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TITEL1648: Krieg und Frieden in Europa


ORTMünster
JAHR1998


ONLINE-TEXTEllenius, Allan: Emblematisches Denken. Die Bildsprache von Schering Rosenhane, schwedischer Resident in Münster 1643-1647
SEITEBd. 1, S. 397-402


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"Enfin, Monseigneur, c'est un homme du monde,
des mœurs reglées, agréable en conversation,
discret et accomodant."

Pierre Chanut, französischer Gesandter
in Stockholm an Mazarin, Februar 1648.
Ein bedeutender Wesenszug der Literatur und Kunst des Barock ist das Interesse an emblematischer Bildsymbolik. [1] Diese Tradition wurzelte in der italienischen Renaissance mit Andrea Alciatis "Emblemata" (1531) als prominentem Vorläufer, an die sich im 16. und 17. Jahrhundert eine reiche Produktion von Emblembüchern anschloß. Dieses Phänomen ist in der Forschung schon seit langem bekannt: Emblematische Quellen zu nutzen und zu versuchen, ikonologische Feinheiten in Stilleben oder anderen Gattungen der bildenden Kunst zu entziffern, war bei den Ikonographen sehr beliebt.

Die Verbreitung dieser Mode rührte augenscheinlich von ihrer Fähigkeit her, eine geheime Welt hinter dem Schleier der Realität zu eröffnen. Als Kontrapunkt zur rationalistischen Tradition in den Künsten, die Leon Battista Alberti mit seiner Rationalisierung des Sehens und der Einführung mathematischer Prinzipien als Basis der Kunsttheorie etabliert hatte, lagen die Wurzeln der Emblematik im hermetischen und neoplatonischen Denken, wie es sich im späten 15. Jahrhundert entwickelt hatte. Man kann von einer unterschwelligen Einströmung von solchen Ideen sprechen, die es ermöglichten, Licht auf die Widersprüche des Lebens zu werfen.

Schering Rosenhane (1609-1693), der als schwedischer Resident während der Friedensverhandlungen von 1643-1647 in Münster weilte, gehörte zu denen, die vom Zauber der Emblematik gefangen waren. Im Juni 1643 traf er in Münster ein und beschrieb seinen dortigen Aufenthalt in seiner Autobiographie als "die glücklichsten und erfreulichsten Jahre" seines Lebens. [2] Er war sehr gut in einem Haus untergebracht, das Bernhard Rottendorff (1594-1671), einem Arzt und humanistischem Dichter, gehörte. Rottendorff besaß zudem eine prachtvolle Bibliothek, die häufig von seinem schwedischen Gast aufgesucht wurde. [3] Rosenhane hatte einen großen Haushalt und erwähnt ausdrücklich einen Butler, zwei Sekretäre und einen deutschen Priester. Sein Quartier war der einzige Ort in der Stadt, an dem sich die Protestanten unter den Gesandten und ausländischen Gästen versammeln konnten, um ihr "exercitium Lutheranae Religionis" zu halten. Darüber hinaus konnte er in seinem Haus Graf Johan Oxenstierna und Johan Adler Salvius empfangen, die beide als schwedische Gesandte an den Friedensverhandlungen in Osnabrück teilnahmen. Weil die beiden Gesandten dort residierten, reiste Rosenhane oft in die protestantische Stadt, um dort seine Landsleute zu treffen. Als Repräsentant der Verbündeten spielte er eine zentrale Rolle in den Verhandlungen zwischen den schwedischen und französischen Gesandten. Alles, so sagt er, ging durch seine Hände. Als eine Art Vermittler war er ausgezeichnet über den "Stand der Dinge" informiert und hob die engen Kontakte zu den Franzosen hervor. Er genoß die Unterhaltung mit "den weisesten und gelehrtesten Männern, die sich aus allen Teilen Europas versammelt hatten." Sein ganzes Leben hindurch frönte Rosenhane dem Lesen und Büchersammeln; einen Teil seiner Bibliothek hatte er während seines Aufenthaltes in Münster gekauft. Als er 1629 mit einer schwedischen Gesandtschaft in England war, wurde sein Interesse an der Poesie geweckt, und er begann, "Carmina" zu schreiben. Diese Beschäftigung hat dazu beigetragen, ihn hinter dem anonymen Autor Skogekär Bergbo zu vermuten, ein wichtiger Name der zeitgenössischen schwedischen Literatur. Eine diplomatische Mission schloß demnach literarische Unternehmungen nicht aus. Rosenhane erwähnt, daß er ein Buch über Genealogie und politische Embleme geschrieben habe, welches er Königin Christina widmete.

Kein Wunder also, daß das intellektuelle Umfeld in Münster seinen Hang zu humanistischen Studien und Schriften förderte. Er begegnete unter anderem dem spanischen Gesandten Don Diego Saavedra, dem Autor der bekannten "Idea de un príncipe político cristiano", deren erste Auflage 1640 veröffentlicht wurde. Rosenhane berichtet, daß er Saavedra bei einem Bankett kennenlernte, das Hilbrand Plönies, einer der münsterschen Bürgermeister, arrangiert hatte. Der spanische Kollege wird von ihm eindrucksvoll als ein Mann mit groteskem Humor und Festigkeit "inter pocula" charakterisiert. Saavedra wußte dagegen Rosenhanes Spanischkenntnisse zu würdigen. Der schwedische Diplomat rühmte im Gegenzug seine "Empresas Politicas", was dazu führte, daß der Spanier das Buch in der Quartedition holen ließ und es Rosenhane persönlich überreichte. Rosenhane wiederum gab Saavedra möglicherweise, als dieser in Münster sein Werk "Corona Gothica" schrieb, Informationen über die gotische Tradition, die für den schwedischen Patriotismus und die schwedische Mentalität so wichtig ist.

Das Emblembuch, von dem Rosenhane erwähnt, es sei der Königin gewidmet, ist als Manuskript in der königlichen Bibliothek in Stockholm erhalten. Illustriert wurde es von Pieter Holsteyn d.J., einem der niederländischen Künstler, die sich in Münster niederließen, als sich das Ende der Friedensverhandlungen abzeichnete. Es heißt "Hortus Regius" und liegt seit 1978 als kommentierte Ausgabe im Druck vor. [4] Die emblematischen Zeichnungen des Bandes sind mit Sentenzen und Zitaten politischer Autoren kombiniert und beschreiben ideale Normen und typische Situationen, das charakteristische Oszillieren zwischen den Normen und den wechselnden politischen Realitäten präsentierend. Betrug, zum Beispiel, kann im machiavellistischen Wortsinn erlaubt sein, ohne die christliche Moral zu verletzen, wenn dies der Harmonisierung dieser beiden Gegensätze dient. Rosenhane erscheint als Anhänger der Ideen des Konstitutionalismus, wie sie in der zeitgenössischen politischen Theorie diskutiert wurden.

Zwischen den emblematischen Schriften Rosenhanes befindet sich ein Manuskript von vier Seiten, das in der Universitätsbibliothek Uppsala aufbewahrt wird. [5] Diese Quelle war der Forschung zwar bekannt, wurde aber nie näher untersucht. Allgemein kann sie als Ergänzung zum "Hortus Regius" gewertet werden. Wie man aus den eingefügten Ziffern/ Abbildungen von 1 bis 20 schließen kann, erwog Rosenhane vermutlich die Publikation einer Auswahl von etwa 100 lateinischen Sentenzen und 70 emblematischen Zeichnungen, die im Manuskript enthalten waren. Möglicherweise hatte er geplant, mit einem Künstler in Kontakt zu treten, der sein Vorhaben in einer derartigen künstlerischen Qualität realisieren könnte, wie es im Falle des "Hortus Regius" geschehen war. Eine solche Sammlung hätte sowohl viele seiner Erfahrungen aus dem Bereich der Diplomatie als auch solche aus der, wie er es in einer seiner Maximen nannte, "conditio nostra" zusammengefaßt. Im Gegensatz zum "Hortus regius" enthält dieses Manuskript keine ausdrücklichen Hinweise auf die politischen Autoren und kann dementsprechend nicht als eine Befürwortung irgendeines bestimmten politischen Systems gelten. Es finden sich Zeilen, die von klassischen Autoren inspiriert sind, sei es als Frucht des Bibliotheksstudiums, sei es als allgemeiner Zitatenschatz, der ein Teil des humanistischen Vermächtnisses war.

Im Folgenden soll versucht werden, Rosenhanes Stellung in der emblematischen Tradition genauer zu untersuchen. Es geht darum, seine Vertrautheit mit seinen Vorläufern zu zeigen und inwiefern er den allgemeinen Vorrat an Emblemata nutzte, um sowohl Vorstellungen, die in der Moralphilosophie wurzeln, als auch Überzeugungen privater Art auszudrücken. Dieser Ansatz könnte vielleicht zu einem Verständnis für das geistige Klima in Kreisen beitragen, die in einem kritischen Moment politischer Geschichte wichtige Entscheidungen zu treffen hatten. Rosenhane war nicht der einzige Schwede, der solch aristokratischen Zeitvertreib schätzte; ein anderes prominentes Beispiel ist Graf Magnus Gabriel de la Gardie, der während der 1640er Jahre schwedischer Diplomat in Paris und später Reichskanzler und Kanzler der Universität von Uppsala war. Die Einrichtung seines Landsitzes belegt sein großes Interesse an emblematischen Dekorationen, zu sehen z.B. in den Repräsentationsräumen und auch in den Palastkapellen. [6] In seinem Stockholmer Palast ließ Rosenhane Embleme an die Wände malen, die von denen abweichen, die sich im "Hortus Regius" finden. Daher stellt sich die Frage, inwieweit dieses Interesse lediglich als eine Art Mitläufertum mit einer zeitgenössischen Mode gesehen werden kann oder ob sich hier die tiefe Überzeugung, daß Grundideen zwischenmenschlichen Umgangs durch eine metaphorische Sprache besser vermittelt werden können, widerspiegelt. Wenn dem so ist, dann ist es möglich, sich der emblematischen Bildersprache aus der psycholinguistischen Perspektive zu nähern: Entsprechend könnten diese kryptischen Zeichnungen und Sätze einen Zugang zu den Ansichten eines Mannes eröffnen, der ein gebildeter Humanist war, der darüber hinaus die Bewegungen und Gegenbewegungen der politischen Szenerie scharf beobachtete und täglich Gelegenheit hatte, über das Spiel der Mächte nachzudenken. Auch im Anschluß an seine Münsteraner Zeit, während seines Aufenthaltes als schwedischer Gesandter in Paris, pflegte er seine politischen Interessen und publizierte sogar anonym das Pamphlet "La Fronde". [7]

Im "Hortus regius" hatte Rosenhane diverse Gelegenheiten, seine Kenntnisse moderner und klassischer Autoren zu zeigen. In unserem Manuskript gibt es einige Sentenzen, die direkt oder indirekt der klassischen Literatur entnommen wurden. Dafür sei hier nur ein Beispiel gegeben: Unter den Emblemen findet sich eine Hand, die eine Angelrute hält und mit der Unterschrift "Semper tibi pendeat hamus" (Du solltest immer den Köder auslegen) kombiniert ist. Diese Ermahnung, eine abwartende Haltung anzunehmen, entstammt - vielleicht überraschend - Ovids "Ars amandi" 3, 425 (Casus ubique valet; semper tibi pendeat hamus). Der Unterschied besteht darin, daß sie jetzt in einen Zusammenhang gestellt wird, in welchem sie eine allgemeinere Bedeutung erlangt als im Originaltext.

Hier nun einige grundlegende Vorstellungen, die den Ausgangspunkt für Rosenhanes allgemeine Weltanschauung bildeten: Sehr wichtig ist der Neostoizismus, der dominierende Trend im intellektuellen Leben des 17. Jahrhunderts. Angeregt durch seine philologischen Studien romanischer Literatur und Philosophie, hatte Justus Lipsius mit seiner bahnbrechenden Abhandlung "De constantia" (1584) einst den erfolgreichen Versuch unternommen, den antiken Stoizismus mit der christlichen Moral zu verbinden. Das Ergebnis war ein dogmatisches System von großer Homogenität, das für unterschiedliche Forderungen in Anspruch genommen werden konnte. Der Einfluß auf Schweden läßt sich in den Maximen Königin Christinas und den Schriften des großen Poeten und Humanisten Georg Stiernhielm nachweisen. Ein wegweisendes Prinzip ist "nobilitas animi", das von so unterschiedlichen Berufen wie Kriegern, Staatsdienern, Diplomaten und anderen, die ihre Karriere in einer Verdienstgesellschaft machten, angenommen werden konnte. Aber die theoretische Kenntnis dieser Prinzipien mußte fortwährend an die politische Realität angepaßt werden. Embleme und Sentenzen boten ihren Lesern praktische Ratschläge, Bilder und ihre Erläuterungen konnten so zu einem "florilegium"werden, das als Teil der akademischen und aristokratischen Bildung gesammelt wurde. [8] Dementsprechend nehmen die Embleme den Charakter von Ermahnungen an, die sich aus alltäglichen Dingen und Erfahrungen ergeben. Einige der Sinnbilder, die Rosenhane augenscheinlich aus den Erfahrungen seines Landhaushalts zog, schlugen sich in einer Abhandlung mit dem Titel "Oeconomia" nieder, die in neuerer Zeit verlegt wurde. Bei der Besprechung von Gartendekorationen empfahl er unter anderem "Emblemata". [9]

Der Gegensatz von "Virtus" und "Fortuna", wie er von der italienischen Renaissance eingeführt wurde, bildet die Grundlage für Rosenhanes emblematisches Denken. Unter den Entwürfen der Handschrift befindet sich eine teilweise unkenntlich gemachte Zeichnung der Fortuna zusammen mit Kommentaren. Die Göttin steht auf der Erdkugel, zwei Gesichter zeigend, die ihren wechselhaften Einfluß auf das menschliche Leben verdeutlichen: Einer Drohgebärde mit Kreuz, Schwert und Fesseln in ihrer Hand steht der sanfte Gesichtsausdruck und ein Füllhorn gegenüber. Diese Dichotomie findet sich auch in einem literarischen Entwurf wieder. Der Titel lautet "Faber Fortunae" und vermittelt inhaltlich einen Überblick über die Wechselfälle des Lebens.

Eine Fülle visueller Hinweise wird benutzt, um den menschlichen Kampf mit der wankelmütigen Fortuna zu demonstrieren: Schiffe, die Windmühle und die Erdkugel haben ihren Platz als etablierte Schicksalssymbole, während die Klugheit mit der kubischen Form verbunden wird. "Virtus" wird fortwährend als das Endziel allen menschlichen Bemühens bezeichnet, das von der göttlichen Vorsehung beherrscht wird. "Constantia" und "patientia" werden wiederholt als Waffen gegen die Versuchungen des Lebens hervorgehoben. Dem bekannten Vermächtnis des stoischen Determinismus folgend, ist es wichtig, von den verschiedenen Leidenschaften und Lastern unberührt zu bleiben. Die Embleme zeigen eine Reihe von Strategien auf, solche Schwierigkeiten zu meistern. So wie der Seemann Vorteile aus dem Wind ziehen und sich selbst erinnern muß, daß Sicherheit weder auf offener See noch im Hafen zu erreichen ist, sei es wichtig, auf alle Anfechtungen vorbereitet zu sein und unwichtige Dinge zu verschmähen. Man muß wachsam sein, weil Betrug und List ihre eigenen Strafen nach sich ziehen etc.

Mit einem Blick auf eines der zentralen Symbole, das - folgt man Paolo Giovio mit seinem "Dialogo delle Imprese militarie amorose" (1555) - Alciati als persönliches Emblem zugeschrieben wird, soll eine typische Auslegungsart der durch die italienische Tradition inspirierten Emblemsprache erläutert werden. In den Kommentaren von Claude Mignault (Claudius Minos), die regelmäßig zu der Alciatiausgabe gehörten, wird es folgendermaßen erklärt: Zusammen mit dem Lemma "Virtuti Fortuna comes", das zuvor von einem adeligen Juristen benutzt wurde, ist ein Heroldsstab mit Flügeln abgebildet, auf den der Flügelhut Merkurs aufgespießt ist. [10] Zwei Füllhörner und zwei Schlangen winden sich um den Stab. Dieser Stab weist als Symbol der Tugenden wie Weisheit und Beredsamkeit den Weg zu einem erfolgreichen Leben. Diese Bedeutung kann von allen gebildeten und weisen Menschen erkannt werden ("ad quocumque doctos & sapientes homines"). Nach Mignaults Interpretation stellt das Emblem die didaktische Fähigkeit eines fleißigen Redners dar, den Frieden zu erhalten, indem er den Andersdenkenden Gerechtigkeit widerfahren läßt.

Die Grundelemente dieses Emblems sind in einer von Rosenhanes Zeichnungen erhalten, die direkt von Alciati oder einem seiner Nachfolger inspiriert wurden. In diesem Fall hatte er die Sentenz "His dotibus aude" gewählt, augenscheinlich noch immer auf die grundlegende Bedeutung des ursprünglichen Einfalls konzentriert. Aus den Wolken ragt eine Hand, ein bevorzugtes Motiv in Emblemen, um nach einem Heroldsstab zu greifen, der mit einem Füllhorn gekrönt und von zwei Schlangen umwunden ist. Betont wird der preiswürdige Wert von Weisheit und Beredsamkeit. Das Lemma ist eine offene Forderung, die gegebenen Talente zu nutzen, um Erfolg zu erzielen.

Wählen wir ein anderes Beispiel, das sich bis in die Renaissance zurückverfolgen läßt: Man sieht einen Hund, der den Mond anbellt. In Schweden wurde diese Darstellung von Stiernhielm in einer Handschrift verwendet, wobei er dem Hund den Spruch "Canis sydus adlatrans" hinzufügte, was sich wiederum mit Alciatis "Inanis Impetus" deckte. [11] Rosenhane stellt die Verbindung zur Tradition her, indem er eine andere Lemmaversion anbietet: "Non moror latratus". Es besteht Grund zu der Annahme, daß er die Erklärung, die sich sowohl in den Werken Alciatis findet, als auch vom Dichter selbst lanciert wurde, übernommen hat: So wie der Mond leise seine Bahnen zieht, so führt ein Mensch ohne Fehler ein ruhiges Leben, lachend über das Gekläff und das Geschwätz der Menge verachtend.

Eine pessimistischere Haltung trat zutage, als Rosenhane ein Emblem schuf, das bereits Pierio Valeriano in seiner "Hieroglyphica" formuliert hatte. Das Spinnennetz wird als Metapher benutzt, um zu illustrieren, daß die Gesetze der Gesellschaft brüchig sind und keineswegs die Rechte der Armen garantieren. Diese Vorstellung taucht bei Joachim Camerarius auf, der dasselbe Motiv benutzte, das auch Stiernhielm kannte. [12] Die kleinen Insekten fangen sich im Netz, während sich Wespen und Bremsen brutal ihren Weg durch die Maschen bahnen. Rosenhanes Zeichnung ist mit dem vielsagenden Satz "Capiunt subtilia muscas" beschriftet.

Eines der Embleme in "Hortus Regius" beschreibt die Karriere bei Hof und den Konkurrenzkampf, den man auf dem Weg zu diesen Höhen bewältigen muß. [13] Die Gefahren und Versuchungen des Hoflebens, bereits im 16. Jahrhundert Thema der politischen Literatur, ließen sich leicht in visuelle Metaphern verwandeln. Als Staatsdiener hatte Rosenhane natürlich tiefe Einsichten in diese Gesellschaft; politisch bezog er Position zugunsten eines Lagers, das von der Familie Oxenstierna dominiert wurde. Die utopische Idee, einen friedlichen Standpunkt weit weg von den Heimsuchungen des politischen Lebens zu finden, ist in einer Zeichnung dargestellt, die unterschrieben ist mit dem Satz "Hic quiescendi meta": Ein Mann sitzt auf dem Gipfel eines Bergs, der als "Mons aulicus" ausgewiesen wird. Um die Abhänge herum finden sich Texte, die eine Ikonographie von Schrecken und Gefahren evozieren, wie Wolken, Blitze, Regen und Hagel sowie Löwen, Wölfe, Schlangen und Füchse, Tiere, die als Symbole für List und Betrug etabliert waren.

Als Quintessenz der Embleme erscheint das umfangreiche Programm einer allegorischen Darstellung eines jungen Mannes, der mit den Herausforderungen seines zukünftigen Lebens konfrontiert wird. Der Text scheint sich an einen Künstler zu richten, der eine Komposition voller symbolischer Details in Angriff nimmt: Dargestellt werden soll ein geflügelter Mann, der ein Pferd mit Scheuklappen reitet. Dieses hat seine Hufe zum Sprung bereit. Vor dem Reiter kann man einen Wassergraben und Felsen sehen, dahinter eine Stute. Diese Szene soll ergänzt werden durch weitere Einzelheiten wie Feuer, einen Wolf, einen Spiegel und den Teufel. Als Text kann man "Talis est conditio nostra" lesen.

Embleme zielen oft auf das Paradoxon, sind eine plötzliche Einsicht als Ergebnis scheinbar unvereinbarer Gegensätze. Eine elegante Wendung dieser Idee wird von Rosenhane demonstriert, indem er einen Mann zeichnete, der ein Boot rudert. Gemäß dem Spruch "Faciem quo tendit avertit, vel, quo tendit tergum vertit" wendet er sein Gesicht von der Seite, auf die er zusteuert, ab, bzw. er kehrt seinem Ziel den Rücken zu. Für Menschen, die mit der diplomatischen Praxis vertraut sind, spiegelt dieses Sinnbild sofort eine Welt problematischer Beziehungen wider.

Obwohl Rosenhane den Glauben der Humanisten an die Würde des Menschen im allgemeinen teilte, nahm er oft eine pessimistische, teils sogar desillusionierte Haltung gegenüber den Möglichkeiten, Glück und Erfolg zu erreichen, ein. Wir sollten unsere eigenen Ressourcen soweit wie möglich nutzen und an der Stabilität etablierter Normen festhalten, die auf Klugheit und Tugend basiert. Dies würde auch die Fähigkeit einschließen, den verschiedenen Arten von Leidenschaften nachzugeben. Freiheit dauert niemals ewig; und der Vogel im Käfig teilt die gleiche Bestimmung wie der außerhalb der Gitter. Träume von einem Leben in zufriedener Zurückgezogenheit mischen sich unter Einsichten in Existenzkonflikte: besser nachgeben als sich in einen hoffnungslosen Kampf zu begeben, und niemals reichen und mächtigen Menschen vertrauen. Einerseits stimmt Rosenhane mit der Herkulesparabel, die beispielhaft für die Renaissance und seine eigene Zeit steht, überein, daß Anstrengung der einzige Weg zur Tugend sei. Andererseits kannte er, in die politischen Geschäfte involviert, die machiavellistischen Grundsätze und erweist sich als sehr wachsam gegenüber dem Risiko, getäuscht zu werden. Wie in einem der Embleme zum Ausdruck gebracht wird: Diejenigen, die sich nach allen Seiten hin anpassen, werden nie mit irgend jemandem übereinstimmen.

Rosenhanes Ambitionen scheinen in der Tat weitreichend gewesen zu sein. Er teilte die zeitgenössische Überzeugung, daß die Kenntnis verschiedener Sprachen nicht Selbstzweck, sondern eine Hilfe in praktischen Situationen sei. Dies galt auch für die visuelle Sprache. Es hat sich gezeigt, daß visuelle Metaphern sogar im Reichsrat, also auf der höchsten politischen Ebene, angewendet wurden und eine Funktion analog zu Zitaten aus der klassischen Literatur erfüllten. [14] Die Embleme können daher als Teil eines umfassenden Bildungsprogrammes angesehen werden. Beim Notieren seiner Zeichnungen und Sentenzen mag Rosenhane auch an seine eigenen Kinder gedacht haben, deren Bildung - wie Briefe und Erinnerungen bezeugen - ihm ein wichtiges Anliegen war.

Was auch immer seine Intentionen gewesen sein mögen, Rosenhane war von den moralischen und intellektuellen Standards einer Elite beeinflußt, die mit seiner Botschaft übereinstimmten. Es bleibt die reizvolle Vorstellung, daß er eine Sammlung erwog, in der Moralphilosophie verbunden sein sollte mit der Funktion eines nützlichen Nachschlagewerks für Diplomaten und andere Personen von Rang, die eine Balance zwischen den Höhen der "nobilitas animi" und den praktischen Herausforderungen politischen Lebens finden mußten.



ANMERKUNGEN -  Siglenliste für Literaturangaben

1. Immer noch unentbehrlich für diesen Themenkomplex ist Praz 1939-42.
2. Gjörwell 1763, S. 516-621 (deutsche Übersetzung in Schlözer 1768); ein Forschungsbericht zu Rosenhanes Leben mit bibliographischen Hinweisen bei Mörner 1996.
3. Hugenroth 1991, S. 17ff.
4. Rosenhane 1978.
5. Universitätsbibliothek Uppsala, Rosenhane-Sammlung, Signatur X 290f. Die Existenz dieses Manuskripts wurde bereits erwähnt bei Ellenius 1954/55.
6. Ellenius 1973/74.
7. Rosenhane 1649.
8. Vgl. Åslund 1992.
9. Rosenhane 1944.
10. Alciati 1600, S. 424.
11. Alciati 1600, S. 567. Vgl. ferner Friberg 1945, S. 55.
12. Vgl. Friberg 1945, S. 61ff.
13. Rosenhane 1978, S. 48.
14. Ellenius 1973/74, S. 180f.


QUELLE     | 1648: Krieg und Frieden in Europa | Bd. 1, S. 397-402
PROJEKT    1648 - Westfälischer Friede

DATUM AUFNAHME2005-10-31
AUFRUFE GESAMT3508
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