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Regina Immel
26. Juni 1875 -
Die Gründung des ersten westfälischen Zoologischen Gartens in Münster
Unter den Klängen von "Heil dir im Siegerkranz" und mit dem Aufzug münsterscher Prominenz wurde der "Westfälische Zoologische Garten" in Münster am 26.06.1875 eröffnet. Initiator dieses ersten Zoos in Westfalen war der Naturwissenschaftler, Theologe und Schriftsteller Hermann Landois. Mit der Absicht, sich um den Schutz der Westfälischen Vogelwelt zu bemühen, gründete er 1871 den Westfälischen Verein für Vogelschutz, Geflügel- und Singvögelzucht, aus dessen Geflügelausstellungen sich bald ein beliebter Vogelpark entwickelte. Um Platz zu schaffen, kaufte Landois im Februar 1874 die so genannte "Insel" zwischen der Himmelreichallee und der Aa, auf der vier Jahre später der Westfälische Zoologische Garten Platz fand. Er sollte fast 60 Jahre lang der einzige Tiergarten in Westfalen bleiben, bis in den 1930er Jahren die Zoos in Recklinghausen, Bochum und Hamm eröffnet wurden.
Hermann Landois -
Zoogründer, katholischer Priester und Anhänger Darwins
Die Organisation übernahm der Verein für Vogelschutz, der sich 1921 in den Westfälischen Zoologischen Garten e.V. umbenannte. Da die Deckungsmittel aus Eintrittsgeldern und Mitgliedsbeiträgen des Vereins nicht ausreichten, gründete Landois zur Finanzierung seines Zoos eine Aktiengesellschaft. Außerdem rief er eine Skatrunde ins Leben, die mit offenen Karten spielend 300 bis 400 Mark zusammenbrachte. Aus dieser Skatrunde ging 1881 die Abendgesellschaft Zoologischer Garten hervor, die bis heute zu Gunsten des Zoos plattdeutsche Stücke aufführt.
Wie schon damals wird der Zoo in Münster auch heute noch stark mit seinem Gründer Professor Dr. Hermann Landois (1835-1905) identifiziert. Bereits zu Lebzeiten eine der bekanntesten Persönlichkeiten Münsters, gilt er als ein anerkannter Naturwissenschaftler, einfallsreicher Heimatdichter, aber auch als ein "schräger" Kopf, der mit seinen öffentlichen Auftritten stets Anlässe zum Staunen bot. So gründete er einen Anti-Katzenverein, bezeichnete sich selbst als "Graf Tucks" und hatte einen alkoholsüchtigen Affen als treuen Begleiter. Obwohl studierter Theologe und bis 1876 Priester, promovierte er 1863 in Zoologie und verteidigte in seinen Vorträgen die Abstammungslehre Darwins, weswegen er seines Priesteramtes enthoben wurde.
Der Westfälische Zoologische Garten in Münster fiel nach Berlin (1844), Frankfurt (1858), Köln (1860) und Hamburg (1863) in die zweite Welle der Gründung zoologischer Gärten in Deutschland. Auch sie entsprangen der Initiative des Bildungsbürgertums. Im Sinne des Weltverständnisses der Aufklärung bestand ihr Ziel darin, die naturkundlichen Erkenntnisse allen interessierten Bürgern zugänglich zu machen und die Wissenschaft zu fördern. Während Tiere vorher üblicherweise als Haus- und Nutztiere oder zu Jagdzwecken gehalten wurden, entstanden ab dem Zeitalter der Entdeckungen Mitte des 15. Jahrhunderts fürstliche Menagerien, in denen Tiere aus fremden Ländern als exotische und für sammelnswert gehaltene Objekte einem ausgewählten Publikum gezeigt wurden. Nach der Französischen Revolution realisierte man im Pariser Jardin des Plantes entsprechend den neuen gesellschaftspolitischen Vorstellungen zum ersten Mal die Idee, dass ein Tiergarten allen Bürgern zugänglich sein soll.
Auch der Westfälische Tiergarten sollte nach den Worten seines Gründers alle Interessierten über die einheimische Tier- und Vogelwelt Westfalens informieren. Es waren jedoch die mit Sammelehrgeiz gepaarte Neugier sowie die Lust am Exotischen, und weniger der zoologisch-wissenschaftliche Anspruch, welche die Besucher in die Zoologischen Gärten trieb. Dabei spielten die "kolonialen Bestrebungen", wie Landois es formulierte, eine gewichtige Rolle: "Ein jeder unterrichtet sich gern über das Leben und Treiben der außereuropäischen Länder und Völkerschaften", schrieb er in der Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Zoologischen Gartens. Mit der vollständigen kolonialen Erschließung der Welt, entstanden professionelle Firmen, die sich dem Fang und Verkauf von fremdländischen Tieren einen Namen machten, was die Tierbeschaffung erheblich erleichterte. Die Zoos konkurrierten um möglichst seltene und "publikumswirksame" Tiere. So musste auch der Tiergarten in Münster der Schaulust am Exotischen nachgeben: 1876 wurde das erste Affenhaus errichtet, ein Jahr später kamen Papageien hinzu, 1900 gelangte der erste Elefant nach Münster, und bis zum Tode Landois' 1905 hatten dann auch Löwen, Tiger und Robben ihren Weg in den münsterschen Zoo gefunden.
Um eine Tierwelt aus fernen exotischen Ländern präsentieren zu können, hielten die Veranstalter es für notwendig, dieser auch eine entsprechende architektonische Gestaltung zu geben. Tiere wurden in orientalischen Tempeln und stilvollen Miniburgen gezeigt. 1898 entstand in Münster das Elefantenhaus im Stil einer Moschee, das ebenso wie das 1902 errichtete, asiatisch anmutende Kamelhaus im Volksmund als "das schönste der ganzen Welt galt". Dass die beiden Bauten von ihrer Architektur und Ornamentik her überhaupt nicht zu dem Herkunftsland der Tiere passten, störte indes niemanden. Heute erinnert nur noch die 2005 restaurierte Eulenburg an die Architektur des Alten Zoos.
Wie die anderen Zoodirektoren am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts, versuchte auch Landois, den finanziellen Engpässen durch zusätzliche Attraktionen wie Konzerte, Bälle, Fachvorträge und Sportveranstaltungen, die auf dem Gelände des Zoos stattfanden, zu entgehen. Besonders die sog. "Völkerschauen", die aus den Heimatländern der Zootiere stammenden "Wilden" mit Folklore und Kulthandlungen zeigten, sowie zirkusartige Vorführungen dressierter Tiere hatten großen Erfolg und trugen zur Attraktivität der Zoos bei. In Käfigen angekettete "Wilde Bestien" und "Primitive Völker" zu sehen, verband sich durchaus mit dem kolonialen Willen zur Beherrschung und vermittelte den Besuchern das Gefühl einer höheren Kulturstufe anzugehören. Genauso wie beim Anblick der wilden Tiere war es das Nebeneinander von Anziehung und Abstoßung, das die Faszination der Zoos in Verbindung mit den Völkerschauen auslöste. Zoos wurden so zu beliebten Orten der Öffentlichkeit, die neben Erholung und Amüsement den Reiz des Außergewöhnlichen und den Rausch der Exotik boten.
Als münstersches Original verstand es Landois in besonderem Maße, mit - man würde heute sagen - PR-Aktionen immer wieder auf seinen Zoologischen Garten aufmerksam zu machen und die Sensationslust seiner Zeitgenossen zu befriedigen. Er stellte im Zoo das (angebliche) Bügeleisen des Täuferkönigs Jahn von Leiden oder die Nachbildungen der Täuferkäfige aus, die er freilich als Originale ausgab. Daneben veranstaltete er Festessen, bei denen er schon mal "800 Paar Froschschenkel", "Krokodilfleisch" oder vielleicht auch "Bärentatzen" von der im Zoo kürzlich verstorbenen Bärin servierte, was jedoch bis heute unbewiesen bleiben muss. Zum 25-jährigen Jubiläum enthüllte Landois sein eigenes Denkmal in dessen Hut sich eine Art Nistkasten für Vögel befindet und das heute noch am Zooeingang - nun des neuen Zoos - zu sehen ist. Aus dem Erlös der hohen Eintrittsgelder für solche Aktionen wurden Gehege oder Einkauf neuer Tiere finanziert. Bis zum Ersten Weltkrieg entwickelte sich der Alte Zoo zu einem beliebten Ort des Lustwandelns und der Zerstreuung.
Wie schon damals wird der Zoo in Münster auch heute noch stark mit seinem Gründer Professor Dr. Hermann Landois (1835-1905) identifiziert. Bereits zu Lebzeiten eine der bekanntesten Persönlichkeiten Münsters, gilt er als ein anerkannter Naturwissenschaftler, einfallsreicher Heimatdichter, aber auch als ein "schräger" Kopf, der mit seinen öffentlichen Auftritten stets Anlässe zum Staunen bot. So gründete er einen Anti-Katzenverein, bezeichnete sich selbst als "Graf Tucks" und hatte einen alkoholsüchtigen Affen als treuen Begleiter. Obwohl studierter Theologe und bis 1876 Priester, promovierte er 1863 in Zoologie und verteidigte in seinen Vorträgen die Abstammungslehre Darwins, weswegen er seines Priesteramtes enthoben wurde.
Der Westfälische Zoologische Garten in Münster fiel nach Berlin (1844), Frankfurt (1858), Köln (1860) und Hamburg (1863) in die zweite Welle der Gründung zoologischer Gärten in Deutschland. Auch sie entsprangen der Initiative des Bildungsbürgertums. Im Sinne des Weltverständnisses der Aufklärung bestand ihr Ziel darin, die naturkundlichen Erkenntnisse allen interessierten Bürgern zugänglich zu machen und die Wissenschaft zu fördern. Während Tiere vorher üblicherweise als Haus- und Nutztiere oder zu Jagdzwecken gehalten wurden, entstanden ab dem Zeitalter der Entdeckungen Mitte des 15. Jahrhunderts fürstliche Menagerien, in denen Tiere aus fremden Ländern als exotische und für sammelnswert gehaltene Objekte einem ausgewählten Publikum gezeigt wurden. Nach der Französischen Revolution realisierte man im Pariser Jardin des Plantes entsprechend den neuen gesellschaftspolitischen Vorstellungen zum ersten Mal die Idee, dass ein Tiergarten allen Bürgern zugänglich sein soll.
Auch der Westfälische Tiergarten sollte nach den Worten seines Gründers alle Interessierten über die einheimische Tier- und Vogelwelt Westfalens informieren. Es waren jedoch die mit Sammelehrgeiz gepaarte Neugier sowie die Lust am Exotischen, und weniger der zoologisch-wissenschaftliche Anspruch, welche die Besucher in die Zoologischen Gärten trieb. Dabei spielten die "kolonialen Bestrebungen", wie Landois es formulierte, eine gewichtige Rolle: "Ein jeder unterrichtet sich gern über das Leben und Treiben der außereuropäischen Länder und Völkerschaften", schrieb er in der Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Zoologischen Gartens. Mit der vollständigen kolonialen Erschließung der Welt, entstanden professionelle Firmen, die sich dem Fang und Verkauf von fremdländischen Tieren einen Namen machten, was die Tierbeschaffung erheblich erleichterte. Die Zoos konkurrierten um möglichst seltene und "publikumswirksame" Tiere. So musste auch der Tiergarten in Münster der Schaulust am Exotischen nachgeben: 1876 wurde das erste Affenhaus errichtet, ein Jahr später kamen Papageien hinzu, 1900 gelangte der erste Elefant nach Münster, und bis zum Tode Landois' 1905 hatten dann auch Löwen, Tiger und Robben ihren Weg in den münsterschen Zoo gefunden.
Um eine Tierwelt aus fernen exotischen Ländern präsentieren zu können, hielten die Veranstalter es für notwendig, dieser auch eine entsprechende architektonische Gestaltung zu geben. Tiere wurden in orientalischen Tempeln und stilvollen Miniburgen gezeigt. 1898 entstand in Münster das Elefantenhaus im Stil einer Moschee, das ebenso wie das 1902 errichtete, asiatisch anmutende Kamelhaus im Volksmund als "das schönste der ganzen Welt galt". Dass die beiden Bauten von ihrer Architektur und Ornamentik her überhaupt nicht zu dem Herkunftsland der Tiere passten, störte indes niemanden. Heute erinnert nur noch die 2005 restaurierte Eulenburg an die Architektur des Alten Zoos.
Wie die anderen Zoodirektoren am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts, versuchte auch Landois, den finanziellen Engpässen durch zusätzliche Attraktionen wie Konzerte, Bälle, Fachvorträge und Sportveranstaltungen, die auf dem Gelände des Zoos stattfanden, zu entgehen. Besonders die sog. "Völkerschauen", die aus den Heimatländern der Zootiere stammenden "Wilden" mit Folklore und Kulthandlungen zeigten, sowie zirkusartige Vorführungen dressierter Tiere hatten großen Erfolg und trugen zur Attraktivität der Zoos bei. In Käfigen angekettete "Wilde Bestien" und "Primitive Völker" zu sehen, verband sich durchaus mit dem kolonialen Willen zur Beherrschung und vermittelte den Besuchern das Gefühl einer höheren Kulturstufe anzugehören. Genauso wie beim Anblick der wilden Tiere war es das Nebeneinander von Anziehung und Abstoßung, das die Faszination der Zoos in Verbindung mit den Völkerschauen auslöste. Zoos wurden so zu beliebten Orten der Öffentlichkeit, die neben Erholung und Amüsement den Reiz des Außergewöhnlichen und den Rausch der Exotik boten.
Als münstersches Original verstand es Landois in besonderem Maße, mit - man würde heute sagen - PR-Aktionen immer wieder auf seinen Zoologischen Garten aufmerksam zu machen und die Sensationslust seiner Zeitgenossen zu befriedigen. Er stellte im Zoo das (angebliche) Bügeleisen des Täuferkönigs Jahn von Leiden oder die Nachbildungen der Täuferkäfige aus, die er freilich als Originale ausgab. Daneben veranstaltete er Festessen, bei denen er schon mal "800 Paar Froschschenkel", "Krokodilfleisch" oder vielleicht auch "Bärentatzen" von der im Zoo kürzlich verstorbenen Bärin servierte, was jedoch bis heute unbewiesen bleiben muss. Zum 25-jährigen Jubiläum enthüllte Landois sein eigenes Denkmal in dessen Hut sich eine Art Nistkasten für Vögel befindet und das heute noch am Zooeingang - nun des neuen Zoos - zu sehen ist. Aus dem Erlös der hohen Eintrittsgelder für solche Aktionen wurden Gehege oder Einkauf neuer Tiere finanziert. Bis zum Ersten Weltkrieg entwickelte sich der Alte Zoo zu einem beliebten Ort des Lustwandelns und der Zerstreuung.
Barmer Zeitung: "Professor Dr. H. Landois vor dem Denkmal, das er sich selbst gesetzt hat", 25.02.1905
Bronzedenkmal von Prof. Dr. Hermann Landois (August Schiemann, 1900)
Eingangstor mit Aa-Brücke an der Himmelreichallee, um 1930
Gelände des alten Zoologischen Gartens in Münster
Landois mit "Boy"
"Völkerschau" mit einer Gruppe Afrikaner (Suaheli?) im münsterschen Zoo, um 1880/1890
"Völkerschau" mit einer Gruppe Lappländer im münsterschen Zoo, 1890
Ehemaliges "Eulenhaus" des alten münsterschen Zoos
Grünanlage mit Blick zum 1899 erbauten Elefantenhaus, um 1959
Zoo im Umbruch
Nach dem Ersten Weltkrieg ereilte den Zoo in Münster das gleiche Schicksal wie die meisten Zoos in Deutschland. Die Infrastruktur blieb zwar erhalten, jedoch dezimierte sich der Tierbestand erheblich, weil das Geld für Tierfutter und Heizungskosten fehlte. Doch während zahlreiche deutsche Zoos infolge der Inflation Anfang der 20er Jahre schließen mussten, blieb der Zoo in Münster bestehen und konnte nach der Währungsreform weiter ausgebaut werden. Im Januar 1924 stimmte die Stadt Münster zu, dem Zoo einen jährlichen Zuschuss von 2.500 Mark zu gewähren, um eine Übernahme des Zoos durch den Provinzialverband zu verhindern.
Nach einigen Personalwechseln übernahm 1936 Heinz Randow, ein langjähriges NS-Mitglied die Leitung des Zoos. Mit der Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse Mitte der 30er Jahre konnte der Zoo sogar weitere neue Tierarten ankaufen. In die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen fallen aber auch die ersten umfassenden Bemühungen, artgemäße Haltungsfaktoren für die Zootiere auf wissenschaftlicher Basis zu ermitteln und anzuwenden. Auch in Münster wurde die Absicht ins Auge gefasst, Tiere möglichst 'frei' zu zeigen. Da der Zoo aber schon damals mit Platzproblemen zu kämpfen hatte, wurde die Einrichtung von Freigehen noch nicht realisiert. Stattdessen wurden die Gitterstäbe durch Maschendrahtzaun abgelöst, "der in der Landschaft fast vollständig verschwindet", wie der damalige Vorsitzende des Westfälischen Zoologischen Gartens e. V., Karl Humborg, in seinem Artikel "Neuanlagen und Zukunftspläne im Zoo" schrieb. Bis zum Anfang des Zweiten Weltkrieges waren sowohl die Anzahl der Tiere als auch die der Besucher auf einem Höhepunkt angelangt.
Während des Zweiten Weltkriegs setzten wiederum Versorgungsschwierigkeiten ein. Beim Bombenangriff vom 28.10.1944 wurde der Zoologische Garten zu 75 % zerstört, der Tierbestand dezimierte sich um 30 %. Nach '45 verlief der Wiederaufbau jedoch schnell, und er folgte "modernen" architektonischen Prinzipien, die im städtebaulichen Umfeld zu beobachten waren: monumentale Stahlbauten, gekachelte Zellen und in geringerem Maße Freianlagen mit Kunstfelsen. Auch in dieser Entwicklung kann der Zoo in Münster als exemplarisch für ganz Deutschland angesehen werden.
In den 50er Jahren legte der Schweizer Zoodirektor Heini Hediger das wissenschaftliche Fundament der Tierhaltung im Zoo, das fortan als Tiergartenbiologie bezeichnet wird. Seine Kurzformel "vom Zwinger zum Territorium" führte dazu, dass Tiere, anders als vorher, nicht mehr als wilde Bestien begriffen wurden, sondern als wertvolle Artgenossen einer bedrohten Art, die man schützen müsse. Außerdem gelang die Nachzucht von immer mehr Tierarten so regelmäßig, dass die Zoos auf die Entnahme von Wildtieren aus der Natur verzichten konnten, gerade rechtzeitig, als zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Arten der Fang und der Handel mit ihnen verboten wurden. Auch der damalige Zoo-Direktor in Münster Dietrich Heinemann zeigte sich neuen Ideen in der Tierhaltung aufgeschlossen. So entstand 1959 ein Rothirschgehege, das zum ersten Mal gitterlos von einem Trockengraben umgeben war. Dass durchaus nicht alle tierfreundliche Entwicklungen auf Zustimmung stießen, zeigte die baldige Entlassung Heinemanns, weil er nach gehäuften Zwischenfällen ein Fütterungsverbot durchsetzte, was so wohl beim Publikum als auch beim Vorstand auf Unverständnis hervorrief. Das Fütterungsverbot blieb allerdings auch unter seinem Nachfolger Helmut Reichling in Kraft.
Nach einigen Personalwechseln übernahm 1936 Heinz Randow, ein langjähriges NS-Mitglied die Leitung des Zoos. Mit der Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse Mitte der 30er Jahre konnte der Zoo sogar weitere neue Tierarten ankaufen. In die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen fallen aber auch die ersten umfassenden Bemühungen, artgemäße Haltungsfaktoren für die Zootiere auf wissenschaftlicher Basis zu ermitteln und anzuwenden. Auch in Münster wurde die Absicht ins Auge gefasst, Tiere möglichst 'frei' zu zeigen. Da der Zoo aber schon damals mit Platzproblemen zu kämpfen hatte, wurde die Einrichtung von Freigehen noch nicht realisiert. Stattdessen wurden die Gitterstäbe durch Maschendrahtzaun abgelöst, "der in der Landschaft fast vollständig verschwindet", wie der damalige Vorsitzende des Westfälischen Zoologischen Gartens e. V., Karl Humborg, in seinem Artikel "Neuanlagen und Zukunftspläne im Zoo" schrieb. Bis zum Anfang des Zweiten Weltkrieges waren sowohl die Anzahl der Tiere als auch die der Besucher auf einem Höhepunkt angelangt.
Während des Zweiten Weltkriegs setzten wiederum Versorgungsschwierigkeiten ein. Beim Bombenangriff vom 28.10.1944 wurde der Zoologische Garten zu 75 % zerstört, der Tierbestand dezimierte sich um 30 %. Nach '45 verlief der Wiederaufbau jedoch schnell, und er folgte "modernen" architektonischen Prinzipien, die im städtebaulichen Umfeld zu beobachten waren: monumentale Stahlbauten, gekachelte Zellen und in geringerem Maße Freianlagen mit Kunstfelsen. Auch in dieser Entwicklung kann der Zoo in Münster als exemplarisch für ganz Deutschland angesehen werden.
In den 50er Jahren legte der Schweizer Zoodirektor Heini Hediger das wissenschaftliche Fundament der Tierhaltung im Zoo, das fortan als Tiergartenbiologie bezeichnet wird. Seine Kurzformel "vom Zwinger zum Territorium" führte dazu, dass Tiere, anders als vorher, nicht mehr als wilde Bestien begriffen wurden, sondern als wertvolle Artgenossen einer bedrohten Art, die man schützen müsse. Außerdem gelang die Nachzucht von immer mehr Tierarten so regelmäßig, dass die Zoos auf die Entnahme von Wildtieren aus der Natur verzichten konnten, gerade rechtzeitig, als zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Arten der Fang und der Handel mit ihnen verboten wurden. Auch der damalige Zoo-Direktor in Münster Dietrich Heinemann zeigte sich neuen Ideen in der Tierhaltung aufgeschlossen. So entstand 1959 ein Rothirschgehege, das zum ersten Mal gitterlos von einem Trockengraben umgeben war. Dass durchaus nicht alle tierfreundliche Entwicklungen auf Zustimmung stießen, zeigte die baldige Entlassung Heinemanns, weil er nach gehäuften Zwischenfällen ein Fütterungsverbot durchsetzte, was so wohl beim Publikum als auch beim Vorstand auf Unverständnis hervorrief. Das Fütterungsverbot blieb allerdings auch unter seinem Nachfolger Helmut Reichling in Kraft.
Der Allwetterzoo
Die späten 60er und frühen 70er Jahre markieren eine Wende. Ende der 1960er Jahre suchte die Westdeutsche Landesbank nach einem zentral gelegenen Grundstück für einen Neubau. Nach Drohungen, ihren Standort nach Dortmund zu verlegen, bot ihr die Stadt Münster schließlich das Innenstadt nahe Gelände des Zoos an und schlug vor, den Zoologischen Garten auf die Sentruper Höhe zu verlegen. Das mit fast 30 Hektar das neue Zoo-Gebiet um das Fünffache mehr Platz bot, willigte der Zoo-Verein ein. Die Verlagerung der Zoos in die Peripherie war typisch für die damalige Zeit, was sich an den Zoos in Antwerpen, London und Paris zeigen lässt. Als abzusehen war, dass die finanziellen Mittel des Zoo-Vereins für den Neubau nicht ausreichten, wurde die "Aktiengesellschaft Westfälischer Zoologischer Garten" gegründet, in deren Aufsichtsrat neben den Mitgliedern des Zoo-Vereins vier Vertreter aus der Stadt einzogen. Außerdem spendeten Privatpersonen, Schulklassen, Vereine und Firmen mehr als eine halbe Million Mark für den neuen Zoo.
Satelittenaufnahme des alten Zoogrundstücks am oberen (alten) Aasee nach der Neubebauung
Satelittenaufnahme des neuen Zoogrundstücks am unteren (neuen) Aasee
Satelittenaufnahme des neuen Zoogrundstücks am unteren (neuen) Aasee
Am 02.05.1974 konnte der erste Allwetterzoo der Welt mit rund 2.000 Tieren aus 400 Arten eröffnet werden. Der Namen gebende Allwettergang schafft einen rund 1 km langen überdachten Rundweg, der den Zoobesucher von Witterungseinflüssen unabhängig macht. Die modernistische Architektur der Betonwüste, die in den 50er Jahren als sehr innovativ angesehen und in deutschen Städten in großem Umfang angewandt wurde, erfuhr auch im neuen Allwetterzoo ihre Steigerung. Dennoch war der Allwetterzoo bald zu einer Touristenattraktion ersten Ranges geworden und konnte dank des breiten Medieninteresses und der eigenen Werbeaktivitäten bis in die 80er Jahre hinein enorme Besucherströme verzeichnen. Anfang der 80er Jahre nahmen die Akzeptanz und die Begeisterung für den neuen Zoo entsprechend dem Europa weiten Trend jedoch erheblich ab. Einerseits traten angesichts der rasanten Naturzerstörung immer mehr Kritiker hervor, die die Existenzberechtigung der Zoos grundsätzlich anzweifelten. Gleichzeitig stellte das gewachsene Umweltbewusstsein der Bevölkerung den Allwetterzoo vor besondere Herausforderungen. Besonders die Beton-Anlagen gerieten in die Kritik.
Obgleich die Zooverwaltung längst bestrebt war, bei der Gestaltung der Tiergehege Rücksicht auf die Erfordernisse einer artgerechten Haltung zu nehmen, konnte dieses Bemühen von Zoo-Besuchern angesicht von Stahlgitter und Betonböden häufig nicht nachvollzogen werden. Daher ging man in europäischen Zoos daran, Tiergehegen ein Aussehen zu verleihen, das den Besuchern gefällt und ihren Vorstellungen von artgerechter Haltung entspricht. So sind ab den 80er Jahren mehr und mehr Tieranlagen entstanden, die den Eindruck eines Naturausschnitts vermitteln. Gehege werden in Garten- und Felsanlagen eingebettet, die den grauen Beton verdecken, Eisengitter werden durch Glasscheiben oder Wassergräben ersetzt. Auch das Afrikapanorama, die Menagerie und die Großfluganlage im Allwetterzoo sind beispielhaft für moderne und tiergerechte Zoobauten geworden.
Gleichzeitig haben sich die Zoos dem Artenschutz verpflichtet und seit den 80er Jahren Strategien hervorgebracht durch Nachzucht bedrohter Tierarten zur Arterhaltung beizutragen. Zoos aus verschiedenen Ländern haben sich zu diesem Zweck zusammengeschlossen und koordinierte Zuchtprogramme sowie den weltweiten Austausch von Zootieren entwickelt. Ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP) besteht seit 1985, wobei einige seiner Aktivitäten vom Allwetterzoo geleitet werden. Auf Initiative des Allwetterzoos wurden 1997 die Westfälische Gesellschaft für Artenschutz e.V. und 2001 die Stiftung Artenschutz gegründet, und im Juli 2005 wurde die "BioCity" eröffnet, die neben dem Internationalen Zentrum für Schildkrötenschutz (IZS) und einer "Forscherwerkstatt" für Kinder auch eine Ausstellung zur Erhaltung und Erforschung der Biodiversität bietet.
Insbesondere die Welt-Zoo-Naturschutzstrategie versucht gemeinsame Standards zu schaffen und das erforderliche Know-how zu bündeln. Doch obwohl man heute einige Beispiele der Auswilderung verzeichnen kann, ist die Bedeutung der Zoos auf diesem Gebiet angesichts der weltweiten Zerstörung des natürlichen Lebensraums quantitativ gering. Dennoch wird die Rolle der Zoos hier als exemplarisch und wegweisend gesehen. Mit dem neuen Konzept "Allwetterzoo 2000 plus" hat sich der Allwetterzoo zum längerfristigen Ziel gesetzt, ein besucher- und tierfreundliches "erlebnisreiches Artenschutzzentrum" zu werden.
Anders als zu Zeiten der Gründung des Westfälischen Zoologischen Gartens in Münster 1875, wollen die Zoos heute nicht mehr ein rein kommerzielles Unternehmen sein, das gegen Geld Tiere zur Schau stellt und den Besuchern vor allem Amüsement bietet, sondern sie wollen als eine naturkundliche Bildungsstätte, als Forschungsstätte und als Artenschutzzentrum wahrgenommen werden. Sie haben ihre eigene Wissenschaft, ihre spezielle Technologie und Architektur entwickelt. Zoo-Tiere gelten nicht mehr als "wilde Bestien" oder als exotisches Anschauungsmaterial, sondern dienen als Werbeträger für die Erhaltung und den Schutz ihrer bedrohten Art. Sie sollen die Menschen zum Umdenken im Umgang mit der Natur aufrufen. Insofern spiegelt der Allwetterzoo in Münster in seiner historischen Entwicklung die Veränderungen in der Wahrnehmung von Tierwelt und Naturräumen durch die Gesellschaft wider.
Obgleich die Zooverwaltung längst bestrebt war, bei der Gestaltung der Tiergehege Rücksicht auf die Erfordernisse einer artgerechten Haltung zu nehmen, konnte dieses Bemühen von Zoo-Besuchern angesicht von Stahlgitter und Betonböden häufig nicht nachvollzogen werden. Daher ging man in europäischen Zoos daran, Tiergehegen ein Aussehen zu verleihen, das den Besuchern gefällt und ihren Vorstellungen von artgerechter Haltung entspricht. So sind ab den 80er Jahren mehr und mehr Tieranlagen entstanden, die den Eindruck eines Naturausschnitts vermitteln. Gehege werden in Garten- und Felsanlagen eingebettet, die den grauen Beton verdecken, Eisengitter werden durch Glasscheiben oder Wassergräben ersetzt. Auch das Afrikapanorama, die Menagerie und die Großfluganlage im Allwetterzoo sind beispielhaft für moderne und tiergerechte Zoobauten geworden.
Gleichzeitig haben sich die Zoos dem Artenschutz verpflichtet und seit den 80er Jahren Strategien hervorgebracht durch Nachzucht bedrohter Tierarten zur Arterhaltung beizutragen. Zoos aus verschiedenen Ländern haben sich zu diesem Zweck zusammengeschlossen und koordinierte Zuchtprogramme sowie den weltweiten Austausch von Zootieren entwickelt. Ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP) besteht seit 1985, wobei einige seiner Aktivitäten vom Allwetterzoo geleitet werden. Auf Initiative des Allwetterzoos wurden 1997 die Westfälische Gesellschaft für Artenschutz e.V. und 2001 die Stiftung Artenschutz gegründet, und im Juli 2005 wurde die "BioCity" eröffnet, die neben dem Internationalen Zentrum für Schildkrötenschutz (IZS) und einer "Forscherwerkstatt" für Kinder auch eine Ausstellung zur Erhaltung und Erforschung der Biodiversität bietet.
Insbesondere die Welt-Zoo-Naturschutzstrategie versucht gemeinsame Standards zu schaffen und das erforderliche Know-how zu bündeln. Doch obwohl man heute einige Beispiele der Auswilderung verzeichnen kann, ist die Bedeutung der Zoos auf diesem Gebiet angesichts der weltweiten Zerstörung des natürlichen Lebensraums quantitativ gering. Dennoch wird die Rolle der Zoos hier als exemplarisch und wegweisend gesehen. Mit dem neuen Konzept "Allwetterzoo 2000 plus" hat sich der Allwetterzoo zum längerfristigen Ziel gesetzt, ein besucher- und tierfreundliches "erlebnisreiches Artenschutzzentrum" zu werden.
Anders als zu Zeiten der Gründung des Westfälischen Zoologischen Gartens in Münster 1875, wollen die Zoos heute nicht mehr ein rein kommerzielles Unternehmen sein, das gegen Geld Tiere zur Schau stellt und den Besuchern vor allem Amüsement bietet, sondern sie wollen als eine naturkundliche Bildungsstätte, als Forschungsstätte und als Artenschutzzentrum wahrgenommen werden. Sie haben ihre eigene Wissenschaft, ihre spezielle Technologie und Architektur entwickelt. Zoo-Tiere gelten nicht mehr als "wilde Bestien" oder als exotisches Anschauungsmaterial, sondern dienen als Werbeträger für die Erhaltung und den Schutz ihrer bedrohten Art. Sie sollen die Menschen zum Umdenken im Umgang mit der Natur aufrufen. Insofern spiegelt der Allwetterzoo in Münster in seiner historischen Entwicklung die Veränderungen in der Wahrnehmung von Tierwelt und Naturräumen durch die Gesellschaft wider.
Luftbild des Allwetterzoos Münster, 2005
Übersichtsplan des Allwetterzoos
Eisbären im Beton-Freigehege, 1977
Schutz bedrohter Tierarten: Goldkopflangur, Vietnam
Eingangsbereich der "BioCity" im Allwetterzoo
"BioCity": Kinder an der Schildkröten-Informationswand
Ressourcen
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Quelle
Literatur
Linkhinweise
Quelle
Literatur
- Dittrich, Lothar / Engelhardt, Dietrich von / Rieke-Müller, Annelore (Hgg.): Die Kulturgeschichte des Zoos. Monographien zur Geschichte der Biowisssenschaften und Medizin, Bd. 3. Berlin 2001.
- Baratay, Eric / Hardouin-Fugier, Elisabeth: Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark. Berlin 2000.
- Rieke-Müller, Annelore / Dittrich, Lothar. Der Löwe brüllt nebenan. Die Gründung Zoologischer Gärten im deutschsprachigen Raum 1833-1869. Köln 1998.
- Hediger, Heini: Zoologische Gärten. Gestern - heute - morgen. Bern 1977.
- Stadtmuseum Münster (Hg.): Professor Landois. Mit Witz und Wissenschaft. Münster 2004.
- Jakobi, Franz-Josef (Hg.): Hermann Landois (1835-1905). Naturwissenschaftler, Theologe, Stadtbürger, Schriftsteller. Kleine Schriften aus dem Stadtarchiv Münster, Bd. 8. Münster 2005.
- Sinder, Michael / Günther, Ralf J. [Zoo-Verein Münster] (Hgg.): Von Landois zum Allwetterzoo. 125 Jahre Zoo in Münster. Münster 2000.
- Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Westfälischen Zoologischen Gartens zu Münster in Westfalen und Jahresbericht 1899 des Westfälischen Vereins für Vogelschutz, Geflügel- und Singvogelschutz. Herausgegeben von dem Vereinsvorstande. Münster 1900.
Linkhinweise
- Allwetterzoo Münster
http://www.allwetterzoo.de - Zoo-Verein / Westfälischer Zoologischer Garten e.V. Münster
http://www.zooverein.de - Hippomaxx / Westfälisches Pferdemuseum im Allwetterzoo Münster
http://www.hippomaxx-muenster.de/deutsch/index.php - Stiftung Artenschutz im Allwetterzoo Münster
http://www.stiftung-artenschutz.de