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(98 KB)   Zeche "Vereinigte Nachtigall", Witten-Bommern / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem   Zeche "Vereinigte Nachtigall", Witten-Bommern / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem
TITELZeche "Vereinigte Nachtigall", Witten-Bommern


INFORMATIONDas erste Bild zeigt die ehemalige Zeche Nachtigall in Witten-Bommern, deren vorhandene Zechengebäude beispielhaft für die erste Phase der Industrialisierung in Westfalen sind. Die Zeche wurde von 1897-1964 als Ziegelei umgenutzt.

Im linken Bildteil ist ein ehemaliges Zechen-Betriebsgebäude und späteres Sozialgebäude der Ziegelei aus Ruhrsandstein zu sehen. Das flache, langgezogene Gebäude daneben enthält zwei Hoffmannsche Kammerringöfen. Der 54 m hohe pyramidenförmige Schornstein mit quadratischer Basis ist einer der wenigen noch vorhandenen Exemplare dieser Bauart. "Es ist der höchste und respektabelste erhaltene viereckige Schornstein des 19. Jahrhunderts in Westfalen."

Die Bedingungen für den Bergbau waren in Witten-Bommern ausgesprochen günstig. Die Flöze lagen nahe der Erdoberfläche und traten sogar zu Tage. Schon seit dem Spätmittelalter betrieben Bauern wegen der günstigen Bedingungen den obertägigen Bergbau zur Deckung des Eigenbedarfs, indem sie Mulden in die Flöze gruben. Diese Mulden, "Pütts" oder "Pingen" genannt, waren durch die angerichteten Flurschäden schon im 16. Jahrhundert Gegenstand rechtlicher Vorschriften durch die Landesherrschaft.

Im 17. Jahrhundert setzte der Stollenabbau ein. Am Eingang des Muttentales in Witten-Bommern, der "Wiege des Ruhrbergbaues", ist diese Bautengruppe erhalten, die den Übergang vom Stollen- zum Tiefbau dokumentiert. Die Kohle wurde in der bis 1731 zurückzuverfolgenden Zeche Nachtigall zunächst durch in den Berg geführte Stollen abgebaut.

1832 vereinigten sich sieben Kleinzechen in Bommern zur "Gewerkschaft Vereinigte Nachtigall", die im folgenden als ersten Schacht "Neptun" abteufte. Der Schachtturm bestand aus Holz. Eine Dampfpumpe von Friedrich Harkort aus Wetter sollte Probleme der Wasserhaltung beseitigen. Da diese zu schwach war, teufte die Gewerkschaft 1838 Schacht "Herkules" ab. Die Wasserhaltungsprobleme führten jedoch wieder zur vorübergehenden Stillegung. Nach dem Vordringen in größere Tiefen verschärften sich diese Schwierigkeiten. 1854 schlossen sich die Zechen Helene und "Gewerkschaft Vereinigte Nachtigall" zur Konsolidation "Vereinigte Nachtigall Tiefbau" zusammen.

Unter Einsatz leistungsfähigerer Dampfmaschinen erlebte die Zeche Nachtigall ihre Blütezeit von 1867 bis 1875. Die Probleme der Wasserhaltung konnten aber nie befriedigend gelöst werden. Nach Erschöpfung wichtiger Flöze wurde die Zeche 1892 stillgelegt.

Dort nahm 1897 die Künkelbergsche Ziegelei ihren Betrieb auf. Obwohl Teile der Tagebauten abgetragen worden sind, blieben zwei Kammeröfen der Ziegelei, das Maschinenhaus, der Kamin und zwei Betriebsgebäude der Zeche erhalten und stehen unter Denkmalschutz.

Die Zeche Nachtigall dokumentiert als Außenstelle des Westfälischen Industriemuseums die Bergbaugeschichte um 1850 und die Weiternutzung als Ziegelei. Sie liegt am Eingang des Muttentales, wo die Stadt Witten mit dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum in den sechziger Jahren den bergbaugeschichtlichen Wanderweg Muttental anlegte.

Anfang 1974 wurde bei der Stadt Witten vom Eigentümer ein Abbruchantrag für die Gebäude des zum Schrottplatz umfunktionierten Geländes gestellt. Da nach Auffassung der Stadt dem Ringofen und Kamin der Ziegelei und Zeche kulturhistorische Bedeutung zukam, beabsichtigte sie die Einbeziehung in den Naherholungsbereich Muttental. Anläßlich eines Gesprächs mit dem Landeskonservator über die Ruine Hardenstein sollten diese Bauwerke einbezogen werden.

Der Landeskonservator erkannte den historischen Wert der gesamten Anlage und schrieb im April 1975 von einer Bereicherung des Lehrpfades Muttental durch eine Restaurierung des Schachtgebäudes der ehemaligen Zeche Nachtigall, die einen industriegeschichtlichen Schwerpunkt setze. Auch die Ziegelei mit den Ringöfen stelle eine "wertvolle technikgeschichtliche Ergänzung" dar. Deshalb und wegen des Verlustes aller frühen Dokumente des Ruhrgebietes empfahl der Landeskonservator dringend die Erhaltung.

Am 16.12.1975 kam Rainer Slotta vom Deutschen Bergbau-Museum Bochum in seinem Gutachten über die Anlage zum Schluß, daß den Gebäuden überregionale Bedeutung zuzumessen ist, da es sich um das letzte Ensemble einer frühen Industrieanlage handelt die sonst nur aus Archivalien bekannt ist. Mit der Erhaltung der anscheinend bewußt in einen verwahrlosten Zustand versetzten Gebäude ließe sich eine "Denkmäler-Lücke" schließen. Ein Abbruch "würde vielmehr einen irreparablen Verlust am wirtschafts-, sozial- und technikgeschichtlichen Denkmälerbestand Westfalens und der Bundesrepublik Deutschland bedeuten."

Diese Auffassung teilte die Stadt Witten; der Eigentümer drängte weiter auf Abbruch. Im April 1976 trafen sich Vertreter des damals für die Denkmalpflege zuständigen Kultusministeriums, des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und der Stadt Witten, um über die Zukunft der Anlage zu beraten.

Voraussetzung für den "Denkmalschutz" und eine in Aussicht gestellte Förderung durch Landesmittel waren eine Änderung des Flächennutzungsplanes und eine Gesamtplanung des Muttentales mit den umliegenden Denkmälern. Der Vertreter der Landesregierung sollte prüfen, ob das Muttental durch den Innenminister in das Nordrhein-Westfalen-Programm [1] aufgenommen werden kann. Die Dringlichkeit der Erhaltung erkannten die Behörden allseits an.

Im August 1976 lehnte der Innenminister NW die Ausweitung des Nordrhein-Westfalen-Programms ab, weil die Anlage "für sich allein betrachtet noch keine Erholungsanlage darstelle". Außerdem berief er sich auf die Haushaltslage.

Ein gutes halbes Jahr später erklärte sich die Stadt bereit, den Grund der Zeche Nachtigall zu erwerben. Witten übernahm einen Teil der Kosten für die Restaurierung des Kamins und die Aufräumarbeiten auf dem Schrottplatz.

Konkrete Planungen lagen erst im Oktober 1977 vor. Die Gesamtanlage der Zeche war danach zu erhalten, die Landschaft südlich der Ruhr zu renaturisieren und der Gesamtbereich als innenstadtnahes Naherholungsgebiet auszubauen. Dazu entwickelte die Stadt Witten einen umfangreichen, Alternativen enthaltenden Maßnahmenkatalog.

Nach dem Erwerb des ca. 30.000 Quadratmeter großen Geländes im Februar 1978 und Problemen bei der Bezuschussung der Restaurierung des Kamins begann dessen Sicherung 1979. Dabei wurde ein Entwässerungsstollen der Zeche entdeckt, der die Standfestigkeit des Kamins gefährdete. Aber auch dieses Problem wurde gelöst und die Restaurierung im März 1980 abgeschlossen.

Seit dem 14.04.1983 steht die ehemalige Zeche Nachtigall/Dünkelbergsche Ziegelei unter Denkmalschutz.

Standort:
Ehemalige Zeche "Vereinigte Nachtigall"/
Dünkelbergsche Ziegelei
Nachtigallstraße 35
5810 Witten-Bommern


[1] Das 1970 aufgestellte "Nordrhein-Westfalen-Programm" sollte die Entwicklungsperspektiven des Bundeslandes bis Mitte der siebziger Jahre darstellen. Es war ein Handlungsplan, der die wesentlichen gesellschaftlichen Bereiche umfaßte.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem


QUELLE    Klaukien, Jürgen | Technische Kulturdenkmäler im Ruhrgebiet | Dia 01, S. 19-21
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Ort1.3.9   Witten, Stadt
Sachgebiet10.13   Industrie, Manufaktur
10.14   Montanindustrie
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT3141
AUFRUFE IM MONAT193