Kirche und Kirchhof im Dorf > Simultaneum: Taufbecken


Taufbecken in der Kirche St. Georg, Badbergen / Pfarrarchiv Badbergen






Benjamin Hagemann

Das geteilte Becken

Die St. Georgs-Kirche in Badbergen
im Zeitalter der Konfessionalisierung

Oftmals offenbart sich im Kleinen das Ganze. So symbolisierte das geteilte Taufbecken in der St.-Georgs-Kirche von Badbergen im Osnabrücker Raum lange das Miteinander der Lutheraner und Katholiken. Zum einen stand es für das friedliche Miteinander, denn immerhin wurde die gemeinsame Nutzung des Beckens von beiden Seiten für über 200 Jahre akzeptiert. Auf der anderen Seite offenbarten sich hier auch Konflikte zwischen den beiden Konfessionen. 1772 war in dem zur Trennung eingelassenen Kupferkessel eine undichte Stelle entdeckt worden, sodass sich das das von den Katholiken genutzte Taufwasser mit dem Taufwasser der Protestanten zu einer "irenischen Flüssigkeit" vermischte. Da nach den Vorschriften der katholischen Kirche das Taufwasser mit geweihtem Salböl (= Chrisam) versehen war, erschien dieser Zustand der Vermengung untragbar. Der zuständige Archidiakon bemerkte bei einer eingehenden Untersuchung, dass "der Kessel im Tauffstein hohl und zerbrochen befunden worden, daß das Tauffwasser von einer Seithe zur anderen lauffen könne, also daß dieser Kessel zu reparieren oder ein neuer anzuschaffen" sei. Doch wie hatte es überhaupt so weit kommen können, dass Katholiken und Lutheraner sich ein Taufbecken teilen mussten, zumal die Katholiken in Badbergen eine verschwindend geringe Minderheit darstellten?

Im Westfälischen Frieden von 1648 [ Osnabrücker Friedensvertrag, IPO] war für das Hochstift Osnabrück eine einmalige Regelung getroffen worden, was das zukünftige Miteinander der Konfessionen betraf. Im Gegensatz zu anderen Territorien standen sich hier Katholizismus und Luthertum gleichberechtigt gegenüber. Die Frage nach der konfessionellen Zugehörigkeit wurde für jede Kirchengemeinde einzeln entschieden. Dafür wählte man das so genannte "Normaljahr" 1624 aus. Die Konfession, die in diesem Jahr in den Kirchspielen praktiziert worden war, sollte dort auch zukünftig gelten. In einigen Fällen ergab sich jedoch das Problem, dass die vorherrschende Konfession für das Jahr 1624 überhaupt nicht mehr ermittelt werden konnte. Hier fand man eine besondere Regelung: Das so genannte Simultaneum. Mit diesem kirchenrechtlichen Begriff werden Einrichtungen wie die Kirche selbst oder der Friedhof beschrieben, die von zwei Konfessionen genutzt werden. Grundsätzliche Regelungen hielt man in der so genannten "capitulatio perpetua" von 1648 - der immerwährenden Kapitulation - fest. Dazu zählte nicht nur die Aufteilung des Kirchengeräts, auch die Gottesdienstzeiten wurden streng voneinander getrennt. Die Katholiken durften die Kirche vor neun Uhr morgens für das Messopfer nutzen. Ab neun "gehörte" sie dann den Lutheranern für ihren Gottesdienst. Die Katechese erfolgte bei ihnen zwischen ein und drei Uhr, woraufhin die der Katholiken folgte.

Da die Bestimmungen zur Aufteilung des Kirchengerätes in der "capitulatio perpetua" sehr allgemeiner Natur waren, wurde in Badbergen ein zusätzlicher Vertrag geschlossen, der "Badberger Teilungsrezess" von 1651. Gemeinsam genutzt wurden die Kirche, die Kanzel, die Orgel, die Glocken und der Kirchhof. Der Hochaltar, der Tabernakel, der Taufstein und die halbe Sakristei standen ausschließlich den Katholiken zu. Den Protestanten wurde ein Nebenaltar, ein noch zu beschaffender Taufstein und die andere Hälfte der Sakristei zugesprochen. Zusätzlich sollten beide Konfessionen jeweils einen neuen Beichtstuhl bekommen, da der alte unbrauchbar erschien. Kirchengerät wie Kelche, Patenen, Schalen oder Paramente wurden gleichmäßig aufgeteilt. Ebenso verfuhr man mit den Ämtern und Gebäuden. Zwei Pfarrer und zwei Küster wurden vorgesehen; Pfarr- und Küsterhaus verblieben in der Hand der Katholiken, der protestantische Pfarrer erhielt ein neu renoviertes Haus, der Küster eine Wohnung in einem Speicher auf dem Kirchhof. Die Kirchenverwaltung, die bisher von vier Gemeindevertretern, den so genannten Provisoren, übernommen worden war, besorgten jetzt jeweils zwei Provisoren beider Konfessionen. Auch die Pfarreinkünfte sollten dem lutherischen Pastor und dem katholischen Pfarrer zukünftig zu gleichen Teilen zukommen. Die Neuanschaffungen sollten aus dem gemeindlich verwalteten Kirchenvermögen bestritten werden.

Auf den ersten Blick scheint der Teilungsrezess ein gerechter Vertrag zu sein, wird doch alles gleichmäßig aufgeteilt. Aber der Schein trügt, wie eine Zählung aus dem Jahr 1662 zeigt: 4069 lutherischen Einwohnern standen nur etwa 50 Katholiken gegenüber, die aber dieselbe Entscheidungsgewalt über Kirche und Kirchhof hatten. Dennoch war der alltägliche Umgang miteinander zunächst von Kompromissbereitschaft geprägt. Ein Grund dafür mag gewesen sein, dass den Menschen nach dem langen Krieg an einem friedlichen Ausgleich gelegen war. Außerdem konnten dringende Reparaturen und Neubeschaffungen nur gemeinsam bewältigt werden. Wohl auch deshalb wurde der Taufstein entgegen den Vorgaben im Teilungsrezess gemeinsam genutzt. Der Hochaltar wurde bis 1672 ebenfalls von beiden Konfessionen genutzt, ehe der lutherische Pfarrer nach einem Streit mit dem katholischen Amtsinhaber gemäß dem Vertrag einen Nebenaltar errichten ließ. Die Visitationsberichte der Zeit zeigen, dass die gemeinsame Verwaltung der Kirche wohl auch gute Seiten hatte. Der Visitator Johann Bischopinck bemängelte zwar im Jahre 1653 unter anderem die Trunkenheit des Küsters, den Dreck auf dem Friedhof und das Fehlen eines Beichtstuhls, doch im Vergleich zu anderen Berichten fällt dieser vergleichsweise positiv aus. Das belegt ebenso der Vergleich mit einer früheren Visitation durch Albert Lucenius im Jahr 1625. Dieser hatte vor allem die Ausstattung des Kirchenraumes bemängelt, der zudem völlig verschmutzt gewesen sein soll. Von dieser Kritik ist bei dem Bericht von Bischopinck nichts mehr zu finden.

Man kann also davon ausgehen, dass beide Konfessionen bemüht waren, die Kirche zu verschönern. Als problematisch erwies sich hierbei, dass die Lutheraner fast die gesamten Kosten zu tragen hatten, wegen des Vertrags von 1651 jedoch immer die Zustimmung der katholischen Bevölkerung benötigten, wenn sie Änderungen an oder in der Kirche vornehmen wollten. Da die Kirche von der Gestaltung des Innenraumes her katholisch geprägt war, sperrten sich die katholischen Provisoren gegen Änderungen. So konnten für die anwachsende lutherische Gemeinde keine neuen Sitzbänke angeschafft werden, denn die Katholiken wollten keinen Kirchenraum, in dem Bänke den Blick auf Hochaltar und Tabernakel verhinderten. Auch eine Verlegung der Kirchenorgel wurde abgeblockt. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts fand eine Kommission einen Kompromiss, der von beiden Seiten akzeptiert wurde. Dieser dürfte aber nicht vollends zufrieden stellend gewesen sein, zumal er das Ungleichgewicht in Finanzierungsfragen nicht löste. Als Folge wurde das Simultaneum 1866 aufgelöst, beide Pfarrgemeinden vollständig voneinander getrennt.













Die Kirche und der Kirchhof im Dorf -
Berichte aus Westfalen im
konfessionellen Zeitalter





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Taufbecken in der St. Georg-Kirche,
Badbergen