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(79 KB)   Kraftwerk und Hydrieranlage, Gelsenkirchen-Horst / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem   Kraftwerk und Hydrieranlage, Gelsenkirchen-Horst / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem
TITELKraftwerk und Hydrieranlage, Gelsenkirchen-Horst


INFORMATIONDas auf dem Bild abgebildete Steinkohle-Hydrierwerk (Maschinenhalle und Kesselhaus) in Gelsenkirchen-Horst wurde 1937 von den Essener Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer entworfen. Der mehrgeschossige, kubische Monumentalbau im damals neuen Stile des Funktionalismus mit übernommener expressionistischer Fassadengestaltung ist eine Stahlbetonkonstruktion. Mehrere verschieden hohe und kompakte Baukörper sind zusammengefaßt, deren Höhen durch die Schornsteine hervorgehoben werden. Die rechts angrenzenden langen, schmalen Flügelbauten dienten als Büroteil.

Das Hydrierwerk gehörte zum ehemaligen Kraftwerk der Gelsenberg Benzin AG und liegt heute auf dem Gelände der VEBA-Tochter Ruhr Öl AG an der Koststraße. Die unrentabel gewordene Kohlehydrieranlage schloß 1981 ihre Tore. Das ehemalige Kraftwerk und die Hydrieranlage der Gelsenburg Benzin AG liegen auf dem Gelände der VEBA-Tochter Ruhr Öl AG. Im Hydrierwerk wandelt eine Hydrieranlage Kohle in Öl um. Bei dem sogenannten "Kohleverflüssigungsverfahren" wird Kohle unter Zufügung reinen Wasserstoffs z. B. in Heiz- oder Dieselöl, Vergaser- und Leichtbenzin verflüssigt. Durch Unterbrechen der chemischen Reaktionen werden die gewünschten Produkte bei diesem Verfahren hergestellt. Mit dem von Bergius entwickelten Kohleverflüssigungsverfahren wurden 1928 in Leuna/DDR bereits 100.000 Tonnen Benzin aus Braunkohle gewonnen. Die 12 Hydrier- und weitere 9 Synthesewerke produzierten 1943 in Deutschland 4 Mio. Tonnen Benzin aus Stein- und Braunkohle. Unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Bedingungen bilden flüssige Kohleprodukte keine Konkurrenz für das Erdöl. Trotzdem gilt die Kohleverflüssigung als Zukunftsaufgabe, um der Abhängigkeit vom Erdöl zu begegnen und die Energiegewinnungsformen zu vervielfältigen.

1978, also vor Verabschiedung des Denkmalschutzgesetzes NW, nahm der Landeskonservator die Anlagen des Kraftwerks Gelsenkirchen-Horst in die "Liste des zu schützenden Kulturgutes in der Stadt Gelsenkirchen" auf. Nach Stillegung der Hydrieranlage 1981 wurden wesentliche Funktionsteile demontiert Die Gebäude verfielen wegen fehlender Investitionen. Eine Möglichkeit zur Umnutzung dieses Industriedenkmals fand sich nicht.

Erst im Mai 1986 rückten die ehemaligen, nun im desolaten Zustand befindlichen Anlagen in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses. Eine Lokalzeitung meldete, daß das Kraftwerk "nur bei Experten Gefallen" fände. Denkmalpfleger beabsichtigten, die Anlage als Zeugnis industrieller Geschichte unter Schutz zu stellen. Einzelne Politiker schüttelten die Köpfe und sprachen von einem "heruntergekommenen Kasten". Auch der Grundstückseigentümer, die VEBA Öl AG, lehnte eine Eintragung in die Denkmalliste ab. Der Gelsenkirchener Denkmalpfleger plädierte hingegen für die Aufnahme in die Denkmalliste und wies in einem Vergleich auf Förderturme hin, um die man sich reiße. [1]

Ende Mai 1986 stellte die Stadt Gelsenkirchen das Kraftwerk der Hydrieranlage gemäß § 3 DSchG unter Schutz, nachdem das Benehmen mit dem Westfälischen Amt für Denkmalpflege (WAFD) hergestellt war. Im folgenden Monat berichtete das Stadtplanungsamt Gelsenkirchen als Untere Denkmalbehörde dem Westfälischen Amt für Denkmalpflege von baulichen Veränderungen und der Beseitigung der Kohleverflüssigungsanlagen. Restbestände waren vorhanden, die fotografisch dokumentiert werden sollten. Dem Stadtplanungsamt war es wichtig, aus jeder Entwicklungsphase Fritz Schupps ein Objekt in der Stadt zu erhalten. Doch schon während des Anhörungsverfahrens legte die Ruhr Öl AG GmbH, vertreten durch die VEBA Öl AG, Widerspruch mit der Begründung ein, das einstige Kraftwerk Gelsenberg sei in seiner Substanz kein Denkmal im Sinne des § 2 DSchG. Die öffentliche Ordnung erfordere die Beseitigung der im Vorfall befindlichen Gebäude. Gleichzeitig berief sich die VEBA auf eine Kurzschreibung des Landesamtes für Denkmalpflege aus dem Jahre 1978, in der erklärt wurde, daß "Anlagen dieser Größe und Spezialisierung nur erhalten werden können, wenn sie sinnvoll ökonomisch genutzt werden". Ferner sollten Gespräche mit dem WAFD ergeben haben, daß eine Unterschutzstellung ohne Folgenutzung nicht befürwortet wird. Außerdem fehlten Denkmaleigenschaften des Kraftwerkes, das im Ruhrgebiet auch keine Rarität sei. Eine Konservierung des "innerhalb eines produzierenden Industriebetriebes" liegenden Gebäudes würde allein 12 Mio. DM verschlingen. Statt dessen plante die Ruhr Öl im Juli 1986 den Abbruch von Kraftwerk und Nebenanlagen. Dazu stellt die Ölgesellschaft den entsprechenden Antrag bei Bauordnungsamt Gelsenkirchen. Bei einem Ortstermin in der zweiten Septemberhälfte 1986 mit Vertretern der Stadt Gelsenkirchen, des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege und der Ruhr Öl AG machte die Anlage auf die Beteiligten einen verwahrlosten Eindruck. Dennoch erklärten die Denkmalpfleger, daß es sich um ein bedeutendes Baudenkmal gemäß § 2 Abs. 2 DSchG handele.

Mit den Vertretern der Ölgesellschaft wurde vereinbart, den Abbruchantrag eventuell zurückzuziehen und den Abbruch der Nebengebäude neu zu beantragen, da deswegen seitens der Unteren Denkmalbehörde keine Bedenken bestünden. Über den Abriß des Maschinenhauses, der für 1987 geplant war, sollte über einen Folgeantrag entschieden werden. Am gleichen Tag beantragte die Untere Denkmalbehörde Gelsenkirchen beim WAFD, nur den "Abbruch der Nebengebäude" zu gestatten. Das WAFD rief den Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen an, um eine mögliche Umnutzung und Erhaltung des Gebäudes zu erreichen. Dabei wurden das Maschinen- und Kesselhaus (s. Bild) als "überragendes Beispiel von nationalem Rang" bezeichnet. Zwischenzeitlich stimmte der Rat der Stadt Gelsenkirchen einer Eintragung in die Denkmalliste zu. Stadt und Eigentümer sahen weiterhin keine Möglichkeit der Umnutzung.

Das WAFD erklärte Anfang Oktober die Zustimmung zum Abriß der Nebengebäude, während es das Hauptgebäude selbst in die Denkmalliste der Stadt Gelsenkirchen eingetragen wissen wollte.

So geschah es mit Datum 16.10.1986 auch. Das Kraftwerk Gelsenberg ist unter Nr. 54 der Liste A Baudenkmäler der Stadt Gelsenkirchen in die Denkmalliste eingetragen. Laut Begründung erfüllt das Kraftwerk die Voraussetzungen eines Baudenkmals nach § 2 Abs. 2 DSchG. Es dokumentiert die industrielle Entwicklung des Stadtteiles Horst und hat Bedeutung für die Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Die Nutzung und Erhaltung des Gebäudes sei aus "künstlerischen und wissenschaftlichen Gründen unumgänglich". Zudem bestehe ein öffentliches Interesse an der Erhaltung und Nutzung des Gebäudes.

Mit der Eintragung in die Denkmalliste hat die Stadt Gelsenkirchen bezüglich des Abbruchantrages der Ruhr Öl AG Fakten gesetzt. Nach § 9 DSchG muß die Untere Denkmalbehörde unter Beachtung des Denkmalrechts die Entscheidung über den Abbruch nach vorheriger Antragstellung durch den Eigentümer fällen.

Standort:
Kraftwerk und Hydrieranlagen Gelsenkirchen-Horst
Koststraße
4650 Gelsenkirchen-Horst


[1] Westdeutsche Allgmeinene Zeitung vom 13.05.1986 - Buer, Horst, Westerholt -, "Beim Denkmalschutz scheidet der Geschmack die Geister".


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem


QUELLE    Klaukien, Jürgen | Technische Kulturdenkmäler im Ruhrgebiet | Dia 11, S. 53-55
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Ort3.4   Gelsenkirchen, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet10.13   Industrie, Manufaktur
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT1020
AUFRUFE IM MONAT17