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Holzstatue (Fragment) des Kölner Erzbischofs Engelbert I., ermordet 1225, in liturgischen Gewändern, mit Brustwunde (vermutlich vormals mit Schwert), aus der abgebrochenen Kirche des noch vor 1235 an der Stätte seiner Ermordung gegründeten Zisterziensernonnenklosters Gevelsberg, wo die Figur in einem Seitenschiff gestanden haben soll. / Foto: Münster, LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte






Wolfgang Bockhorst

7. November 1225 -
Tod auf dem Hohlweg
Die Ermordung des Erzbischofs Engelbert von Köln

Der Anger dampft, es kocht die Ruhr,
Im scharfen Ost die Halme pfeifen,
Da trabt es sachte durch die Flur,
Da taucht es auf wie Nebelstreifen,
Da nieder rauscht es in den Fluß,
Und stemmend gen der Wellen Guß
Es fliegt der Bug, die Hufe greifen.
 
 
Mit dieser höchst dramatischen Einstimmung beschreibt Annette von Droste-Hülshoff in ihrer Ballade "Der Tod des Erzbischofs Engelbert von Cöln“, die sie selbst als eine ihrer besten Arbeiten ansah, ein historisches Ereignis, das in der Tat nicht nur die Zeitgenossen erschütterte und aufwühlte, sondern Wirkungen bis in die Gegenwart hat.
Am 07.11.1225 überfiel Graf Friedrich von Isenberg bzw. von Altena mit seinen Leuten seinen Onkel zweiten Grades Erzbischof Engelbert von Köln bei Gevelsberg und erschlug den Kirchenfürsten. Engelbert befand sich auf dem Weg von Soest, wo er Angelegenheiten seines westfälischen Herzogtums geordnet hatte und auch mit seinem Neffen zusammen getroffen war, in seine Kathedralstadt Köln.

Der Konflikt zwischen beiden Personen hatte sich an der Vogtei über das Reichsstift Essen entzündet. Das hochadelige Damenstift Essen verfügte über reichen Besitz im Rheinland und Westfalen und nahm aufgrund seiner engen Verbindung zum Königtum im Reich eine Vorzugsstellung ein. Die Vogtei, die den Schutz des Stiftes und seine Vertretung in weltlichen Angelegenheiten umfasste, war seit dem 12. Jahrhundert in den Händen der Grafen von Berg und Altena, seit 1209 des Isenbergers. Verbunden mit der Vogtei waren beträchtliche Einkünfte, wie eine Liste auf Pergament ausweist, die Graf Friedrich kurz vor 1225 zur Sicherung seiner Ansprüche hatte aufzeichnen lassen. Kein Zweifel, diese Vogtei war ein besonders wertvoller Besitz, auf den sein Inhaber nicht verzichten konnte und wollte.
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Holzstatue (Fragment) des Kölner Erzbischofs Engelbert I. in liturgischen Gewändern mit Brustwunde (vermutlich vormals mit Schwert) aus der abgebrochenen Kirche des noch vor 1235 an der Stätte seiner Ermordung gegründeten Zisterziensernonnenklosters Gevelsberg, wo die Figur in einem Seitenschiff gestanden haben soll.


Die Ballade im Wortlaut
 
 
Genau dieses hatte aber Erzbischof Engelbert von ihm verlangt. Gestützt auf Klagen, die die Essener Stiftsdamen wegen übermäßiger Bedrückung durch den Vogt bei Papst und Kaiser vorgebracht hatten, und versehen mit Anweisungen des Papstes, wenn nötig mit Kirchenstrafen gegen solche Vögte vorzugehen, die die ihnen anvertrauten geistlichen Anstalten ihrer Einkünfte beraubten, hatte er auch von seinem Neffen die Aufgabe der Vogtei oder zumindest doch eine deutliche Reduzierung seiner Ansprüche gefordert und damit dessen erbitterten Widerstand entzündet. Nicht ganz sicher ist, ob Engelbert die Vogtei damals in seine eigenen Hände bzw. an das Erzstift Köln bringen wollte. Seine Nachfolger haben dieses Ziel jedenfalls jahrzehntelang hartnäckig verfolgt.

Wie in diesem Fall, so verstand es der politisch außerordentlich befähigte Erzbischof auch in anderen Fällen meisterhaft, persönliche Interessen mit kirchlichen zu verknüpfen und zu bemänteln. Da aber, wo er seine Interessen durch Verhandlungen nicht durchsetzen konnte, scheute er sich nicht, zu gewaltsamen Mitteln zu greifen.


Engelbert, ein Heiliger?

Engelbert wurde um 1185 als Sohn des Grafen Engelbert von Berg geboren und als nachgeborener Sohn für die geistliche Laufbahn bestimmt. Wie viele seiner geistlichen Verwandten häufte er schon in früher Jugend geistliche Pfründen an, um dann das Bischofsamt zu erlangen. 1216 wurde er als Nachfolger seines Vetters Adolf zum Erzbischof von Köln erwählt und 1217 geweiht. Als Erzbischof von Köln war Engelbert zugleich Herzog in Westfalen, geistlicher Oberhirte und weltlicher Fürst. Gerade als Herzog hat Engelbert machtvoll und nachhaltig gewirkt, indem er Städte gründete und alles tat, um die Oberherrschaft innerhalb seines Sprengels zu behaupten. Sein Machtstreben zeigte sich deutlich 1218, als er nach dem Tod seines älteren Bruders Adolf die Grafschaft Berg an sich riss, obwohl Adolf eine Erbtochter hinterlassen hatte. Rücksichtslos ging er gegen die benachbarten Großen vor, die sich seiner Territorialpolitik unterzuordnen hatten.

Da allerdings, wo es ihm nützlich schien, förderte er die eigene Familie und verschaffte seinen zahlreichen Neffen, den Brüdern seines künftigen Mörders, die Bistümer Münster und Osnabrück und andere aussichtsreiche geistliche Positionen.

Als Engelbert 1220 von Kaiser Friedrich II. zum Vormund für dessen Sohn Heinrich und zum Reichsverweser bestellt wurde, war er auf dem Höhepunkt seiner Macht. Nach der Krönung Heinrichs zum deutschen König in Aachen 1222 setzte ihm Walter von der Vogelweide ein literarisches Denkmal, in dem er den treuen Königspfleger feierte und ihn als Fürstenmeister bezeichnete. Im Nordwesten des Reiches kam ihm in der Tat keiner gleich, und er setzte die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu seinen Gunsten konsequent ein. Wer sich ihm beugen musste, wurde sein Gegner und zahlreich waren schließlich seine Gegner, die sich seiner Gängelung befreit sein wollten und seinen Fall herbeiwünschten.

Caesarius von Heisterbach, der auf Anweisung von Heinrich von Mülenark, Engelberts Nachfolger als Erzbischof von Köln, nicht lange nach der furchtbaren Tat eine Hagiographie schrieb, die als Grundlage für eine Heiligsprechung des Erschlagenen dienen sollte, hatte bei der Abfassung der Lebensbeschreibung große Schwierigkeiten, den allseits bekannten harten Charakter des Erzbischofs und sein machtbewusstes Handeln mit dem Leben eines Heiligen in Einklang zu bringen. Zwar kann er die persönliche Frömmigkeit Engelberts hervorheben, vermag aber nicht zu verschweigen, dass Engelbert gleichzeitig mit dem geistlichen Schwert des Bischofsamtes und dem weltlichen Schwert der Herzogsgewalt kämpfte, und stärker den weltlichen Geschäften als den geistlichen Werken zugetan war. Caesarius erzählt, dass einer der Heisterbacher Mönche dem Erzbischof vorgeworfen habe: "Herr, ihr seid zwar ein guter Herzog, aber kein guter Bischof!“ Nur das grausame Ende, das von Caesarius als Martyrium bewertet wird, konnte dem Ermordeten Paradies und Heiligkeit sichern.

Allerdings ist Engelbert niemals offiziell zur Ehre der Altäre erhoben worden, sondern wurde erst ab 1618 im Erzbistum Köln als Heiliger verehrt.


Die Ermordung

Kurz nach Allerheiligen 1225 hatte sich der Erzbischof mit seinem Neffen Friedrich von Isenberg in Soest getroffen, um mit ihm über die Essener Vogtei zu verhandeln. Als sich nach dreitägigen Diskussionen kein Ergebnis abzeichnete, vertagte man das Problem auf den 10.11. in Köln. Friedrich muss klar geworden sein, dass sein Onkel ihm dann mit unerbittlicher Härte seine Position aufnötigen würde und scheint zunächst vorgehabt zu haben, Engelbert als Gefangenen in seine Gewalt zu bringen. Hierzu bot sich ein Hohlweg bei Gevelsberg an, den Engelbert am Abend des 07.11. auf dem Weg zur Nachtstation in Schwelm erreichte. Eingekesselt von Leuten des Isenbergers hatte der Erzbischof keine Chance zu entkommen. In seiner Vita verarbeitete Caesarius von Heisterbach Augenzeugenberichte der nun folgenden Tat, bei der sich die Leute des Isenbergers offenbar in einen Blutrausch steigerten.

Danach zerrte Herenbert, ein Gefolgsmann des Isenbergers, den Erzbischof vom Pferd, der sich verfolgt von jenem in das benachbarte Gebüsch flüchtete. Der Graf soll, als er das Geschrei im Gebüsch hörte, herbeigeeilt sein und ausgerufen haben: "Ergreift und haltet ihn! Der Mann wird uns jetzt zu mächtig.“ Der Erzbischof flehte um Gnade und sagte: "Heiliger Petrus, was für eine Schuld schieben mir denn diese Menschen zu?" Darauf antwortete Friedrich wütend: "Tötet den Räuber, tötet ihn, der die Adeligen enterbt und keinen schont!“ Da bemerkte Giselher (ein anderer Gefolgsmann des Grafen), dass Herenbert dessen Mantel festhielt. Er stieg eilends vom Pferd, stürzte wütend hinter ihnen her und verwundete den Erzbischof zuerst am Kopf; mit dem zweiten Schlag, zu dem er dann ausholte, schlug er ihm, glaube ich, die Hand ab. Derselbe Giselher durchbohrte seinen Körper auch noch mit dem Schwert. Nun kamen noch weitere Leute des Grafen hinzu und brachten ihm schwere Wunden bei. Caesarius berichtet, dass bei einer späteren Untersuchung der Leiche 47 Wunden gezählt wurden.

Als 1979 die Gebeine Engelberts einer gerichtsmedizinischen Untersuchung unterzogen wurden, konnten Knochenverletzungen stumpfer und scharfer Gewalteinwirkung durch etwa 40-50 Einhiebe und Stiche nachgeweisen werden, womit der Bericht des Caesarius als wahrheitsgemäß erwiesen ist.


Bestrafung des Täters und Folgen

Ungeheuer war das Aufsehen, dass diese Tat hervorrief. Walter von der Vogelweide dichtete auf den Tod Engelberts:
Wessen Leben ich lobe, dessen Tod will ich immer beklagen!
Weh ihm, der den ehrwürdigen Fürsten von Köln hat erschlagen!
Wehe, dass ihn die Erde tragen will!
Ich kann keine seinem Verbrechen entsprechende Marter finden:
Für ihn wäre ein Eichenstrang um seinen Hals zu mild;
Ich will ihn auch nicht brennen, noch vierteilen, noch schinden,
nicht mit dem Rad zerbrechen, noch ihn darauf binden.
Ich warte, ob die Hölle ihn nicht lebend verschlingen will.

Engelberts Nachfolger Heinrich von Mülenark, der schon am 15.11.1225 zum Erzbischof erwählt worden war, schwur nach seiner Wahl, den Tod Engelberts rächen zu wollen, und zog sofort nach Frankfurt am Main zum König, dem er den mitgeführten Leichnam vorführte. Der König ächtete den Isenberger und seine Mittäter. Seine Burg Isenberg wurde geschleift, seine Frau und Kinder vertrieben. Seine Brüder Dietrich und Engelbert, die Bischöfe von Münster und Osnabrück, die man für Mitwisser der ruchlosen Tat hielt, wurden ihrer Ämter entsetzt. Über weitere verdächtige Adlige wie den Grafen Otto von Tecklenburg wurde der Bann verhängt.

Friedrich von Isenberg selbst, auf dessen Kopf der Kölner Erzbischof einen hohen Preis ausgesetzt hatte, zog nach Rom, um vom Papst Verzeihung für seine Tat zu erhalten - wobei unklar bleibt, ob er sie erlangen konnte bzw. welche Kirchenstrafe gegen ihn verhängt wurde.
Im Herbst 1226 war Friedrich wieder in Deutschland, wo er sich anscheinend zu seinem Schwager, dem Herzog von Limburg, begeben wollte. In Lüttich wurde er erkannt und festgenommen und an den Kölner Erzbischof ausgeliefert. Genau ein Jahr, nachdem die Leiche des erschlagenen Erzbischofs nach Köln gebracht worden war, wurde am 10.11.1226 sein Mörder in die Stadt geführt.

In Köln vollzog sich nun nach dem Bericht des Caesarius von Heisterbach am 13.11.1226 der letzte Akt dieses Dramas. Außerhalb der Stadt hatte man vor dem Severinstor eine Steinsäule errichtet, die von einem Wagenrad gekrönt war. Auf das Rad zog man Friedrich mit Seilen, nachdem man ihm vorher auf der Erde Arme und Beine mit dem Beil zerschlagen hatte. Er lebte dann noch bis zur Mette und soll gebetet und die Umstehenden um Fürbitte für sich angefleht haben. Der Isenberger war also auf das Rad geflochten worden und hatte damit eine der grausamsten Todesstrafen erleiden müssen.

Seine Frau Sophie aus dem Limburger Herzogshaus folgte ihm nur wenig später ins Grab. Friedrichs Kindern rettete der Onkel, Herzog Heinrich von Limburg, aus den Trümmern der Grafschaft Isenberg die kleine Grafschaft Hohenlimburg an der Lenne, während Friedrichs Vetter Adolf von Altena den Hauptteil der Isenbergschen Rechte und Besitzungen an sich bringen konnte und damit die Grundlagen für die Grafschaft Mark, das wichtigste weltliche Territorium Westfalens, legte. Friedrichs Tat hat damit die westfälische Territorialgeschichte nachhaltig geprägt und beeinflusst. Die Vogtei Essen, um die es gegangen war, gelangte für die nächsten Jahrzehnte unter Kölner Einfluss.

Annette von Droste-Hülshoff fand für den Schlussakt folgende Verse:
Zu Cöln am Rheine kniet ein Weib
Am Rabensteine unter’m Rade,
Und über’m Rade liegt ein Leib,
An dem sich weiden Kräh’und Made;
Zerbrochen ist sein Wappenschild,
Mit Trümmern seine Burg gefüllt,
Die Seele steht bei Gottes Gnade.
 
 
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Literatur
  • Caesarius von Heisterbach, Leben, Leiden und Wunder des heiligen Erzbischofs Engelbert von Köln, übersetzt von Karl Langosch, hg. v. Fritz Zschaeck. In: Alfons Hilka (Hg.), Die Wundergeschichten des Caesarius von Heisterbach, Bd. 3, Bonn 1937, S. 223-328
  • Walther von der Vogelweide, Friede und Recht. Auswahl aus seinen politischen Dichtungen, Berlin 1962
  • Josef Lothmann, Erzbischof Engelbert I. von Köln (1216-1225). Graf von Berg, Erzbischof und Reichsverweser, Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins, Bd. 38, Köln 1993
  • Wilhelm Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter, Teil 1, Köln 1995