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TITELRathaus Lemgo


INFORMATIONLemgo ist eine der ersten einer Reihe von Gründungsstädten der Edelherren zur Lippe. Bernhard Il. zur Lippe (um 1140-1224) hatte als Anhänger Heinrichs des Löwen die außerordentliche Bedeutung des Städtewesens zur Schaffung von wirtschaftlichen und politischen Machtzentren kennengelernt. Nach Heinrichs Sturz (1180) übernahm Bernhard II. für sein Territorium dessen Politik der Städtegründungen. Um 1190 errichtete er die Stadt Lemgo, die wie alle lippischen Gründungsstädte durch ihr regelmäßiges Schema der Straßen und durch ihre Lage an zwei Fernstraßen geprägt ist.

Der ursprüngliche Stadtkern von Lemgo bildet ein gestrecktes Oval mit drei parallelen Längsstraßen, die durch ebenfalls parallel angelegte Querstraßen rechtwinklig geschnitten werden. Die Längsstraßen laufen vor dem ehemaligen Ostertor im Osten der Stadt zusammen und sind im Westen durch eine Querstraße verbunden. Die Planmäßigkeit der Anlage wird noch dadurch betont, daß der Marktplatz, das Rathaus und die Pfarrkirche St. Nikolai sich in der Stadtmitte befinden, am Kreuzungspunkt der Handelswege von Herford nach Hameln sowie von Paderborn über den Hellweg nach Lemgo und weiter zur Weser. Diese Orientierung an den Fernstraßen verweist deutlich auf die wirtschaftlichen Absichten, die hinter der Stadtgründung standen.

Bernhard III. zur Lippe (gest. 1265) bestätigte Lemgo 1245 die Stadtrechtsurkunde nach Lippstädter Recht. Mit dem Stadtrecht war Lemgo zugleich das Marktrecht verliehen und Einheimischen wie Ankommenden Zollfreiheit gewährt worden, was den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt weiter förderte. Bereits Mitte des 13. Jahrhunderts gründete Bernhard III. südlich im direkten Anschluß an die Altstadt eine Neustadt, in der überwiegend Handwerker siedelten, die aber mit eigenem Marktplatz, Rathaus und Kirche völlig unabhängig von der Altstadt war und 1283 auch ein eigenes Stadtrecht erhielt. Der Grundriß der Neustadt folgte jedoch mit zwei Längsstraßen, die auch im Osten zusammenliefen und durch Querstraßen verbunden waren, ebenfalls dem lippischen Gründungsschema.

Markt und Fernhandel, auf denen der schnelle wirtschaftliche Aufstieg der Stadt beruhte, lagen ausschließlich in der Hand der Gilde der Kaufleute. Bereits Ende des 13. Jahrhunderts gehörte Lemgo zum Kölnischen Quartier der Hanse und pflegte lebhafte Handelsbeziehungen nach Finnland, Gotland, Flandern und England. Die Kaufleute bestimmten neben dem wirtschaftlichen auch das politische Leben der Stadt. Sie stellten das Stadtregiment mit Ratsherren sowie Bürgermeister. In ihrem Besitz befand sich auch das Gebäude des späteren Rathauses. 1365 wurden Alt- und Neustadt unter einem gemeinsamen Rat vereinigt, so daß nun auch die Handwerker an der Stadtherrschaft beteiligt waren. Von dem raschen Aufblühen der Wirtschaft Lemgos und dem Wohlstand der Bürger profitierte die Stadt auch in kultureller Hinsicht: Zahlreiche Bauten aus der Zeit der Renaissance prägen bis heute das Stadtbild.

In der Stadtmitte, zwischen Kirche und Markt, steht das Rathaus von Lemgo. Der malerische Gruppenbau ist vorwiegend in der Zeit vom 15. bis 17. Jahrhundert errichtet worden und nimmt mit seiner westlichen Langseite die ganze Ostfront des Marktplatzes ein. Ältester Teil des Rathauses ist der im Osten gelegene Saalbau, der anstelle eines abgebrannten Vorgängers um 1350/60 aufgeführt wurde. Neben einem Weinkeller bestand der Bau ursprünglich aus zwei übereinanderliegenden Sälen, die im 16. Jahrhundert im südlichen Teil zu einem einzigen hohen Raum vereinigt wurden. Der Fialengiebel der Südfront ist einer der ältesten erhaltenen ostwestfälisch-lippischen Ziergiebel. Anfangs befand sich hier - neben einem weiteren spätgotischen Portal an der Ostseite - der Haupteingang mit einer Freitreppe, woran noch ein vermauertes, spitzbogiges Doppelportal mit männlichen Kopfmasken über den Bogenscheiteln erinnert. Der Saalbau wurde überwiegend als Kauf- und Markthalle, aber auch als Versammlungsraum und für Festlichkeiten genutzt, der Dachstuhl diente als Kornboden. Als Baumaterial wurde in erster Linie verputzter Bruchstein mit Werksteingliederungen verwandt, doch bestehen spätere Anbauten wie Ratskammergiebel, Laube und Kornherrenstube, Ratsstuben- und Apothekenerker vollständig aus Werkstein.

Vor dem Nordgiebel des Saalbaus errichtete der Lemgoer Baumeister Hermann Wulff 1565 eine einstöckige "Ratslaube", deren Formensprache schon die für die späte Weserrenaissance typische reiche Ornamentik zeigt, wie die Rustikaquader am Sockel und das Rollwerk an den seitlichen Brüstungen. Die Bogenöffnungen der Laube werden von ionischen Pilastern gerahmt, und über dem seitlichen Eingangsbogen mit einer schlichten Freitreppe befinden sich die für Hermann Wulff charakteristischen, aus Medaillons hervorstehenden Büsten eines Mannes und einer Frau. 1589 stockte Georg Croßmann, der ebenfalls aus Lemgo stammte, die Laube um ein vorkragendes Obergeschoß auf. Die "Kornherrenstube" zeigt die voll entwickelten manieristischen Formen der Weserrenaissance. In den eingetieften Brüstungsfeldern befinden sich Flachreliefs mit den Allegorien der sieben freien Künste, eine Anspielung auf das Bildungs- und Menschheitsideal des Humanismus. Die darüberliegende Zone wird durch hohe, mittels schlanker Säulen gegliederte Fenster aufgelöst. Der lebhaft geschweifte Giebel ist mit Beschlagwerkbändern eingefußt, die sich an ihren Enden zu Voluten aufrollen und auch in der Fläche fortgesetzt sind. Auf der Giebelspitze steht eine Figur der Caritas.

Das Zusammenlegen der Räte von Alt- und Neustadt im Jahre 1365 machte einen eigenständigen Versammlungsraum für die Sitzungen des Rates notwendig. Um 1370/1380 wurde in der Mitte der Marktfront die "Ratskammer" mit eigenem Giebel, quer zum Dach des Saalbaus erbaut, die 1480 durch einen Neubau ersetzt wurde. Im Erdgeschoß diente die offene Laube zugleich als Gerichtshalle, und hinter den drei großen, vierbahnigen Fenstern im Obergeschoß lag die Ratskammer. Über dem Sturz des mittleren Fensters befindet sich ein quadratisches Sandsteinrelief mit dem Bild des ältesten Stadtsiegels, welches eine befestigte Stadt mit schräggestellten Stadtmauern, breitüberdachtem Torturm und zwei kleineren, spitzbedachten Türmchen zeigt. Am Tor ist der Schild des Landes- und Stadtherrn, des Edelherrn zur Lippe, mit der fünfblättrigen Rose - hier als Zeichen der Stadt zu deuten - angebracht. Insgesamt vermittelt die Fassade durch wechselnde Fenstergrößen und Achsenabstände bzw. Geschoßhöhen einen lebhaften Eindruck. Der spätgotische Staffelgiebel betont vor allem durch die ungewöhnlich große Mittelstaffel den dominierenden Charakter der Fassade in bezug auf die gesamte Westfront des Rathauses. In die durchbrochenen Staffelecken sind Vierpaßrosetten mit Wappenschilden eingefügt. Zudem werden die unteren Staffeln durch je zwei, die Mittelstaffel durch fünf auf Zinnen gesetzte Fialen bekrönt.

Nördlich der Ratskammer, parallel zum Saalbau, entstand 1522 der "Neue Bau", der seit 1559 die Ratsapotheke beherbergt. Der Nordgiebel des eigenständigen Satteldaches besitzt ein schlichtes Giebeldreieck, bekrönt von einer zierlichen Firststaffel mit drei Fialen. Wie bei der Ratskammer öffnete sich das Erdgeschoß ursprünglich als Bogengang zum Markt, doch wurde dieser 1611/1612 vermauert bzw. die nördliche Arkade abgerissen und durch eine zweistöckige, übergiebelte Auslucht ersetzt. Der "Apothekenerker" der Baumeister Hermann und Johann Roleff aus Lemgo ist eines der Glanzstücke der späten Weserrenaissance. Beide Geschosse gliedern sich in eine Sockelzone, einen fast völlig in Fenster aufgelösten Mittelteil und eine Architravzone. Die dreiteiligen Fenster werden durch ionische bzw. korinthische Säulen und Gesimsverkröpfungen in den Hauptachsen betont. Die obere Brüstung ist durch Beschlagwerklisenen gegliedert, und in den Brüstungfeldern befinden sich flache Rundnischen mit zehn Halbfigurenreliefs berühmter Naturforscher, Philosophen und Ärzte von der Antike bis zur Renaissance, die die Hinwendung zu Bildung und Gelehrsamkeit in humanistischer Zeit widerspiegeln. Die Säulen des Obergeschosses werden von den Allegorien der fünf Sinne geschmückt. Der ornamentale und figürliche Schmuck der Auslucht steigert sich über die zwei Geschosse bis zum üppig mit Rollwerk verzierten Giebel. Geschweifte Volutenbänder bilden den Giebelumriß und überziehen auch die Giebelfläche. Im Mittelfeld über einer vorgekröpften Ädikula mit Fruchtgehängen an den ionischen Pilastern halten Greif und Löwe über einer Maskenkonsole einen Rollwerkschild mit dem Stadtwappen; den Abschluß des Giebels bildet über dem Deckgebälk eine Volutenbekrönung mit einem Obelisken (1930).

Südlich der Ratskammer liegt das ehemalige Wohnhaus des "Winteppen", des Pächters des Weinkellers, das Georg Croßmann 1589 baute. Im Erdgeschoß befinden sich zwei flache Stichbögen mit Zierquadern und einem Löwenkopf im Scheitel. Über dem Mittelfenster des Obergeschosses ist ein von kannelierten Pilastern auf Konsolen eingefaßter Schild mit dem Stadtwappen, gehalten von Greif und Löwe, angebracht. Das Stadtwappen zeigt auf silbernem Grund eine blaue Rose - ein Hinweis auf den Stadtherrn von Lemgo - mit goldenem Stempel (Butzen). Über dem Deckgesims findet sich zwischen Obelisken ein kleiner Beschlagwerkgiebel mit einem Engelskopf und Kugelknäufen auf den Voluten sowie der Spitze.

Im Laufe des 16. Jahrhunderts nahm das Schriftgut von Rat wie Verwaltung spürbar zu, und die Stadt begann zudem mit der systematischen Sammlung von Urkunden und Akten. Daher errichtete Georg Großmann in demselben Jahr wie das Winteppenhaus im Süden der Marktfront die "neue Ratsstube" mit großen Holzschränken im Obergeschoß. Winteppenhaus wie Ratsstube erhielten ein gemeinsames Satteldach parallel zum Saalbau. Auf dem spätgotischen Bogengang des Erdgeschosses ruht auf Steinkonsolen, deren Arkaden mit Zierquadern und je drei Löwenköpfen besetzt sind, ein doppelgiebeliger Erker. In der Spitze zwischen den Bögen sitzt eine flache, rundbogige Nische, in der sich hinter einem Rollwerkschild mit dem Stadtwappen ein Engel mit einem Stab befindet. Die Erkerfront selbst ist in dreibahnige Fenster aufgelöst, die durch schlanke Säulen gegliedert werden, deren Schäfte Flachreliefs der fünf Kardinaltugenden zeigen. Die beiden gleich ausgebildeten Giebel werden von Beschlagwerkbändern mit Kreisscheiben und Rauten eingefaßt. Die Giebelflächen sind durch senkrechte und waagerechte Beschlagwerkstreifen gegliedert. An den Seiten befinden sich schlanke Obelisken und an den Giebelecken steinerne Kugelknäufe auf Voluten. Die Giebelspitze bilden Masken mit Fruchtgehängen und Wetterfahnen. In der Mitte beider Giebel befinden sich je ein runder Rahmen mit einem Wappenrelief, das auf der linken Seite das Wappen des Grafen Simon Vl. zur Lippe, auf der rechten das Wappen seiner Gemahlin Elisabeth von Holstein-Schaumburg zeigt. Die schlichte Südseite der Ratsstube besitzt einen zweigeschossigen, durch Gesimse gegliederten Dreiecksgiebel, dessen Giebelschrägen mit je vier Steinkugeln besetzt sind. Die Spitze besteht aus einem schlichten Aufsatz in Form einer Ädikula, deren segmentbogiger Abschluß mit zwei Kugeln und einer reich verzierten Wetterfahne versehen ist.


Literatur

O. Gaul/U.-D. Korn
Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Bd. 49/Teil I: Stadt Lemgo, Münster 1983.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt


QUELLE    Killing, Anke | Historische Rathäuser in Westfalen | Dia 05, S. 25-29
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Ort2.5.11   Lemgo, Stadt
Sachgebiet3.11   Städte und Gemeinden, Ober-/Bürgermeister/Ober-Bürgermeisterin, Mitarbeiter
15.8   Architektur, Baudenkmäler, Architekt/Architektin
DATUM AUFNAHME2004-02-26
AUFRUFE GESAMT2312
AUFRUFE IM MONAT87