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(82 KB)   Lyceums-Klasse in Dortmund-Hörde, um 1900 / Münster, Volkskundliche Kommission für Westfalen   Lyceums-Klasse in Dortmund-Hörde, um 1900 / Münster, Volkskundliche Kommission für Westfalen
TITELLyceums-Klasse in Dortmund-Hörde, um 1900
DATIERUNG1900 [um]


INFORMATIONDie Arbeitsmöglichkeiten für bürgerliche Frauen waren wegen der gesellschaftlichen Vorbehalte bis in das 20. Jahrhundert hinein sehr beschränkt. Gerade in bürgerlichen Kreisen galt die Erwerbsarbeit von Frauen als unschicklich und bedeutete einen erheblichen Prestige- und Statusverlust für die gesamte Familie. Der Ehemann hatte die Familie zu ernähren, Aufgabe der Hausfrau war es, das Privatleben zu organisieren und zu repräsentieren. Öffentlich war ihnen allenfalls das karitative, ehrenamtliche Engagement gestattet. [1]

Vor diesem Hintergrund standen den bürgerlichen Frauen nur wenige standesgemäße Berufe offen. Zu diesen Berufen zählten vor allem solche, die auf "typisch weibliche Charaktereigenschaften" wie Helfen, Erziehen und Pflegen zurückgingen. Tätigkeiten im sozialpflegerischen Bereich sowie in Lehr- und Erziehungsberufen durften für die Übergangsphase zwischen Schule und Heirat auch von bürgerlichen Mädchen ausgeübt werden. Erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts fanden bürgerliche Frauen auch im kaufmännischen Bereich akzeptable Verdienstmöglichkeiten. Die Pionierarbeit leistete dabei der Lette-Verein, benannt nach seinem Gründer Wilhelm Adolf Lette (1799-1868), der erweiterte Erwerbsmöglichkeiten für Frauen forderte, aber ihre politische Gleichstellung strikt ablehnte. Die Ausweitung der Erwerbsmöglichkeiten für Bürgertöchter wurde immer bedeutsamer, da das Heiratsalter in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts deutlich anstieg. Die Übergangsphase zwischen Schule und Hochzeit dauerte im Durchschnitt zehn Jahre. Zugleich wandelte sich die Familienstruktur. Viele Produkte des täglichen Lebens wurden nicht mehr im Haushalt hergestellt, sondern fertig gekauft. Die vielfach bescheidenen Familieneinkommen erlaubten es nicht, unverheiratete Töchter oder Schwestern über Jahre hinweg mitzuversorgen. Die zumindest vorübergehende Berufstätigkeit der bürgerlichen Frauen war damit kaum noch zu vermeiden. Ein Teil der bürgerlichen Frauen war zugleich immer weniger bereit, sich in ihr Schicksal zu fügen. Sie beanspruchten - trotz aller weiter bestehenden Vorurteile gegenüber den geistigen Talenten des weiblichen Geschlechts - eine qualifizierte Ausbildung, die es ihnen erlaubte, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. [2] Die wirtschaftlichen Vorteile für die Familie ermöglichten letztlich vielen Bürgertöchtern eine in Ansätzen qualifizierte Berufsausbildung. Denn gleichgestellt wurden die Mädchen den Jungen keinesfalls, wie die Ausbildung der Lehrerinnen belegt.

Das Bild zeigt eine Lyceumsklasse in Dortmund-Hörde zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Mädchen-Klasse posiert auf der Treppe vor dem Schulportal. Mittelpunkt der sechzehnköpfigen Gruppe ist die Lehrerin, die mit strengem Gesichtsausdruck in der ersten Reihe "thront". Sie trägt ein hochgeschlossenes, dunkles Kleid und den für die Frau des Kaiserreiches obligaten Hut. Die Hände hält sie verschränkt auf dem Schoß, ihr Blick ist in die Kamera gerichtet. Hinter ihr stehen sechs Schülerinnen, jeweils drei Mädchen sitzen rechts und links neben ihr. Drei weitere sitzen bzw. knien vor der Gruppe. Die Schülerinnen tragen keine Schuluniformen, sondern sind nach der zeitgenössischen Mode gekleidet. Wie ihre Lehrerin blicken sie ernst in die Kamera. Dieses Bild illustriert eine wichtige Facette des Lehrerinnenberufs: Frauen durften an höheren Schulen ausschließlich Mädchen unterrichten.

Der Beruf der Lehrerin war bei jungen Frauen sehr beliebt. 1896 arbeiteten in Preußen 10.000 Lehrerinnen an Volksschulen und weitere 4.600 an höheren Mädchenschulen [3] Ein universitäre Ausbildung hatte keine von ihnen genossen. Sie wurden in besonderen Lehrerinnenseminaren auf ihre Aufgaben vorbereitet. Voraussetzung für die Zulassung zu den Seminaren war der erfolgreiche Besuch der zehnklassigen höheren Mädchenschule. Die Ausbildungsinhalte selbst wurden in Preußen erst 1908 verbindlich festgeschrieben. Nach dem Abschluß der höheren Mädchenschule mußten die angehenden Lehrerinnen drei wissenschaftspropädeutische Klassen und ein praktischmethodisches Jahr absolvieren, um dann eine Lehramtsprüfung abzulegen. Mit diesem Zeugnis durften die Lehrerinnen an mittleren und höheren Mädchenschulen unterrichten. Während ihrer Lehrtätigkeit war es ihnen verboten zu heiraten. Mit der Eheschließung mußten sie aus dem Schuldienst ausscheiden. Das hieß, daß sich eine Frau, die langfristig als Lehrerin arbeiten wollte, zwischen Beruf und Familie entscheiden mußte. Das - oft karikierend genutzte - Bild der Lehrerin als "alte Jungfer" hat hier seinen Ursprung.

Die Lehrerinnenausbildung ging auf die Initiative der bürgerlichen Frauenbewegung zurück. Fanny Lewald (1811-1889), Helene Lange (1848-1939) und Minna Cauer (1841-1922) gehörten zu den führenden Persönlichkeiten, die sich in langwierigen Auseinandersetzungen mit den Kultusministerien und den akademischen Berufsverbänden für eine qualitative und wissenschaftlich geprägte Ausbildung auch für Frauen einsetzten. Bis zur Zulassung der Frauen zum Hochschulstudium - 1908 öffneten die Universitäten zum Beispiel in Preußen ihre Hörsäle auch für Studentinnen - erhielten Lehrerinnen nur eine Ausbildung zweiter Klasse. Das zeigte sich auch an ihrer Bezahlung. Die Besoldungsordnung der Stadt Bocholt von 1905 schrieb beispielsweise fest, daß Lehrer und Lehrerinnen unterschiedlich bezahlt werden mußten. Ein Lehrer erhielt als Grundgehalt 1.400 Mark, eine Lehrerin lediglich 1.100 Mark. Auch die Zulage war bei Männern um 70 Mark höher. [4]


[1] U. Frevert: Frauen-Geschichte, S. 118.
[2] Ebd., S. 116ff.
[3] Ebd., S. 119.
[4] Zit. nach: M. Theilmeier-Wahner; A. Strathausen; H. D. Oppel u.a.: Frauen in Bocholt im Wandel der Zeit. Eine Dokumentation... auch für Männer. In: Unser Bocholt. Zeitschrift für Kultur und Heimatpflege. 42. Jg. 1991, H. 3, S. 6-62, hier S. 33.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZMünster, Volkskundliche Kommission für Westfalen


QUELLE    Kurzweg, Martina | Frauenerwerbsarbeit im Wandel | Dia 02, S. 15f.
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort1.2   Dortmund, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet6.8.8   Frauen
10.9.2   Arbeitswelt
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT2549
AUFRUFE IM MONAT148