Gesellschaftsmitgliedern. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Emanzipation der jüdischen Bevölkerung.
 
 

 

 Paderborner "Kaffeelärm"
In der Frühen Neuzeit werden u. a. Kleider- und Hochzeitsordnungen sowie Edikte zur Beschränkung des Kaffee-, Tee- und Alkoholgenusses erlassen. Diese sollen eine Einschränkung des Luxus hinsichtlich Kleidung und Konsum bewirken und der Betonung der ständischen Unterschiede dienen.
Der Grund für den Erlass der Verordnungen liegt im Selbstverständnis des frühneuzeitlichen Staates als Erzieher seiner Untertanen. Er sieht es im Zeitalter der Aufklärung als eine seiner entscheidenden Funktionen an, das Verhalten der Bevölkerung zu reglementieren, um das Wohl des Einzelnen und der Gemeinschaft in moralischer und finanzieller Hinsicht zu fördern. Die Menschen suchen oft der Aufsicht durch die Behörden aus dem Weg zu gehen. Manchmal kommt es auch zu Tumulten. So protestieren im Jahre 1781 Bürger im so genannten Paderborner Kaffeelärm gegen die ihrer Ansicht nach ungerechtfertigte Einschränkung ihrer Lebensgewohnheiten.
 
 

1782

Mai 10

 "Reglement für die deutschen reformierten Schulen in Cleve und Mark"
Das für die reformierten Schulen in Kleve-Mark geltende Reglement vom 10.05.1782 bildet in den preußischen Gebieten Westfalens den Abschluss des Reformwerks im Elementarschulbereich. Vor allem die schlechte fachliche und pädagogische Ausbildung der Lehrer sowie die schwierigen Lebensbedingungen der Kinder in den ländlichen Gebieten machten Verbesserungen notwendig.
In den Satzungen sind ein Lehrplan sowie Vorgaben zur Wahl der Lesebücher und zum Umgang mit der Bibel im Unterricht enthalten. Sie sind an den Vorstellungen der Aufklärungspädagogen Johann Bernhard Basedow (1724-1790) und Friedrich Eberhard von Rochow (1734-1805) ausgerichtet. Ihnen zufolge soll die Bibel nicht zu Leseübungen herangezogen werden, damit die Kinder keine Abneigung gegen das bedeutendste unter allen Büchern entwickeln. Neu ist die Einführung von Ferien, deren Dauer acht Tage im Jahr betragen soll.
 
 

1783

 

 Gründung einer Normalschule in Münster
Durch das Wirken des Generalvikars  Franz von Fürstenberg (1729-1810) wird das Hochstift Münster ein Zentrum der Reformen in den geistlichen Territorien. Im Mittelpunkt der von Fürstenberg initiierten Maßnahmen steht das Bildungswesen.
1783 wird in Münster eine unter der Leitung  Bernard Overbergs (1754-1826) stehende Normalschule gegründet. Seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts dienen diese Institutionen, die Johann Ignatz von Felbiger (1724-1788) erstmals 1774 in Österreich entwickelt hat, der Ausbildung von Lehrern. Ihre Errichtung betrachtet Fürstenberg als grundlegend für die Verbesserung des Elementarschulwesens. Denn die Lehrer sind häufig so schlecht ausgebildet, dass sie ihren Schülern auch einfache Unterrichtsinhalte nicht vermitteln können. Die in Münster abgehaltenen Kurse dauern zweieinhalb bis drei Monate. Sie enden mit einer Prüfung, die alle drei Jahre wiederholt werden muss.
 
 

1784

 

 Eröffnung einer höheren Töchterschule in Lippe
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wird die Mädchenbildung in Lippe auf eine geordnete Basis gestellt und mit der Zeit zu einer festen Größe im modernen Schulsystem. Im Jahre 1784 wird die von dem Generalsuperintendenten  Johann Ludwig Ewald (1747-1822) seit 1782 geplante "höhere Töchterschule" unter der Leitung von Johannette Auguste Kroll in Detmold eröffnet.
Im Mittelpunkt des Lehrplans stehen die religiöse Erziehung und die Vermittlung elementarer Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Handarbeiten. Daneben erhalten die Schülerinnen grundlegende Kenntnisse des Französischen, der Natur- und Erdkunde, der Geschichte und des Staatsrechts. Die von den jungen Frauen zu erwerbenden Fähigkeiten sind der damaligen Zeit entsprechend ganz auf ihre Rolle als Ehefrau, Hausfrau und Mutter zugeschnitten.
 
 

1785

 

 Veröffentlichung der Schrift "Versuch, den Eingesessenen des Amts Brackwede eine einträglichere Landeskultur beliebt zu machen"
Ebenso wie in Deutschland insgesamt stellt auch in Westfalen die Landwirtschaft die Basis der Wirtschaft im 18. Jahrhundert dar. Allerdings sind einer Steigerung der Produktivität u. a. aufgrund des Fehlens von Dünger erhebliche Grenzen gesetzt.
In den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts setzen sich physiokratische Vorstellungen durch, denen zufolge die Landwirtschaft als Grundlage der gesamten Volkswirtschaft gilt. Es kommt zu einer Höherbewertung und verstärkten Förderung derselben. Schriften werden verfasst, die das Wissen über Anbau- und Wirtschaftsmethoden innerhalb der bäuerlichen Bevölkerung verbreiten sollen. Diesem Zweck dient auch die von dem Beamten Johann Ernst Tiemann 1785 veröffentlichte Schrift mit dem Titel "Versuch, den Eingesessenen des Amts Brackwede eine einträglichere Landeskultur beliebt zu machen". Sie wird von König Friedrich II. (reg. 1740-1786) in hoher Zahl nachgedruckt und findet weite Verbreitung.
 
 

1787

 

 Gründung einer Kriegs- und Domänenkammer in Hamm
Dem Generaldirektorium in Berlin sind im 18. Jahrhundert die für die Provinzialverwaltung in den einzelnen Provinzen Preußens zuständigen Kriegs- und Domänenkammern unterstellt. Im Zuge der Erweiterung des preußischen Staatsgebiets werden unter der Herrschaft König Friedrichs II. (reg. 1740-1786, gen. "Friedrich der Große") und seines Neffen König Friedrich Wilhelm II. (reg. 1786-1797) weitere dieser Behörden auf der mittleren Verwaltungsebene eingerichtet.
1787 wird eine von Kleve unabhängige Kriegs- und Domänenkammer für die Grafschaft Mark in Hamm gebildet. Bereits seit 1767 existiert hier eine Kammerdeputation, da zwei Drittel der Geschäftsangelegenheiten dieses Territorium betreffen. 1793 wird der  Freiherr vom Stein (1757-1831) zum Präsidenten der Kriegs- und Domänenkammer in Hamm ernannt. 1796 erhält er dieses Amt auch für die Behörden in Kleve und Minden.
 
 

1792

 

 Fertigstellung der Chaussee zwischen Steele und Meinerzhagen
Dem Absatz der überwiegend in Südwestfalen hergestellten und verarbeiteten Metallerzeugnisse stehen im 18. Jahrhundert die schlechten Straßenverhältnisse entgegen. Erst die Schaffung einer günstigen Verkehrslage, die auch eine Voraussetzung für das Ingangsetzen des Industrialisierungsprozesses ist, trägt zur Behebung dieses Problems bei.
In diesem Zusammenhang spielen die zur Zeit des  Freiherrn vom Stein (1757-1831), des Direktors der preußischen Kriegs- und Domänenkammern in Hamm und Kleve, angelegten Straßen eine wichtige Rolle. Zwischen 1787 und 1792 wird die so genannte Kunststraße zwischen Steele (Essen-Steele) und Meinerzhagen erbaut. Sie hat als Verbindungsstrecke zwischen dem Steinkohlenrevier an der Ruhr und den Erzlagerstätten im Siegerland besondere Relevanz und verliert ihre Bedeutung für den überregionalen Straßenverkehr erst in den siebziger Jahren durch die Bundesautobahn Dortmund-Frankfurt am Main (A 45).
Neben Straßen werden zum Transport von Gütern auch Kohlenbahnen errichtet, deren Wagen von Pferden gezogen werden. Als erste "Eisenbahn" Deutschlands kann die 1787 in Betrieb genommene Rauendahler Kohlenbahn bei Hattingen gelten.
 
 

Oktober

 Beschwerdeschrift der Stadt Paderborn
Ende Oktober 1792 veröffentlicht die Stadt Paderborn eine an den Fürstbischof und das Domkapitel gerichtete Beschwerdeschrift. Sie erhebt vor dem Hintergrund der mehrfachen Inanspruchnahme der Untertanen durch Steuer, Pacht und Zehnt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfreiheit von Adel und Geistlichkeit.
Im Verlauf dieses Streits stellen Unbekannte eine Pappel als "Freiheitsbaum" auf. Sie trägt die Aufschrift: "Liebe Bürger! Schüttelt endlich Euer Joch von Euch und schwört bei diesem Baum, frei zu sein". Eine Verbindung zwischen dem Gedankengut der Französischen Revolution und einem veränderten politischen Bewusstsein, die in Westfalen nur selten eindeutig hergestellt werden kann, ist in diesem Fall anzunehmen. Die Auseinandersetzungen haben zur Folge, dass Adel und Geistlichkeit 1794 das Privileg der Steuerfreiheit auf Grundvermögen aufgeben.
 
 

November

 Emigration französischer Flüchtlinge nach Westfalen
Die französische Revolution macht sich in Westfalen weniger auf intellektuellem Gebiet als durch die zahlreichen Revolutionsflüchtlinge bemerkbar. Eine zweite Emigrationswelle lösen im Sommer 1792 der Sturm auf den Pariser Tuilerienpalast und die Verhaftung Ludwigs XVI. (reg. 1774-1792) aus.
Mit der Eroberung Belgiens durch die österreichischen Niederlande im November 1792 kommen massenhaft adelige und geistliche Emigranten in die westfälischen Territorien. Allein in den Fürstbistümern Münster und Paderborn befinden sich zeitweise vier bis fünftausend. Im protestantischen preußischen Teil von Westfalen ist die Missbilligung geflohener katholischer Geistlicher besonders groß.
 
 

1794

Februar 19

 Umwandlung der Reichsabtei Corvey in ein Fürstbistum
Im Kloster Corvey herrscht akuter Mangel an Nachwuchs. Um das Weiterbestehen der Institution zu sichern, streben bereits 1786 der Abt Theodor von Brabeck (reg. 1776-1794) und die Mitglieder des Konvents danach, dass sie von ihren Mönchsgelübden entbunden werden und die Reichsabtei in ein Bistum umgewandelt wird. Durch diesen Schritt will man sich auch von Ansprüchen der Diözese Paderborn auf die Jurisdiktion im Gebiet der Abtei befreien.
Mit der Veröffentlichung der am 23.04.1792 vom Papst ausgefertigten Bulle am 19.02.1794 findet die Umwandlung der reichsunmittelbaren Benediktinerabtei Corvey in ein Fürstbistum ihren Abschluss. Der bisher als Abt fungierende von Brabeck wird der erste Fürstbischof des Territoriums und strukturiert dieses kirchen- und reichsrechtlich nach dem Vorbild der Reichsabtei Fulda um. Im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1802 wird das Fürstbistum Corvey wieder aufgehoben und fällt an das Haus Oranien-Nassau.
 
 

1795

April 5

 Separatfrieden von Basel zwischen Preußen und Frankreich
Während des ersten Koalitionskriegs (1792-1797) schließt Preußen am 05.04.1795 mit Frankreich den Separatfrieden von Basel. In einer Geheimklausel vereinbaren die Vertragspartner eine Entschädigung Preußens mit rechtsrheinischen Gebieten, falls Frankreich im Besitz der linksrheinischen Gebiete bleiben sollte. Somit weist der Vertrag den Weg für die Säkularisation der geistlichen Fürstentümer auch in Westfalen.
Außerdem legen Preußen und Frankreich in Abgrenzung zu den süddeutschen Kriegsschauplätzen eine norddeutsche Neutralitätszone fest, in die auch der größte Teil Westfalens fällt. Im Berliner Vertrag von 1796 wird die Demarkationslinie für Nordwestdeutschland neu bestimmt. Es kommt zu einer "Spaltung" Westfalens, da die Grenze direkt durch die preußische Grafschaft Mark und das kurkölnische Herzogtum Westfalen verläuft.
 
 

1798

 

 Gründung des "Westphälischen Anzeigers"
1798 gründet der eine frühliberale Haltung einnehmende Jurist, Publizist und Verleger  Dr. Arnold Mallinckrodt (1768-1825) in der Dortmunder Verlagsbuchhandlung der Gebrüder Mallinckrodt den "Westphälischen Anzeiger".
Die zweimal wöchentlich herausgegebene Zeitung muss ihr Erscheinen 1809 aufgrund der französischen Pressezensur im Herzogtum Berg zunächst einstellen. Nach dieser Zeit besteht sie nochmals von 1815 bis 1818 (seit 1817 als "Rheinisch-Westfälischer Anzeiger"). Sie findet weite Verbreitung, ihr Absatzraum erstreckt sich nach Kleve, ins bergische Land und Ostfriesland. In Westfalen bleibt die Zeitung, die zeitweise eine Auflage von 1.200 Stück erreicht, fast ganz auf die Grafschaft Mark beschränkt.
 
 

1799

 

 Gründung der Hagener Handlungs-, Bürger- und Lateinschule
Im 19. Jahrhundert artikuliert sich ein erhöhter Bedarf des kaufmännisch oder gewerblich tätigen Bürgertums nach sogenannter realistischer Bildung, der von den Gymnasien nicht erfüllt werden kann. Eine Alternative bietet der Unterricht an den höheren bzw. realistischen Bürgerschulen. Im Vordergrund steht die Vermittlung von Mathematik, Zeichnen und kaufmännischen Fächern sowie das Erlernen moderner Sprachen (z. B. Englisch).
Bereits 1799 errichten Friedrich Dahlenkamp (1740-1817) und Peter Harkort (1786-1822) in Hagen die dreiklassige "Handlungs-, Bürger- und Lateinschule". Es handelt sich um die erste Realschule Westfalens, die nach dem Muster der "Ökonomisch-mathematischen Realschule" von 1747 in Berlin aufgebaut ist. Unterrichtet werden Deutsch, Latein, moderne Sprachen, Mathematik und kaufmännische Fächer. Sie entwickelt sich zu einer selbständigen sechsklassigen Realschule.
 
 

August 30

 Inbetriebnahme der ersten englischen Dampfmaschine auf der Saline Königsborn bei Unna
Auf der 1733 errichteten staatlichen Saline Königsborn bei Unna in der Grafschaft Mark wird am 30.08.1799 die erste Dampfmaschine Westfalens in Betrieb genommen. Bau und Nutzung derselben werden auf Veranlassung König Friedrichs II. (reg. 1740-1786) und durch die Unterstützung des  Freiherrn vom Stein (1757-1831), der seit 1784 Direktor des Märkischen Bergamtes ist, realisiert.
Fast sämtliche Einzelteile der Dampfmaschine werden aus Preußen geliefert. Sie wird von den Zeitgenossen als Wunderwerk der Technik betrachtet. Mit ihrer Hilfe wird die Sole aus 50 m Tiefe gepumpt und die Leistungsfähigkeit der Saline erheblich gesteigert.Von dieser Zeit an hält die Dampfmaschine, die als Symbol und technische Schlüsselinnovation für den sich durchsetzenden Industrialisierungsprozess betrachtet werden kann, Einzug in den Bergbau, die Textilindustrie, das Eisengewerbe und schließlich den Eisenbahnbau.
 
 


1800


1802

Juni 6

 Inbesitznahme westfälischer Gebiete durch Preußen
Am 06.06.1802 nimmt Preußen die ihm im  Pariser Vertrag vom 23.05.1802 zugesprochenen Gebietsteile  per Edikt in Besitz. Es handelt sich in Westfalen um das Fürstbistum Paderborn, die Abtei Herford und den östlichen Teil des Oberstifts Münster mit der Stadt Münster, dem Stift Cappenberg und den Städten Warendorf, Beckum und Lüdinghausen.
Die Berliner Regierung konstituiert zunächst in Paderborn und Münster Zivil- und Spezialorganisationskommissionen unter Leitung des  Freiherrn vom Stein (1757-1831). Sie sollen eine Prüfung aller Bereiche des öffentlichen Lebens durchführen, bevor eine Anpassung an die in Preußen herrschenden Verhältnisse vorgenommen werden kann. Im Verlauf der Neuordnung wird 1803 eine Kriegs- und Domänenkammer mit Sitz in Münster als oberste Verwaltungsbehörde gebildet. Wichtige Neuerungen im Justizwesen sind die Errichtung eines obersten Gerichts in Münster und Paderborn. Die alten fürstbischöflichen Ämter werden zugunsten von Kreisen mit einem adligen Landrat an der Spitze abgeschafft.
 

1803

Februar 25

 Verkündung des Reichsdeputationshauptschlusses
Am 09.02.1801 wird der Zweite Koalitionskrieg mit dem  Frieden von Lunéville beendet. Frankreich erhält endgültig die linksrheinischen Gebiete des Alten Reiches. Die Landesherren, die ihre Territorien verlieren, sollen auf der rechten Rheinseite entschädigt werden. Auf der Zusammenkunft einer außerordentlichen Reichsdeputation in Regensburg wird die Säkularisation der geistlichen Länder im August 1802 besiegelt. Aufgrund der Vielzahl geistlicher Fürstentümer in Westfalen kommt es hier zu weitreichenden Veränderungen in den Besitzverhältnissen und zunächst zu einer Vermehrung von Kleinstaaten.
Der König von Preußen erhält gemäß dem  Reichsdeputationshauptschluss vom 25.02.1803 das Fürstbistum Paderborn, die Abtei Herford und den östlichen Teil des Oberstifts Münster mit der Stadt Münster, dem Stift Cappenberg und den Städten Warendorf, Beckum und Lüdinghausen. Der Rest des Hochstifts Münster wird zwischen dem Herzog von Croy, den Fürsten von Salm-Salm, den Fürsten von Salm-Kyrburg und dem Grafen der Linie Salm-Grumbach sowie dem Herzog von Looz-Corswarem aufgeteilt. Das Herzogtum Westfalen gelangt an Hessen-Darmstadt, das Vest Recklinghausen und das münsterische Amt Meppen an Arenberg, Corvey an Oranien-Nassau und das Amt Reckenberg mit dem übrigen Hochstift Osnabrück an den König von Großbritannien als Kurfürsten von Hannover.
 
 

1806

Juli 12

 Eingliederung von westfälischen Territorien in das Großherzogtum Berg
Am 12.07.1806 wird auf der Basis der  Rheinbundakte ein Bund von 16 deutschen Fürsten konstituiert, die sich vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation lossagen und dem Protektorat  Napoleons (1769-1821) unterstellen. Den Mitgliedern der Konföderation werden für ihre Teilnahme Standeserhöhungen und Gebietszuwächse zugesprochen, die auch in Westfalen zu erheblichen territorialen Veränderungen führen.
Das im März 1806 zum Großherzogtum ernannte Herzogtum Berg erhält hier gemäß Art. XXIV der Rheinbundakte das oranisch-nassauische Fürstentum Siegen, die Grafschaft Steinfurt, die Grafschaft Salm-Horstmar und das Fürstentum Rheina-Wolbeck. Landesherr des Großherzogtums Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf ist bis 1808 der französische Marschall und Schwager Napoleons  Joachim Murat. 1809 ernennt Napoleon den fünfjährigen Sohn seines Bruders Louis Bonaparte zum Großherzog, für den er die Vormundschaft und Regentschaft übernimmt.
Das zum Großherzogtum erhobene Hessen-Darmstadt, zu dem aufgrund des  Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 auch das ehemalige kurkölnische Herzogtum Westfalen zählt, erweitert sich innerhalb Westfalens gemäß Art. XXIV der Rheinbundakte um die Grafschaften Wittgenstein-Berleburg und Wittgenstein-Hohenstein. Das Fürstentum Salm erhält laut Art. XXIV die Herrschaft Gemen und das Herzogtum Arenberg die Grafschaft Croy-Dülmen. Das Fürstentum Lippe wird 1807 Mitglied des Rheinbunds.
 
 

Oktober 3

 Errichtung des Lehrerseminars in Soest
Sowohl der soziale Status als auch das Ausbildungsniveau der Volksschullehrer liegen wesentlich unterhalb derjenigen der Gymnasiallehrer. Jene absolvieren kein fachwissenschaftliches Studium an einer Universität, sondern bereiten sich in Preußen noch bis in das 20. Jahrhundert hinein an Seminaren für Volksschullehrer auf ihre Lehrtätigkeit vor.
Am 03.10.1806 wird das Lehrerseminar in Soest errichtet, als deren Leiter Karl Gotthilf Ehrlich fungiert. Es ersetzt die private Einrichtung von 1798 und ist nach 1819 das einzige staatliche Lehrerseminar für die Ausbildung der männlichen evangelischen Volksschullehrer innerhalb der Provinz Westfalen. Das Seminar in Soest steht unter der Aufsicht des für Kirchen- und Schulsachen zuständigen Konsistoriums und seit 1825 des Provinzialschulkollegiums in Münster. In der folgenden Zeit werden weitere dieser Ausbildungsstätten errichtet, was den schnell ansteigenden Bedarf an qualifizierten Lehrern anzeigt.
 
 

November 23

 Besetzung der preußischen Territorien in Westfalen durch Frankreich
Durch die Gründung des napoleonischen  Rheinbundes wird der Plan zur Errichtung einer norddeutschen Konföderation unter preußischer Führung durchkreuzt. Das Angebot Frankreichs, Hannover an England zurückzugeben, führt zum endgültigen Bruch zwischen den beiden Mächten. Es kommt zum Vierten Koalitionskrieg (1806/07), in dem Preußen am 14.10.1806 bei Jena und Auerstedt geschlagen wird. Anfang November 1806 besetzt  Napoleon (1769-1821) die westfälischen Gebietsteile Preußens und teilt sie in zwei Militärgouvernementbezirke auf. Der erste setzt sich aus dem Erbfürstentum Münster, der Grafschaft Mark, der Grafschaft Lingen-Tecklenburg und dem Fürstbistum Osnabrück zusammen. Der zweite beinhaltet das Fürstentum Minden, die Grafschaft Ravensberg, das Erbfürstentum Paderborn und das hesssische Schaumburg.
Von den Zentralen Münster und Minden ausgehend, werden Verwaltung und Justiz unter französischer Aufsicht fortgeführt. Der Zwang zur Lieferung von Geld- und Sachkontributionen entwickelt sich auch für die Bevölkerung zu einer enormen Belastung. Im März 1807 wird der Präsident der preußischen Kriegs- und Domänenkammern von Münster und Hamm,  Ludwig Freiherr von Vincke (1774-1844), seines Amts enthoben.
 
 

1807

August 18

 Gründung des Königreichs Westphalen
Um die französische Hegemonialstellung in Deutschland zu festigen, konstituiert  Napoleon (1769-1821) am 18.08.1807 das Königreich Westphalen mit Kassel als Hauptstadt. Er gliedert es dem Rheinbund an und ernennt seinen Bruder  Jérôme zum König von Westphalen. Aufgrund des  Friedens von Tilsit (1807), in dem sich Preußen zur Abtretung eines Großteils seiner Territorien an Frankreich verpflichtet hat, werden auch westfälische Gebiete dem neuen Königreich angeschlossen.
Hierbei handelt es sich um das ehemalige osnabrückische Amt Reckenberg, um Wiedenbrück, die Grafschaft Rietberg, das Fürstentum Corvey-Höxter, die bis dahin preußischen Territorien Minden-Ravensberg und das Erbfürstentum Paderborn. Der größte Teil des neuen Herrschaftskomplexes liegt jedoch außerhalb Westfalens zwischen Weser und Elbe sowie im Hessischen.
 
 

November 15

 Erlass einer Verfassungsurkunde für das Königreich Westphalen
Im Jahre 1807 erhält das Königreich Westphalen eine moderne  Konstitution. Es handelt sich um die erste, die auf deutschem Boden erlassen wird. Die in Paris ausgearbeitete Verfassungsurkunde orientiert sich am Beispiel der französischen Konsulatsverfassung von 1799. Volksvertreter, die in einem mehrstufigen, indirekten Wahlverfahren bestimmt werden und in der Mehrheit aus vermögenden Bevölkerungsteilen stammen, sollen an der Gesetzgebung mitwirken. Allerdings haben sie nur beratende Funktionen.
Während die Volksvertretung des Königreichs Westphalen in den Jahren 1808 und 1810 zusammenkommt, existiert im Großherzogtum Hessen-Darmstadt und im Großherzogtum Berg, in dem erst 1812 eine Verfassung fertig gestellt wird, während der Zeit der rheinbündischen Reformen kein entsprechendes Organ.
 
 

1808

 

 Bauernbefreiung im Großherzogtum Berg und im Königreich Westphalen
Während der napoleonischen Zeit werden in den westfälischen Landesteilen, die zu den französischen Vasallenstaaten zählen, gesetzliche Vorschriften zur Aufhebung der Leibeigenschaft und Ablösbarkeit von Reallasten verkündet.
Im Großherzogtum Berg sind die Veränderungen besonders tief greifend. Das am 12.12.1808 erlassene Gesetz gesteht den Bauern das uneingeschränkte Besitzrecht am Hof zu. Im Königreich Westphalen ist die Leibeigenschaft durch das am 23.01.1808 in Kraft getretene  Gesetz offiziell beseitigt. Allerdings besitzt ein Bauer hier keine Möglichkeit, das vollständige Besitzrecht über den Hof zu erlangen.
Insgesamt zeigen die Agrarreformgesetze kaum Wirkung, da sie äußerst bruchstückhaft sind und den komplexen rechtlichen Verhältnissen nicht gerecht werden. Da  Napoleon (1769-1821) hohe Würdenträger in den Adelsstand erhebt, sie mit Landbesitz in den Vasallenstaaten ausstattet und auf diese Weise neue Grundherrschaften errichtet (Dotationspraxis), scheitern die Reformen vor allem im Königreich Westphalen an den restaurativen Tendenzen der kaiserlichen Politik. Hinzu kommt die Armut der meisten Bauern, die eine Ablösung der auf ihnen lastenden Verpflichtungen so gut wie unmöglich macht.
 
 

 

 Neue Verwaltungsgliederung im Königreich Westphalen und im Großherzogtum Berg
 Napoleon verfolgt das Ziel, das Großherzogtum Berg und das Königreich Westphalen zu Musterstaaten nach französischem Vorbild auszubauen, um seine Herrschaft auf eine gefestigte Grundlage stellen zu können. Zu diesem Zweck werden u. a. die traditionellen Verwaltungsstrukturen modernisiert. Das Königreich Westphalen erhält im März 1808 und das Großherzogtum Berg Ende 1808 eine neue Verwaltungsgliederung auf Provinzebene. Sie ist hierarchisch gestuft in Form von Departements, Arrondissements bzw. Distrikten und Munizipalitäten mit einem Präfekten, Unterpräfekten und Bürgermeistern als Führungspersonen. Bei der Einteilung in Departements und Arrondissements wird in der Regel auf alte Territorialgrenzen und Einteilungen auf unterer Ebene keine Rücksicht genommen, um Traditionslinien zu durchschneiden.
Es handelt sich um ein bürokratisch-zentralistisches System, das eine staatliche Kontrolle bis auf die unterste Verwaltungsebene gewährleistet. Die westfälischen Landesteile des Königreichs Westphalen gehören 1809 teilweise zum Weser- und teilweise zum Fulda-Departement. Der zum Herzogtum Berg zählende Bereich verteilt sich auf das Ruhr- und das Emsdepartement.
 
 

Januar 21

 Eingliederung westfälischer Herrschaftsgebiete in das Großherzogtum Berg
Im  Frieden von Tilsit (07.07.1807/09.07.1807) verpflichtet sich Preußen zur Abtretung eines Großteils seiner Territorien an Frankreich. Dies führt auch in Westfalen zu erheblichen territorialen Änderungen. Die noch nicht dem Königreich Westphalen angegliederten Gebiete verleibt  Napoleon (1769-1821) Ende Januar 1808 dem Großherzogtum Berg ein.
Hierzu zählen die preußischen Grafschaften Mark, Tecklenburg und Lingen, das Erbfürstentum Münster und der Anteil am Kondominat Lippstadt. Außerdem werden das oranisch-nassauische Dortmund und die bentheim-tecklenburgischen Besitzungen Rheda und Limburg mit Berg vereinigt. Die Landesteile Westfalens sind innerhalb von zwei Jahren nach der Auflösung des Alten Reiches an zum Rheinbund gehörende Staaten verteilt. Es handelt sich um die Großherzogtümer Berg und Hessen-Darmstadt, das Königreich Westphalen, das Fürstentum Salm und das Herzogtum Arenberg.
 
 

Januar 27

 Politisch-rechtliche Emanzipation der Juden
Die französische Kirchenpolitik in den Vasallenstaaten und den Frankreich seit 1810 direkt angegliederten Gebieten beruht auf dem Prinzip der Gleichberechtigung aller Konfessionen. Im November 1807 wird den 15.000 im Königreich Westphalen lebenden Juden die politisch-rechtliche Gleichstellung mit anderen Staatsangehörigen zugesichert. Am 27.01.1808 verkündet die Regierung ein  Emanzipationsdekret.
Im Großherzogtum Berg bleibt es lediglich bei Versprechungen, während in den Frankreich direkt angegliederten Teilen Westfalens die Zeit zur Durchsetzung der 1811 eingeführten französischen Emanzipationsgesetzgebung zu kurz ist. Die den Juden gegenüber reaktionäre Politik Preußens nach 1815 lässt die Zugeständnisse während der Zeit der rheinbündischen Reformen als Episode erscheinen, sodass es im Gesamtstaat für die jüdische Bevölkerung unterschiedliche Rechtsräume gibt.
 
 

August 5

 Einführung der Gewerbefreiheit im Königreich Westphalen
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ist das Handwerk in Zünften organisiert. Unter französischer Herrschaft werden die althergebrachten Gewerbeverfassungen in den westfälischen Territorien modifiziert bzw. beseitigt.
Am 05.08.1808 wird die "Gewerbefreiheit" im Königreich Westphalen konstituiert. Die einzige Bedingung für die Ausübung einer selbständigen beruflichen Tätigkeit stellt nach französischem Vorbild die sogenannte Patentsteuer dar. Durch das freie Niederlassungsrecht für alle Einwohner innerhalb des Königreichs ist die Möglichkeit zur Gründung von Gewerbebetrieben nicht mehr durch die Städte eingeschränkt. Im Jahr 1810 werden alle gewerblichen Korporationen aufgelöst.
 
 

1809

 

 Aufhebung geistlicher Institutionen
 Napoleon (1769-1821) betreibt auf der Basis genereller Aufhebungsdekrete, z. B. des  Dekrets vom 13.05.1809, die Auflösung der verbliebenen geistlichen Institutionen aus steuerpolitischen Gründen. In einer zweiten Säkularisationswelle werden alle noch bestehenden Stifte und Klöster aufgelöst. In den meisten Fällen wird das Kirchengut zur Deckung des staatlichen Geldbedarfs an Adlige oder dem Bürgertum angehörende Personen veräußert.
So werden im Jahr 1809 die drei Frauenklöster Rosental, Hofringe und Rheine sowie die Georgskommende des Deutschen Ordens im Großherzogtum Berg säkularisiert. Die Konsequenzen der Eigentumsumschichtung sind in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht nicht besonders schwerwiegend, da sich für die in grundherrlicher Abhängigkeit stehenden Bauern zunächst nur der Adressat seiner Abgaben ändert.
 
 

November 5

 Bauernbefreiung im hessen-darmstädtischen Herzogtum Westfalen
Im hessen-darmstädtischen Herzogtum Westfalen gibt es sowohl die persönlich unfreien und von einem Leibherrn abhängigen (Eigenbehörige) als auch die leibfreien Bauern. Beide Gruppierungen sind zu grundherrschaftlichen Diensten und Abgaben verpflichtet. Wie in anderen westfälischen Landesteilen während der napoleonischen Zeit wird auch im Herzogtum Westfalen in einem  Edikt vom 05.11.1809 die Eigenbehörigkeit für nichtig erklärt und eine Grundrente statt der bäuerlichen Dienste und Abgaben eingeführt. Zwar besteht die Möglichkeit, sich von der jährlich anfallenden Pacht freizukaufen, allerdings fehlen den meisten Bauern hierzu die finanziellen Mittel. Im Falle der Grundrentenablösung kommt es häufig zu einer enormen Verschuldung, die wiederum in neuer Abhängigkeit mündet.
Im selben Jahr wird die Erlaubnis zur Teilung eines Hofes auf mehrere Erben erteilt. Vorher gilt das Anerbenrecht, dass aus wirtschaftlichen Erwägungen in der Regel den ältesten Sohn zum alleinigen Nachfolger des Vaters bestimmt. Die Wandlung der bäuerlichen Rechtsverhältnisse ist im Herzogtum Westfalen die bedeutendste Reform während der Rheinbundzeit.
 
 

1810

Dezember 13

 Vergrößerung des französischen Staatsgebiets
Im Rahmen des napoleonischen Wirtschaftskrieges gegen England wird am 13.12.1810 aufgrund eines französischen Senatsbeschlusses die deutsche Nordseeküste nördlich der Linie Wesel-Münster-Minden-Lauenburg zu Frankreich geschlagen. Diese Maßnahme dient dem Zweck, die Einfuhr englischer Waren zu unterbinden.
Die neue Grenzlinie teilt das ehemalige Fürstbistum Münster und die Territorien Minden-Ravensberg. Das Fürstentum Salm und das Herzogtum Arenberg werden mediatisiert. Das zu Westfalen zählende Gebiet ist auf das Kaiserreich Frankreich, das Königreich Westphalen, die Großherzogtümer Berg und Hessen-Darmstadt verteilt. Das Fürstentum Lippe behält seine immediate Stellung.
 
 

1813

November

 Anfänge der Verfassungsbewegung Westfalens in der Grafschaft Mark
Im Jahr 1810 gibt König  Friedrich Wilhelm III. (reg. 1797-1840) erstmals ein Versprechen ab, eine Verfassung zu erlassen und eine Volksvertretung auf gesamtstaatlicher Ebene einzurichten. Jedoch lösen weder er noch sein Nachfolger  Friedrich Wilhelm IV. (reg. 1840-1861) es ein. Demgegenüber werden in fast allen deutschen Staaten auf der Basis von Art. XIII der  Deutschen Bundesakte vom 08.06.1815 Konstitutionen verkündet.
In den preußischen Westprovinzen Rheinland und Westfalen bildet sich früh eine Verfassungsbewegung. Die Bandbreite der Forderungen reicht von altständischen Entwürfen bis zu liberalen Vorstellungen. Bereits im November 1813 drängen in der Grafschaft Mark Mitglieder des Adels auf die Restitution der alten Landstände. Im Gegensatz hierzu stehen liberale Forderungen, wie der "Entwurf einer Landes-Grundverfassung" des Dortmunders  Dr. Arnold Mallinckrodt (1768-1825) vom 06.08.1814. In seinem Verfassungsentwurf fordert er u. a. die Gleichheit aller vor dem Gesetz, das Selbstversammlungsrecht und die Gesetzesinitiative für den Landtag, die Ministerverantwortlichkeit und die Unterordnung des Fürsten und der Verwaltung unter die Rechtsprechung.
 
 

November 19

 Konstituierung des Militär- bzw. Zivilgouvernements in Münster
Infolge des Zusammenbruchs der französischen Herrschaft auf deutschem Boden nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 wird auch Westfalen einer administrativen Neuordnung unterzogen.
Am  19.11.1813 gründet Preußen für seine ehemaligen Besitzungen zwischen Weser und Rhein einschließlich Ostfriesland ein Militär- bzw. Zivilgouvernement mit Sitz in Münster. Diesem sind Regierungskommissionen in Münster, Minden, Bielefeld, Paderborn und die Landesdirektion Dortmund untergeordnet. Seine Leitung übernimmt Generalmajor  Levin Karl von Heister (1757-1816) als Militärgouverneur und  Ludwig Vincke (1774-1844) als Zivilgouverneur. Als gemeinsamen Amtssitz beziehen sie das münstersche Schloss am Neuplatz. Vorrangige Aufgabe ist zunächst die Aushebung von Soldaten im Rahmen des Befreiungskrieges. Innerhalb kurzer Zeit werden auch die im preußischen Gebiet liegenden Territorien dem Zivilgouvernement zugeordnet.
 
 

Dezember 3

 Mediatisierung der im preußischen Gebiet liegenden Enklaven
Die französische Niederlage während der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 hat die Räumung Deutschlands zur Folge. Auch Westfalen wird daraufhin zum Ort politischer und administrativer Veränderungen.
Die im preußischen Gebiet liegenden unabhängigen Territorien werden dem Gouvernement unter  Ludwig Vincke (1774-1844) unterstellt. Es handelt sich um die Gebiete der Häuser Salm, Croy, Looz-Corswarem, Arenberg, außerdem um Dortmund und Corvey und die Grafschaften Steinfurt, Rietberg, Limburg und die Herrschaft Rheda. Bereits am 03.12.1813 gibt der  Freiherr vom Stein (1757-1831) als Leiter des Zentralverwaltungsrats Vincke den Auftrag, die vorläufige Verwaltung der Enklaven zu übernehmen. Trotz des Widerstands der meisten Territorialherren ist die Mediatisierung ihrer Länder beschlossene Sache. Sie findet in den entsprechenden Bestimmungen der  Wiener Schlussakte vom 09.06.1815 ihren Abschluss.
 
 

1815

 

 Einführung der preußischen Gewerbeverfassung in Westfalen
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ist das Handwerk in Westfalen vorwiegend in Zünften organisiert. Nach der Gründung der Provinz Westfalen im Jahre 1815 wird die bereits 1810 beziehungsweise 1811 reformierte preußische Gewerbeverfassung eingeführt. Ständische und andere Beschränkungen haben keine Geltung mehr. Jeder männlichen Person ist die Ausübung einer selbständigen beruflichen Tätigkeit erlaubt. Das Konkurrenzprinzip ist von nun an unter den Handwerksbetrieben vorherrschend.
Allerdings macht sich bald großer Widerstand gegen die Gewerbefreiheit bemerkbar, da sie als Ursache für wirtschaftliche Probleme des Kleingewerbes betrachtet wird. Vor dem Hintergrund der Bekämpfung der unter Handwerksgesellen in den vierziger Jahren verbreiteten frühsozialistischen Ideen werden in der endgültigen Fassung der Gewerbeordnung von 1845 Maßnahmen zur Reglementierung von Lehrlingen und Gesellen erlassen. U. a. werden Meisterprüfungen wieder eingeführt und die Kompetenzen der Innungen erweitert.
 
 

Januar 1

 Einführung des Allgemeinen Landrechts von 1794 in Westfalen
Das durch ein Patent vom 09.09.1814 mit Wirkung vom 01.01.1815 in Kraft gesetzte Allgemeine Landrecht (ALR) hat zunächst nur in den bis 1806 bzw. 1807 zu Preußen gehörenden Landesteilen Westfalens offizielle Geltung. Allerdings wird es auch in den durch den Wiener Kongress 1815 an das Königreich gefallenen westfälischen Gebieten angewandt, bis es hier am 25.03.1818 Gesetzeskraft erhält.
Es ersetzt den französischen  Code civil, der bis dahin im Großherzogtum Berg und im Königreich Westphalen als primäre Rechtsquelle Geltung besitzt. In den früheren Gebieten des Herzogtums Westfalen, des Fürstentums Siegen und der Grafschaften Wittgenstein-Berleburg und Wittgenstein-Hohenstein hat der Code Civil hingegen beim Übergang an Preußen 1816 keine Geltung. In diesen Territorien tritt das ALR durch ein  Patent vom 21.06.1825 mit Wirkung vom 01.12.1825 in Kraft.
 
 

April 30

 Gründung der Provinz Westfalen
Am 30.04.1815 wird die königliche  "Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden" erlassen. Sie ist die Basis für die Errichtung der Provinz Westfalen, die eine von insgesamt zehn preußischen Provinzen darstellt.
Sowohl bei ihrer Konstituierung als auch bei ihrer Unterteilung in Bezirke finden die zur Zeit des Ancien Régime geltenden Grenzen Berücksichtigung. Die Provinz Westfalen ist in die drei Regierungsbezirke Münster, Minden und (ab 1816) Arnsberg geteilt. Die früheren Kammern werden durch Regierungen ersetzt. Sie nehmen ihre Tätigkeit am 01.08.1816 auf. Bereits am 25.05.1815 übernimmt  Ludwig Vincke (1774-1844) als erster Oberpräsident die Leitung der Provinz Westfalen. Er ist auch Chefpräsident der Regierung in Münster.
 
 

Juni 9

 Gebietsveränderungen auf der Basis der Wiener Kongressakte
Am 09.06.1815 wird die  Wiener Kongressakte von den Bevollmächtigten der über Frankreich siegreichen Mächte ratifiziert. Sie regelt die territorialen Veränderungen in Deutschland und somit auch in Westfalen.
Neben den schon 1806 im seinem Besitz befindlichen Gebieten und den innerhalb dieses Komplexes liegenden Enklaven erhält Preußen in Westfalen den westlichen Teil des Oberstifts Münster, die hannoversche Exklave Reckenberg mit Wiedenbrück, das Vest Recklinghausen, das ehemals oranische Siegerland, das Herzogtum Westfalen (ab 1816) mit den Grafschaften Wittgenstein-Berleburg und Wittgenstein-Hohenburg sowie das Fürstentum Corvey, die Herrschaft Rheda, die Grafschaften Rietberg und Limburg und die Reichsstadt Dortmund. Das gesamte mittlere und südliche Westfalen bildet somit einen preußischen Länderkomplex. Eigenständig bleibt das Fürstentum Lippe.
 
 

Juni 21

 Preußische Besitzergreifung
Am 21.06.1815 erlässt König  Friedrich Wilhelm III. (reg. 1797-1840) ein  Patent, in dem er die alten und neu erworbenen Territorien in Westfalen in Besitz nimmt.
Am 18.10.1815 legen Abgeordnete in Münster gegliedert nach den früher bestehenden Ständen den Eid auf den König ab. Die meisten Repräsentanten der mediatisierten Territorien nehmen an dem Akt nicht teil. Es handelt sich um die letzte Demonstration der einstigen territorialen und religiösen Vielgestaltigkeit Westfalens während des Ancien Régime. Gleichzeitig wird aber die Zusammengehörigkeit innerhalb der Provinz Westfalen angezeigt, in die nun auch die altpreußischen Gebiete wie z. B. die Mark aufgenommen werden. Die von den Zeitgenossen als geschichtliche Zäsur empfundenen Ereignisse finden ihren Niederschlag in einem Bericht aus dem Jahre 1816, in dem die Huldigung als "Westphalens Wiedergeburt" bezeichnet wird.