Hereduc > Kunst und Politik - Heinrich Aldegrever und die Reformation in Soest


 
Klaus Kösters

Kunst und Politik -
Heinrich Aldegrever und die Reformation in Soest

 
 
Ort
 Burghofmuseum und mehrere Stationen im historischen Zentrum von Soest
 
 
Fächer
Geschichte, Religion, Kunst
 
 
Dauer
Vorbereitung 4-6 Stunden
Exkursion in Soest: ca. 4 Stunden
 
 
Zielgruppe
Schüler der Sekundarstufe I und II
 
 
Das Projekt
Dieses Projekt bietet Schülern der Sekundarstufe die Möglichkeit, an einem einzelnen Ort und für einen bestimmten Zeitabschnitt die Verflechtung von Kunst, Politik und Religion zu untersuchen. Darüber hinaus bietet es die Möglichkeit, den geschichtlichen Hintergrund des gegenwärtigen Stadtbildes präsent zu machen. Die "Reformation in Soest" ist eine Feldstudie, die es erlaubt, nicht nur fächerübergreifend zu arbeiten, sondern auch historische Spuren im gegenwärtigen Leben zu finden.
Weitere Text- und Bildmaterialien zur Geschichte von Soest sind auf der Projektwebsite  Heinrich Aldegrever und Soest online verfügbar
 
 
Soest war im Mittelalter eine der wichtigsten Städte Nordwestdeutschlands und ein wichtiges frühes Zentrum für die Entstehung des Hansebundes.

Zu Beginn der Reformation, kurz nach dem Wittenberger Thesenanschlag Luthers 1517, trafen sich Soester Bürger heimlich in privaten Zirkeln, um die neuen religiösen Ideen zu diskutieren. Etwas später, 1530, vertrat der Dominikanermönch Thomas Borchwede in seinen öffentlichen Predigten Luthers Position. Ein Jahr später übernahm die immer bedeutender werdende protestantische Bürgerschaft die Stadtherrschaft. Aber dieser Sieg der Protestanten bedeutete nicht den Sieg über die altgläubigen Bürger. Schwere Auseinandersetzungen und Tumulte erschütterten immer wieder das öffentliche Leben in der Stadt. Das Auf und Ab der Streitigkeiten zwischen protestantischer und katholischer Bürgerschaft war eng mit dem Schicksal der protestantischen Partei und ihrer Auseinandersetzung mit dem Kaiser verbunden. Der Kaiser stand fest auf dem Boden der römischen Kirche und kämpfte mit seinen Truppen gegen die protestantischen Fürsten, die wiederum nicht nur ihren neuen Glauben verteidigten, sondern gleichzeitig auch ihre politische Unabhängigkeit zu stärken suchten. 1555 machte der Nürnberger Religionsfrieden diesen Streitigkeiten ein Ende.

Während seines Lebens, trat der Kupferstecher Heinrich Aldegrever (1502-1555/61) engagiert für den protestantischen Glauben ein. Einige seine Kupferstiche, welche die Missstände der Geistlichkeit brandmarkten, wurden zu schneidenden Waffen im Kampf gegen die römische Kirche. Und Aldegrever selbst hatte in seiner Stadt eine prominente Stellung bei der Einführung des lutherischen Glaubens inne.

Soest hat bis heute nicht nur das künstlerische Lebenswerk Aldegrevers in einer der weltweit größten Aldegreversammlung bewahrt, sondern besitzt auch noch viele architektonische und künstlerische Zeugen dieser turbulenten Jahre. Kirchen und Bürgerhäuser, Kunstwerke, Grabdenkmäler, Waffen, Bücher und Dokumente sind Zeugen dieser Ereignisse und legen eindrucksvoll Zeugnis ab, wie Kunst und Politik sich in dieser Zeit durchdringen.
 
 
Projektverlauf
Die Schüler informieren sich in der einschlägigen Literatur und im Internet über Soest, die Reformation und Aldegrever und stellen die Informationen zusammen, die für die Exkursion nach Soest notwendig sind. Dabei können sie die städtischen Institutionen und die Touristen-Information kontaktieren, um Broschüren, Stadtpläne u. ä. für die Gruppe zu erhalten.

In kleinen Gruppen bereiten sie die Exkursion nach Soest vor, wobei einzelne Gruppen die Verantwortung für verschiedene Stationen auf dem Stadtrundgang übernehmen. Während des historischen Rundganges werden sie später ihre Mitschüler über die einzelnen Stationen und die dort zu sehenden Denkmäler sowie über die historischen und kunstgeschichtlichen Hintergründe informieren. Diejenige Gruppe, die sich im Burghofmuseum mit den dort ausgestellten Aldegreverstichen befasst ist, erklärt den anderen die Bildsprache und die Bedeutung der eindrucksvollsten antikatholischen Kampfblätter.

Der eigentliche Stadtrundgang wird etwa 2-3 Stunden dauern. Es ist der Besuch von mindestens zwei Kirchen vorgesehen, wo sich Altargemälde des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Renaissance befinden, eins davon von Aldegrever selbst. In der Wiesenkirche ist auch noch das Epitaph eines frühen protestantischen Pfarrers zu sehen. Mehrere Balkenschnitzereien an Soester Fachwerkhäusern sind von Aldegreverstichen inspiriert. Das letzte Stadttor besitzt eine umfangreiche Armbrustbolzensammlung und war während der Reformationszeit Schauplatz blutiger Ereignisse. Stationen am Rathaus und St. Patrokli beleuchteten weitere Ereignisse, die damals dort stattgefunden haben. Schließlich folgt der Besuch im Burghofmuseum zur Stadtgeschichte der Reformationszeit sowie einer Auswahl von Aldegreverstichen.
 
 
Nach der Exkursion bieten sich folgende Themen zur Diskussion an:
  • Kunst zeigt nicht nur eine ästhetische Vision der Welt, sondern reflektiert auch die politischen, soziokulturellen und geistesgeschichtlichen Hintergründe ihrer Entstehungszeit. Es ist eine interessante Herausforderung, diese verborgene Botschaft der Bilder lesen zu lernen.
  • Trotz urbaner Modernisierungen müssen Städte ihr kulturelles Erbe für zukünftige Generationen bewahren und ihnen die Chance geben, den historischen Hintergrund des gegenwärtigen Lebens zu entdecken. Zukünftige Stadtplanung muss dieses Erbe respektieren.
 
 
Allgemeine Hinweise
zum Thema
Wendepunkte der Europäischen Geschichte...
Die Geschichte eines Ortes, einer Stadt oder einer Person spiegelt oft die allgemeine Geschichte wieder. In einigen Orten und Zeiten scheinen sich die Verhältnisse schneller und nachhaltiger zu ändern als in anderen. Dies ist in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Fall. Die Einheit der mittelalterlichen Welt mit der Vorherrschaft der römisch-katholischen Kirche und des Kaisers zerbrach. Es entstanden neue politische Strukturen und neue Denkweisen, und zwar nicht nur auf dem Feld der Politik, der Religion und der Philosophie, sondern auch in der Wirtschaft und auf sozialem Feld. Humanismus, Renaissance und Reformation sind die Schlüsselworte, um diese Veränderungen in Europa zu beschreiben. Es war die Geburt einer neuen Welt, welche auf den Weg zur Moderne führte.

Des weiteren spielten zum ersten Mal in der Geschichte Massenmedien - in diesem Fall die neuen Techniken des Buchdrucks und der Druckgraphik - eine entscheidende Rolle, um Ideen und Weltanschauungen zu transportieren und eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Heinrich Aldegrever aus Soest war Teil dieser publizistischen Maschinerie, welche die schnelle Verbreitung des neuen Gedankengutes erst möglich machte.

Das Projekt zeigt Schülern einige von diesen politischen und ideologischen Mechanismen, welche eine Zeitenwende herbeiführten. Auch wenn diese Ereignisse 500 Jahre zurückliegen, die Art und Weise, wie Politik, Publizistik und Kunst sich verbanden, um eine neue Weltanschauung zu verbreiten, ist nicht auf das 16. Jahrhundert beschränkt. Vergleiche mit unserer aktuellen Situation sind durchaus willkommen.
 
 
Lernziele
Die Schüler sollen ...
  • im Rahmen einer örtlich und zeitlich beschränkten Feldstudie die Geschichte der Reformation kennenlernen,
  • lernen, wie lokale und regionale Ereignisse mit der Allgemeingeschichte verbunden sein können,
    lernen, wie sich Kunstwerke, Baudenkmäler, Monumente und die lokale historische Topographie für eine historische Recherche nutzen lassen,
  • verstehen, dass einzelne Objekte oder Denkmäler oft einen komplexen historischen Hintergrund besitzen, der durch eine fächerübergreifende Kooperation aufgedeckt werden kann,
  • neue Fertigkeiten entwickeln, um historische Spuren in bestehenden Städten oder Umgebungen zu entdecken und zu lesen,
  • zu neuen Einsichten und Erkenntnissen gelangen über die Notwendigkeiten der Erhaltung der Altstädte, von Monumenten und anderem kulturellem Erbgut.
 
 
Nützliche Adressen
Das Projekt sieht den Besuch folgender Institutionen und Denkmäler vor:
  • Das Burghofmuseum (Stadtgeschichte bis zur frühen Neuzeit und eine Auswahl von Aldegreverstichen),
  • das Osthofentormuseum (das letzte erhaltene Stadttor mit einer kleinen Ausstellung über die Stadtverteidigung),
  • das städtische Archiv mit umfangreichen Beständen zur Stadtgeschichte,
  • die Kirchen St. Petri, St. Patrokli und St. Maria zur Wiese, welche die Zeit von der Romanik bis zur Spät-, bzw. Neogotik umfassen, und wo sich eine Reihe von Altartafeln, Skulpturen und Epitaphe befinden,
  • eine Reihe von Fachwerkhäusern des 16. Jahrhunderts mit Schnitzereien im Stil Aldegrevers.
 
 
Nützliche Adressen
Burghofmuseum
Burghofstraße 22
59494 Soest
Tel.: 02921/1031020
URL: http://www.soest.de/sd_soest/06-bildung_kultur/de_museen/index_02.php
Das Burghofmuseum der Stadt Soest zeigt die Geschichte der Stadt von den neolithischen Anfängen bis in die frühe Neuzeit.

Tourist Information Soest
Teichsmühlengasse 3
59494 Soest
Tel.: 02921/66350050
Fax: 02921/66350099
http://www.soest.de/sd_soest/04-touristik/de_fuehrungen/index.php
Fragen Sie nach den aktuellen Öffnungszeiten der Kirchen
 
 
Literatur
Führer durch die Stadt zur Zeit der Reformation:
Klaus Kösters
Heinrich Aldegrever und die Reformation in Soest. Ein historischer Spaziergang. Soest 1996.

Katalog mit Bilderläuterungen zu Heinrich Aldegrever:
Klaus Kösters
Burghofmuseum Soest. Heinrich Aldegrever. Bilderläuterungen. Soest 1995.

Katalog der letzten Soester Ausstellung über Aldegrever:
Klaus Kösters / Reimer Möller
Bilderstreit und Sinnenlust. Heinrich Aldegrever 1502-2002. Unna 2002.
Sämtliche Texte dieser Publikationen wurden für das Internet-Portal "Westfälische Geschichte" überarbeit und ergänzt. Sie sind zusammen mit über rund 170 Stichen Aldegrevers online verfügbar auf der  Projektwebsite.

Eine populäre Zeitung zur Ausstellung, die den historischen Hintergrund erläutert:
Klaus Kösters / Reimer Möller (Hg.)
Die Zeitung zu Ausstellung: Bilderstreit und Sinnenlust. Unna 2002.