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(150 KB)   Elektrische Beleuchtung im Garten, Dortmund 1912 / Recklinghausen, RWE Westfalen-Weser-Ems AG, Archiv   Elektrische Beleuchtung im Garten, Dortmund 1912 / Recklinghausen, RWE Westfalen-Weser-Ems AG, Archiv
TITELElektrische Beleuchtung im Garten, Dortmund 1912
DATIERUNG1912


INFORMATIONDas vorliegende Bild zeigt die abendliche Ansicht eines größeren, von einer Mauer umgebenen Gartens. Links ist eine sechsköpfige Personengruppe in einer Gartenlaube um einen Tisch versammelt. Rechts im Vordergrund ist ein runder Teich mit einer Fontäne in der Mitte zu sehen. Das wichtigste Bildmotiv ist jedoch zweifellos die Vielfalt an elektrischen Beleuchtungskörpern, die im Bild erscheint: Über dem Tisch in der Gartenlaube hängt eine heil strahlende Bogenlampe. Eine noch größere Lampe schwebt scheinbar - vermutlich an einem Drahtseil aufgehängt - in der rechten oberen Bildecke über dem Garten. Die aufsehenerregendste Beleuchtung findet sich an dem kleinen Teich: Er ist von zwei ineinandergestaffelten Kreisen von jeweils über 20 Glühbirnen umgeben, die verstärkt noch durch die Spiegelung im Wasser einen hellen Lichterglanz erzeugen. Zwischen den Leuchtkörpern sind verschiedene Pflanzen zu erkennen, die durch das helle Licht sehr gut zur Geltung kommen.

Elektrisches Licht als Luxusgut und Statussymbol, das man vorzeigen möchte - dies ist die zentrale, von den Auftraggebern möglicherweise auch gewünschte Botschaft des Bildes. "Wir können es uns leisten, sogar im Garten eine zweistellige Zahl von elektrischen Lampen zu verlegen." So möchte man die Bildaussage in Worte fassen, gerade, wenn man weiß, daß zur Entstehungszeit des Bildes 1912 nur ganz wenige Haushalte eine solche Anlage kaufen konnten.

Erst seit ca. 1930 und in vielen ländlichen Gebieten sowie in ärmeren Bevölkerungskreisen auch erst nach 1945 kann man von einer wirklichen Verbreitung des elektrischen Lichts sprechen. Jedoch: In besseren wie in ärmeren Kreisen gleichermaßen veränderte das elektrische Licht auf grundlegende Weise das Alltagsleben. Freilich traten diese Veränderungen je nach Geldbeutel früher oder später und in sehr verschiedenem Umfang auf, wie das vorliegende Foto nachhaltig belegen kann.

Die mühsame und zeitaufwendige Handhabung, Reinigung und Wartung älterer Lichtquellen, vor allem der Petroleumlampen, entfiel. Viele Kinder freuten sich darüber sehr, denn ihnen war oft das tägliche, aufwendige und "scherbenträchtige" Putzen der Lampenschirme als Aufgabe zugeteilt gewesen. Allerdings gab es auch professionelle Lampenputzer und Gaslaternenanzünder, die sich mit Anbruch der Elektrifizierung eine neue Erwerbsquelle suchen mußten.

Das elektrische Licht war gegenüber älteren Lichtquellen - wenn die erzeugte Strommenge ausreichte - wesentlich heller und vor allem auch viel breiter gestreut. Es gab also nicht mehr nur "Lichtinseln" in einem ansonsten finsteren Raum, sondern man konnte "die Nacht zum Tage machen", wie eine von damals bis heute gebräuchliche Redewendung es ausdrückt.

In früheren Zeiten saßen die Menschen abends um einen Tisch mit einer Petroleumlampe herum und gingen ihren unterschiedlichen Beschäftigungen wie z.B. Pfeiferauchen, Lesen, Stricken oder Schreiben nach. Mit der Verbreitung des elektrischen Lichts und seiner wesentlich weiteren Streuung konnten sich die Menschen im Raum oder sogar - je nach Finanzkraft und also der Anzahl der verfügbaren Lichtquellen - über mehrere Räume verteilen. Sie waren also weniger auf die Nähe zueinander angewiesen und konnten individueller agieren: das elektrische Licht erscheint hier als ein Wegbereiter der Individualisierung in der modernen Gesellschaft!

Die Abhängigkeit des gesamten Lebensrhythmus von der Helligkeit des Tages nahm ab. Viele junge und alte Menschen suchten jetzt - nach einem arbeitsreichen Tag - der Nachtruhe noch etwas mehr Freizeit abzuknapsen, indem sie bei dem bequemen elektrischen Licht z.B. noch in einem Buch lasen.

Ältere Lichtquellen wie etwa der Kienspan waren sämtlich hochgradig feuergefährlich und stellten z.B. im Stall eine große Gefahr dar. Aus diesem Grund wurden viele vertraute und oft wiederkehrende Tätigkeiten wie z.B. das Melken oder das Ausmisten des Stalles im Dunkel oder Halbdunkel verrichtet. Man suchte die Gefahr zu vermeiden, denn man hatte die entsprechenden Tätigkeiten sowieso "im Griff", ohne sie richtig sehen zu müssen. Das ist der Ursprung dieser noch heute vertrauten Redewendung.

Bezüglich der Feuergefahr bot das elektrische Licht Abhilfe, wenngleich es in der Anfangszeit durch die unsachgemäße Handhabung von Leitungen, Schaltern, Sicherungen usw. ebenfalls zu manchen Feuerausbrüchen kam.

Die neue Lichtquelle diente auch zu ei er besseren Kontrolle der Umwelt. Sie erhöhte das Sicherheitsgefühl der Menschen im privaten wie im öffentlichen Raum wesentlich. Die Dunkelheit bot - Kindern als auch Erwachsenen - viel Anlaß für einerseits sehr berechtigte Befürchtungen und andererseits für viele irrationale Ängste. In schlecht beleuchteten Innenräumen konnte man stolpern und sich verletzen oder man konnte etwas verlieren und nicht mehr wiederfinden. Außerhalb des Hauses drohten noch wesentlich mehr Gefahren: Man konnte sich verirren, einen Unfall erleiden oder verfolgt und überfallen werden. Straßenräuber nutzten (und nutzen) vor allem schlecht beleuchtete Wege für ihre Zwecke.

Erst seit dem 17. Jahrhundert wurde in Städten wenigstens versucht, die Beleuchtung stärker obrigkeitlich zu organisieren, um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen. Bis dahin lag die Straßenbeleuchtung ausschließlich im Ermessen der jeweiligen Hausbesitzer. Auf dem Land ist eine nennenswerte öffentliche Beleuchtung von Höfen und Straßen erst in diesem Jahrhundert - eben mit dem elektrischen Licht - eingeführt worden, so daß auch hier Tiere, die ja oft eine Bedrohung der bäuerlichen Vorratshaltung darstellten, und "lichtscheues Gesindel" abgehalten werden konnten.

Die unsicheren und vielfach flackernden Lichtquellen früherer Jahrhunderte ließen viel Raum auch für irrationale Ängste. Schatten bewegten sich, Entfernungen verzerrten sich, außerhalb eines kleinen Lichtkegels begann das Zwielicht und dahinter lauerte das Unbekannte. Ein Mehr an Licht brachte - zumindest potentiell - auch ein Mehr an Erkenntnis der Umwelt. Nebenbei gesagt: Auch schon der auf das 18. Jahrhundert bezogene Epochenbegriff "Aufklärung" hatte diesen Zusammenhang ausgedrückt. Goethes letzter Wunsch soll gelautet haben: "Mehr Licht!". [1]

Für Zeitzeugen der Elektrifizierung steht das Positive der Entwicklung im Vordergrund, der immense Gewinn an Arbeitserleichterung, Naturbeherrschung, Freizeit- und Informationsmöglichkeiten. Doch auch von Verlusten ist zu hören: "Ich glaube, daß mir der Sternenhimmel nie schöner geschienen hat, wie damals, als noch nicht so viel Beleuchtung war." [2] Wenn eine Zeitzeugin betont, daß "..., ältere Menschen sagen, mit dem elektrischen Licht hätten die Geister aufgehört,.. ." [3], so ist nicht eindeutig, ob damit vielleicht auch ein Verlust gemeint ist.

Elektrisches Licht trug sicher auch zur "Entzauberung der Welt" bei, auch wenn Max Weber diesen Ausdruck nicht ausschließlich auf die Elektrizität bezogen hat. Die "Romantik", "Gemütlichkeit", "Geborgenheit" ist für viele Menschen mit dem elektrischen Licht verlorengegangen. Für Tanzveranstaltungen galt außerdem: "Etwas Dunkelheit war dem jungen Volk gar nicht so unangenehm. Die Musikanten spielten nach dem Gehör. " [4]

Das Lebenstempo insgesamt steigerte sich nun. Durch das verbesserte Licht konnte man nun auch abends die Arbeiten sehen, die noch verrichtet werden mußten: "Je mehr Erleichterung eintrat, um so mehr stellte man Anforderungen." [5]


[1] Arnold, Viktoria (Hrsg.): "Als das Licht kam": Erinnerungen an die Elektrifizierung. Wien, Köln, Graz 1986, S. 123.
[2] Arnold, Viktoria (Hrsg.): "Als das Licht karr": Erinnerungen an die Elektrifizierung. Wien, Köln, Graz 1986, Bericht Hilde Haferlbauer, S. 186.
[3] Arnold, Viktoria (Hrsg.): "Als das Licht kam": Erinnerungen an die Elektrifizierung. Wien, Köln, Graz 1986, Bericht Barbara Waß, S. 269.
[4] Arnold, Viktoria (Hrsg.): "Als das Licht kam": Erinnerungen an die Elektrifizierung. Wien, Köln, Graz 1986, Bericht Theresia Egger, S. 235.
[5] Arnold, Viktoria (Hrsg.): "Als das Licht kam": Erinnerungen an die Elektrifizierung. Wien, Köln, Graz 1986, Bericht Johanna Scherleitner-Stuckheit, S. 142.


TECHNIKFoto
FORMATjpg


OBJEKT-PROVENIENZRecklinghausen, RWE Westfalen-Weser-Ems AG, Archiv


QUELLE    Bolle, Rainer | "Als das Licht kam..." | Dia 08, S. 32-35
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort1.2   Dortmund, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet7.4   Infrastruktur, Infrastrukturpolitik
7.5   Energieerzeugung, Energieversorgung
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT289
AUFRUFE IM MONAT82