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(56 KB)   Schalker Verein: Arbeiterin an der Drehbank, 1943 / Gelsenkirchen, Institut für Stadtgeschichte, Stadtarchiv   Schalker Verein: Arbeiterin an der Drehbank, 1943 / Gelsenkirchen, Institut für Stadtgeschichte, Stadtarchiv
TITELSchalker Verein: Arbeiterin an der Drehbank, 1943
DATIERUNG1943


INFORMATION
"Frauen helfen mit den Krieg gewinnen: sie springen ein, wo die Männer fehlen. Die Wehrmacht kann nicht auf alle wehrfähigen Männer verzichten - also stärken die Frauen die Heimatfront in den kriegswichtigen Betrieben. Auch auf der Gußstahlfabrik werden seit Kriegsbeginn zahlreiche Frauen zu Hilfsschlosserinnen, -dreherinnen, -fräserinnen umgeschult; sie sollen in den Betrieben die Stellen von Facharbeitern und Spezialarbeitern einnehmen. Die Lehrgänge werden in der unserer Lehrwerkstatt angegliederten Schulungswerkstatt durchgeführt und dauern 3 Monate; zu der praktischen Ausbildung an Schraubstock und Drehbank tritt zusätzlicher schulischer Unterricht (Zeichnen usw.)." [1]
Diese Passage aus einem Beitrag in der Kruppschen Betriebszeitschrift von 1940 illustriert, wie aus militärpolitischen und wirtschaftlichen Erwägungen während des Dritten Reiches die Abkehr vom nationalsozialistischen Frauenideal vollzogen wurde. Wie schon im Ersten Weltkrieg übernahmen Frauen wieder als Reservearbeitskräfte - neben Fremd- und Zwangsarbeitern - die durch die Einberufung freigewordenen Männerarbeitsplätze. Entgegen der Mutterorientierung der NS-Politik wurden junge Frauen im Zuge der Kriegsvorbereitungen ermutigt, kriegswichtige Berufe zu erlernen oder Studiengänge zu belegen, um die eingezogenen männlichen Fachkräfte ersetzen zu können. [2]

Aber diese gezielte Ausweitung der Frauenerwerbstätigkeit sollte nur für die Dauer des Krieges gelten. Deutlich wird diese Intention in der Betonung, daß die Frauen nur zu Hilfsschlosserinnen usw. ausgebildet werden sollten. Wie schon im Ersten Weltkrieg gestanden die Machthaber den Frauen auch im Zweiten Weltkrieg lediglich die Rolle als Ersatzarbeitskräfte auf Abruf zu, eine tatsächliche berufliche Qualifikation sollten die Arbeiterinnen nicht erhalten. Die Nationalsozialisten hatten mit dieser Politik der Arbeitskräftemobilisierung allerdings nur bedingt Erfolg. Zum einen waren die Unterstützungszahlungen für Soldatenfamilien während des Zweiten Weltkrieges höher als im Ersten Weltkrieg und ermöglichten ein Auskommen ohne Zuerwerb. Zum anderen führten ideologische und sozialpolitische Rücksichtnahmen dazu, daß die Arbeitspflicht nicht konsequent umgesetzt wurde. Insbesondere die Frauen der gehobenen sozialen Schichten entzogen sich der seit 1943 bestehenden Dienstpflicht durch Scheinarbeitsverhältnisse oder persönliche Beziehungen. Die Furcht vor Loyalitätsverlusten zwang das Regime zu Zugeständnissen. Um die Durchhaltebereitschaft zu stärken, verzichteten die NS-Machthaber auf die strikte Umsetzung der Dienstpflicht bei verheirateten Frauen der gehobenen Schichten, während die Frauen der klein- und unterbürgerlichen Schichten eingezogen wurden. Die ungleiche Behandlung führte zu erheblichen Spannungen. [3] Denn die Vorbehalte gegen die Dienstverpflichtung von Mädchen und Frauen waren verbreitet wie ein Beitrag aus dem "Bocholter-Borkener Volksblatt" aus dem Jahr 1944 zeigt:
"Als in der vorigen Woche im Zuge der Maßnahmen für die totale Kriegsführung auch in Bocholt eine Anzahl Schulen geschlossen wurden, um die Schülerinnen dort einzusetzen, wo durch ihren Einsatz weibliche Kräfte für kriegswichtige Arbeit in den Betrieben frei werden, da war sich wohl manche Mutter der Notwendigkeit und der Bedeutung dieser Maßnahme nicht ganz bewußt.... Es geht in erste Linie darum, weibliche Arbeitskräfte, die bislang nicht an kriegswichtiger Stelle beschäftigt waren, für anderen, notwendigeren Einsatz freizumachen, wodurch wehrfähige Männer an die Wehrmacht abgegeben werden können." [4]

Im Bocholter Raum, einem traditionellen Textilstandort, arbeiteten die Frauen vornehmlich in sogenannten Reparaturwerkstätten für Soldatenbekleidung. Andere Aufgaben hatten sie im Ruhrgebiet zu erfüllen. Sie übernahmen Arbeitsplätze in der Eisen- und Stahlindustrie, die für die Waffenproduktion von Bedeutung waren. Das Bild zeigt eine junge Arbeiterin des Gelsenkirchener Eisen- und Stahlkonzerns Schalker Verein an einer Drehbank. Die ordentlich frisierte junge Frau trägt einen dunklen Arbeitsoverall. Sie blickt konzentriert auf die Werkbank. Der gesamte Arbeitsplatz wirkt aufgeräumt und sehr sauber, so daß der Eindruck entsteht, das Foto sei inszeniert. Darauf deutet auch der Umstand hin, daß die Frau kein Haarnetz trägt. Die Unfallverhütungsvorschriften sahen vor, daß die Frauen ihre Haare vollkommen unter geeigneten Mützen oder Hauben verbergen mußten. Verboten waren darüber hinaus lockere Kleidung, Schleifen, Bänder, Schmuck usw. [5]

Gerade die Rüstungsindustrie und ihre Zulieferbetriebe hatten einen hohen Arbeitskräftebedarf. Die Rekrutierung von Frauen wurde dadurch erschwert, daß den Unternehmern vorgeschrieben war, den weiblichen Arbeitnehmern mindestens einen um ein Viertel geringeren Lohn zu zahlen. Diese Maßnahme weckte den massiven Widerstand zahlreicher Arbeiterinnen, die sich ungerechtfertigt zurückgestuft sahen. Viele Unternehmer ignorierten deshalb seit 1940 diese Direktive und zahlten den Frauen die üblichen Männerlöhne oder näherten sich diesen doch deutlich an, um die weiblichen Arbeitskräfte zu rekrutieren oder zu halten. [6] Von staatlicher Seite wurde die Erfassung der Frauen für den kriegswichtigen Arbeitsmarkt durch soziale Hilfsleistungen, so zum Beispiel durch die Einrichtung von Kinderhorten und Beratungsstellen, begleitet.
"Der im Krieg besonders hervortretenden Überlastung der Arbeiterinnen mit ihren gefährlichen Folgen für Gesundheit und politische Moral war aber weder durch Sozialfürsorge noch durch Haushaltungsunterricht beizukommen." [7]

Anders als noch zwischen 1914 und 1918 mußten Frauen im Zweiten Weltkrieg nicht mehr unter Tage arbeiten. Doch auch jetzt wurden ihnen Aufgaben z. B. in der Rüstungsindustrie, zugewiesen, für die sie in Friedenszeiten als vollkommen ungeeignet bezeichnet worden waren. Erneut bewährten sich die Frauen auf den "wesensfremden" Männerarbeitsplätzen. Doch wie schon am Ende des Kaiserreiches sollte ihr Einsatz keinen grundlegenden Wandel in der gesellschaftlichen Einschätzung der Frauenerwerbsarbeit herbeiführen. Aus vielen Berufsfeldern, unter anderem in der Metallbranche, wurden Frauen nach dem Krieg wieder verdrängt, weil die Arbeitsplätze nicht "wesensgemäß" für die Frauen waren.


[1] Werkskameradin Hilfsschlosser, ln: Krupp. Zeitschrift der Kruppschen Betriebsgemeinschaft 31. Jg. Nr. 15, 1.5.1940, S. 31.
[2] H.-U. Thamer Verführung und Gewalt, S. 518f.
[3] Ebd., S. 518ff.; U. Frevert: Frauen-Geschichte, S. 214ff.
[4] Zit. nach: M. Theilmeier-Wahner; A. Strathausen; H. D. Oppel u.a.: Frauen in Bocholt, S. 37.
[5] Vgl. dazu auch: Krupp. Zeitschrift der Kruppschen Betriebsgemeinschaft, 33. Jg. Nr. 11, 1.8.1942, S. 124.
[6] U. Frevert: Frauen-Geschichte, S. 217f.
[7] Ebd., S. 218.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZGelsenkirchen, Institut für Stadtgeschichte, Stadtarchiv


QUELLE    Kurzweg, Martina | Frauenerwerbsarbeit im Wandel | Dia 07, S. 33-35
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort3.4   Gelsenkirchen, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet6.8.8   Frauen
10.9   Arbeit, Beschäftigte
10.9.2   Arbeitswelt
10.13   Industrie, Manufaktur
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT3821
AUFRUFE IM MONAT428