Kirche und Kirchhof im Dorf > Altar und Herrschaft


Gewölbeschlussstein in der Lucienkapelle zu Etteln / Foto: Kristina Thies






Kristina Thies

Die Inszenierung bischöflicher Herrschaft

Der Fürstenberger Barock im
Paderborner Land

Was hat der Petersdom in Rom mit der Michaelskapelle in Würgassen und der Kreuzkapelle in Altenbeken gemeinsam? Wie im "großen" Rom, so war auch im Paderborner Land die Kirche ein Ort, an dem sich religiöse und politische Interessen vermischten.

Schon vor der Reformation, gerade in der Krisenzeit der Kirche im Spätmittelalter, ließen die Päpste in Rom eine Kirche in noch nie da gewesener Pracht und Größe erbauen. Der Petersdom sollte ein Symbol für die wieder erstarkende Kirche sein. Doch auch die Michaelskapelle in Würgassen war als Zeichen kirchlicher Stärke gedacht. 1663 ließ der Fürstbischof von Paderborn, Ferdinand von Fürstenberg (1626-1681), die völlig verfallene Kapelle in Würgassen an der Weser neu errichten. Würgassen lag jenseits der Weser im Territorium der protestantischen Braunschweiger - es war eine so genannte Exklave. Die dortige Kirche war verfallen. Dies war ein Zustand, den der Fürstbischof angesichts der Nachbarschaft für unwürdig und beschämend hielt. Die Michaelskapelle in Würgassen sollte als Brückenkopf in einem protestantischen Gebiet dienen. Nicht von ungefähr wählte Fürstenberg den Heiligen Michael zum neuen Patron der Kapelle: Der Heilige Michael sollte an die geeinte Kirche des Mittelalters erinnern - eine Einheit, die aus katholischer Sicht durch die Abspaltung der Protestanten zerstört worden war.

Und die Kreuzkapelle in Altenbeken im Paderborner Land? Hatte auch sie etwas mit dem Petersdom gemein? Auch diese Frage ist zu bejahen, denn sowohl der bekannte Petersdom in Rom als auch die 1669 errichtete Kreuzkapelle in Altenbeken sind Orte der bewussten Inszenierung von Herrschaftsansprüchen.

Dies wurde dem Gläubigen eindrucksvoll durch das barocke Portal dokumentiert, das sich deutlich von der Schlichtheit des Baus abhob. Über dem Portal ließ Fürstenberg sein Wappen und seine lateinische Stifterinschrift anbringen, in der er sich als Bischof von Paderborn durch Gottes und des Apostolischen Stuhls Gnade, Coadjutor von Münster, Fürst des Heiligen Römischen Reiches und als Graf von Pyrmont bezeichnete. Das Portal gab nicht nur über seine Ämter und seine Stellung Auskunft; Fürstenberg präsentierte sich auch als Bewahrer der von alters her geübten Verehrung des Heiligen Kreuzes. Indem er sich auf das Kreuzpatrozinium berief, stellte er sich in die Tradition überkommener Frömmigkeit und versuchte diese wieder aufleben zu lassen. Dahinter verbarg sich der herrschaftliche Anspruch Fürstenbergs, auch für den Glauben seiner Untertanen und deren Erziehung zu frommen Katholiken zuständig zu sein.

Auch im Kircheninnenraum wurde Fürstenbergs Herrschaftsanspruch deutlich: So ließ er keinen Geringeren als seinen "Hofmaler" Johann Georg Rudolphi (1633-1693) ein Altarbild anfertigen.

Wo lernte Ferdinand von Fürstenberg dieses perfekte "Sich-In-Szene-Setzen"? Auch hier liegt die Ewige Stadt näher, als man denkt. Fürstenberg hielt sich in den Jahren von 1652 bis 1661 in Rom auf und lernte dort die päpstliche Herrschaftsrepräsentation kennen. Kein Geringerer als Papst Alexander VII. hieß ihn als Gast willkommen. Beide kannten sich aus der Zeit, als dieser Papst noch Fabio Chigi hieß und im päpstlichen Auftrag als Gesandter am Friedenskongress 1648 in Münster mitwirkte. So erklärt sich, dass ein Stück Westfalen nach Rom und ein Stück Rom nach Westfalen kam.

Doch ging es Ferdinand von Fürstenberg bei seinen kirchlichen Stiftungen tatsächlich nur um die Inszenierungen geistlicher und politischer Herrschaft und um die Durchsetzung glaubenspolitischer Ziele?

Bekannt ist die tiefe Frömmigkeit des Bischofs. Dies belegen zweifellos zahlreiche historische Quellen. So stiftete er 1672, nach der Genesung von schwerer Krankheit, die Lucienkapelle in Borchen-Etteln.

Fürstenberg verkörperte somit den Typus des episcopus dotus. Als frommer und humanistisch gebildeter Bischof förderte er systematisch die Kunst, wusste sie aber auch für die Inszenierung seiner bischöflichen Herrschaft einzusetzen.

Nicht nur die Dörfer Etteln, Würgassen und Altenbeken wurden von Fürstenberg mit seinen Stiftungen bedacht. Sein Episkopat zeichnete sich durch sein großzügiges Mäzenatentum aus, das sich über das Paderborner Land und Münsterland erstreckte. Priorität setzte er eindeutig auf die Sakralarchitektur und auf Ausstattungsstücke wie Tabernakel und Monstranzen. Besonders auffallend bei seinen Stiftungen ist eine Gruppe von Altären in einer charakteristischen Rotfassung, die zum Symbol der gesamten Stiftertätigkeit Fürstenbergs, des so genannten "Fürstenberger Barocks", wurde.













Die Kirche und der Kirchhof im Dorf -
Berichte aus Westfalen im
konfessionellen Zeitalter






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Blick von Burg Herstelle auf
Würgassen und das Wesertal, 1930


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Portal der Annenkapelle zu
Amerungen


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Imitierter Gewölbeschlussstein
in der Annenkapelle


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Altar der Lucienkapelle
in Etteln, 2005