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(126 KB)   Zimmer, H., Geometer: Karte von Iserlohn, Beilage zum Einwohneradressbuch 1882, Druck: F.  W. Jung, Iserlohn
 / Iserlohn, Stadtarchiv / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen   Zimmer, H., Geometer: Karte von Iserlohn, Beilage zum Einwohneradressbuch 1882, Druck: F.  W. Jung, Iserlohn
 / Iserlohn, Stadtarchiv / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen
TITELKarte von Iserlohn, Beilage zum Einwohneradressbuch 1882, Druck: F. W. Jung, Iserlohn
URHEBER OBJEKTZimmer, H., Geometer
DATIERUNG1882


INFORMATIONDeutlich ist auf dem Plan der mittelalterliche Stadtkern zu erkennen. Erst mit den in den 1960er Jahren einsetzenden Sanierungsmaßnahmen veränderte sich dieser Grundriß. Heute erinnern lediglich Straßennamen wie Südengraben, Nordengraben und Westertorpassage noch an den Verlauf der Stadtmauer.

Bis zum Beginn der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurden neue Wohnhäuser vorwiegend in der nördlichen und östlichen Vorstadt errichtet. Die vorhandenen Wohnhäuser in der Innenstadt wurden nach Bedarf aufgestockt oder durch Anbauten in den Hinterhof vergrößert. Die gewerblichen Produktionsstätten blieben mit Ausnahme der größeren Fabriken in den Wohnhäusern oder in kleineren Anbauten. Pfarrer Ludwig Josephson beschrieb um 1840 in seiner Stadtchronik die Iserlohner "Fabriksken"-Situation wie folgt:
"Eigentliche Fabrikgebäude, die ursprünglich diese Bestimmung hatten, gibt es in unserer Stadt nicht, mit Ausnahme der sehr wenigen, die in der neuesten Zeit gebaut worden sind. Ursprünglich verfertigte man einen oder mehrere Artikel in einem Zimmer, zog ein zweites hinzu, wenn das Geschäfte es erforderte, und war das zweite Zimmer nicht groß genug, so nahm man ein drittes, kaufte das Nachbarhaus hinzu und dehnte sich rechts und links aus, hier eine Wand durchbrechend, hier eine Verbindungstreppe anlegend, ohne jedoch die Gebäude jemals unter ein Dach zu bringen oder nach einem Plane einzurichten."
Diese Gemengelage von Wohn- und Gewerbebereichen blieb in einigen Teilen der Innenstadt noch bis in die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts bestehen.

Aufgrund der stetig wachsenden Einwohnerzahlen, der Gründung weiterer Fabriken, der Veränderung industrieller Produktionstechniken und der damit zusammenhängenden immer stärker werdenden Geräusch- und Geruchsbelästigung sowie der Zunahme des Güter- und Personenverkehrs kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neue städtebauliche Aufgaben auf die Stadtverwaltung zu. Seitens des städtischen Bauamtes wurden zunächst besondere Gewerbeflächen ausgewiesen. Zu den ersten Fabriken, die einen neuen Standort wählten, gehörten: Nadelfabrik St. Witte - Verlagerung vom Ohl zur Stefanstraße, Metallwarenfabrik Schmöle & Romberg (später umbenannt in Linden & Funke) -Verlagerung von der Gartenstraße zur Straße Grüner Weg, Bronzewarenfabrik Kissing & Möllmann - Verlagerung von der Straße Am Dicken Turm zur Straße Obere Mühle, Bronzewarenfabrik l. H. Schmidt Söhne - Verlagerung von der Straße Am Dicken Turm zur Friedrichstraße.

Der steigenden Nachfrage nach Mietwohnungen kam man u.a. durch Gründung der Iserlohner Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (IGW) nach. Es wurden zunächst Wohnungen im Bereich der Bonstedtstraße gebaut. Das Repräsentationsbedürfnis der führenden städtischen Gesellschaftsschicht verlangte dem Zeitgeist gemäß nach deutlicher Darstellung des neuen bürgerlichen Selbstbewußtseins. Im Bereich Tyrol/Gartenstraße wurden die ersten Villen in zum Teil großzügig gestalteten Parkanlagen gebaut. Weitere Villenviertel entstanden im Bereich der Südstraße, in Wermingsen und entlang der Baarstraße. Auch Verwaltungsgebäude und Vereinshäuser wurden in einem repräsentativen Stil errichtet - wie z.B. das Rathaus, erbaut 1875, die Post, erbaut 1882, das Gesellschaftshaus Harmonie, erbaut 1877, das Haus der Bürgergesellschaft, erbaut 1897, und die Schützenhalle auf der Alexanderhöhe, erbaut 1897.

Das gesamte Stadtgebiet löste sich allmählich in bestimmte Nutzungsschwerpunkte wie Wohnviertel, Industrieflächen und Geschäftsstraßen auf. Dieser Prozeß läßt sich für die Innenstadt eindrucksvoll am Beispiel der Veränderung der Wermingser Straße belegen. Bis in die 1870er Jahre war diese Straße bevorzugter Wohnbereich der städtischen Oberschicht, Kaufleute und Fabrikanten hatten hier ihre Wohnhäuser. Trotz einiger Umbauten ist der frühere Charakter dieser Straße noch heute erkennbar. Mit dem Wegzug der wohlhabenden Familien in die Villenviertel übernahmen vielfach Einzelhändler die Häuser und richteten dort ihre Geschäfte ein. Damit verbunden war in der Regel auch die bauliche Umgestaltung der alten Bürgerhäuser.

Ein besonderes städtebauliches Problem stellten die Bergsenkungen, die durch den Galmeibergbau im nördlichen Teil der Stadt verursacht wurden, dar. Vor allem im Bereich der "Lehmkuhle", des heutigen Schillerplatzes, kam es immer wieder zu Absenkungen, in denen sich Schmutz- und Regenwasser sammelte. Wegen dieser Bergschäden mußten bereits 1881 Häuser in der Johannesstraße, der heutigen Rathausstraße, geräumt werden. Die Lage entspannte sich nach der Schließung der letzten Grube "Tiefbau von Hövel" an der Mendener Straße zum 01.01.1900. Bald nach dem Ende des Ersten Weltkrieges begannen die Überlegungen, den Schillerplatz als neues Stadtzentrum mit Rathaus, Sparkasse und Geschäftshäusern auszubauen.

Um 1880 wurde mit dem Bau der Kanalisation begonnen. Bis dahin wurde die Leerung der einzelnen Latrinen vom sogenannten Wasenmeister vorgenommen und deren Inhalt als Dünger für die Landwirtschaft genutzt. Das Schmutz- und Industriewasser sammelte sich in Vertiefungen oder Rinnen zwischen den Häusern und wurde über Straßenrinnen zum Baarbach geleitet. Trinkwasser holte man vor Anlegung einer öffentlichen Wasserleitung aus einem der im Stadtgebiet verteilten Kumpe. Es waren offene Wasserbecken, die über eine hölzerne Rohrleitung mit den sogenannten Stadtsteichen verbunden waren. Nach 1875, mit der Errichtung des ersten Hochbehälters an der Hardtstraße, wurde mit dem Ausbau eines Rohrnetzes begonnen.

Zu den Aufgaben zeitgemäßer kommunaler Dienstleistungen und Versorgungsmaßnahmen gehörten auch die Verbesserung des Gesundheitswesens und der Ausbau der Energieversorgung. Im Beisein des preußischen Prinzen Wilhelm, des späteren deutschen Kaisers Wilhelm I., wurde 1855 an der Alexanderstraße das städtische Hospital und Armenhaus eingeweiht. Nachdem Ende 1897 die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden eigene Krankenhäuser errichtet hatten, wurde das Hospital 1898 geschlossen und als Armenhaus weitergeführt. Noch heute bestimmt das aufwendig gestaltete Gebäude - ursprünglich als Dreiflügelanlage geplant - das südliche Stadtbild.

Auf private Initiative hin wurde 1856 das Gaswerk an der Stefanstraße errichtet. Bis zur Umstellung auf das umweltfreundlichere Erdgas 1971 wurde hier Gas erzeugt. Die Zentralisierung der Fleischversorgung, aber auch gesundheitspolizeiliche Überlegungen führten zum Bau des Schlachthofes auf dem Dördel im Jahr 1879, er wurde 1984 geschlossen.

Zu den kommunalen Leistungen gehörte schließlich der Ausbau des Schulwesens. Neben der Errichtung neuer Volksschulgebäude ist vor allem die Einrichtung der Provinzial-Gewerbeschule im Jahr 1852 zu nennen, die nach einer Neuordnung den Namen Königliche Fachschule für Metallindustrie führte. Sie war die erste Schule dieses neuen Typs in Preußen und wurde vor allem durch ihre kunsthandwerkliche Abteilung bekannt. Einzelne Schülerarbeiten wurden sogar in London ausgestellt. Wegen des Modellcharakters wurde die Schule häufig von in- und ausländischen Delegationen besucht. Oft übernachteten diese Gäste auf "Schloß Bellevue" - wie es in einem Zeitungsbericht hieß.

Grundlage für die weitere städtebauliche Entwicklung bildete der im Jahr 1867 vorgelegte Bau- und Erweiterungsplan des Stadtbaumeisters Wilhelm Pieper. Unter Beibehaltung der Bebauung des historischen Stadtkerns - nur der Marktplatz wurde beim Neubau des Rathauses im Jahr 1875 nach Süden vergrößert - sah dieser Plan die Errichtung neuer Wohnquartiere im Nordwesten und Nordosten vor.

Unverändert blieben die Standes- und Sozialunterschiede innerhalb der Stadt. Ende der 1860er Jahre lag die größte Einwohnerdichte im Bereich der Hardtstraße, der Käbbel- und Lämmergasse. Hier wohnten stellenweise bis zu 30 Personen in einem Haus. Arbeiter und Kleinhandwerker wohnten im Bereich der Altstadt, der Hardt und um die Lehmkuhle. Diese Wohnhäuser waren in einfachster Bauweise als Ziegel-Fachwerkhäuser errichtet.

Bis zur Einrichtung einer städtischen Theater- und Musikkommission im Jahr 1912 wurde das Freizeit- und Kulturangebot durch die Vereine bestimmt und organisiert. Veranstaltungsorte waren neben einigen größeren Vergnügungslokalen die vereinseigenen Häuser des Iserlohner Bürger- und Schützenvereins auf der Alexanderhöhe, der Gesellschaft Harmonie am Poth und der Bürgergesellschaft an der Hagener Straße. Die letztgenannten Veranstaltungsorte waren in der Regel nur den Mitgliedern zugänglich. Auf dem Programm standen Konzerte, bei denen Märsche und Unterhaltungsmusik dargeboten wurden. Nur im Saal der Harmonie fanden gelegentlich auch Aufführungen von Werken klassischer Komponisten statt. Bei den Theatervorstellungen herrschten Posse und Lustspiel vor.

Erste Kunstausstellungen wurden in den Räumen der Harmonie seit der Jahrhundertwende gezeigt. Ergänzt wurde das Veranstaltungsprogramm durch Vorträge zur Weiterbildung. Beispielhaft ist hier der Kaufmännische Verein zu nennen, der wöchentlich Vorträge mit Diskussionen durchführte. Dieser Verein besaß auch eine umfangreiche Bibliothek. Natürlich zählte zum festen Programmbestandteil jedes Vereins der Stiftungsball und für die patriotisch-nationalen Vereine die staatlichen Feiertage wie der Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, die Sedanfeiern und die Herrschergeburtstage.

Im Jahr 1893 gab es laut Statistik 124 Vereine in der Stadt. Sie lassen sich wie folgt gliedern: 16 offizielle (patriotisch-nationale) Vereine, 23 Interessenvereine, 9 Fortbildungsvereine, 26 konfessionell gebundene Vereine, 1 freireligiöser Verein (Freimaurerloge), 6 Sportvereine, 16 Theater- und Musikvereine, 27 Geselligkeitsvereine. Bemerkenswert ist, daß es im Gegensatz zu den Nachbarstädten erst 1910 zur Gründung eines Museums- bzw. Geschichtsvereins kam. Seine Aufgabe war es, "Altertümer Iserlohns" zu sammeln.

Nach der Volkszählung vom 01.12.1900 wohnten 17.456 evangelische, 9.324 katholische, 291 jüdische Personen und 194 Dissidenten (d.h. Konfessionslose oder Andersgläubige) in der Stadt. Nicht nur die statistischen Zahlen belegen die Dominanz der Protestanten, diese war auch durch die drei das Stadtbild beherrschenden Kirchen, die Oberste Stadtkirche, die Bauernkirche und die Reformierte Kirche, für jeden deutlich. Auch waren alle leitenden Positionen in der öffentlichen Verwaltung, in den Parteien sowie in den Vereinen und Verbänden von Protestanten besetzt. So regelte beispielsweise der "Vertrag über den evangelischen Charakter des Realgymnasiums" vom November 1868 die Besetzung der Lehrerstellen in der Form, daß die Schulleiterstelle, die Stelle des Vertreters sowie dreiviertel der Lehrerstellen evangelisch zu besetzen seien und daß lediglich das restliche Viertel den übrigen Konfessionen offenstehe.

Eine katholische Gemeinde gab es nach der Reformation erst wieder mit ihrer Neueinrichtung im Jahr 1745. Die Gründung einer eigenen Gemeinde wurde durch den Zuzug von Nadelarbeitern aus dem Köln-Aachener Raum nötig. Die 1831 am Rand der Lehmkuhle errichtete Kirche mußte 1872 wegen Bergschäden abgebrochen werden. Erst 1894 konnte die neue Aloysiuskirche an der Straße Hohler Weg eingeweiht werden. Zwischenzeitlich diente als Gottesdienststätte eine Art Notkirche zwischen der Wermingser Straße und der Straße Hohler Weg. Das Gemeindeleben wurde durch die Maßnahmen des Kulturkampfes erheblich beeinträchtigt.

Der jüdischen Minderheit - der Anteil an der Gesamtbevölkerung lag fast immer bei ca. 1 % - gelang während des 19. Jahrhunderts der wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufstieg. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gehörten die meisten jüdischen Bürger zur gehobenen Mittelschicht. Sie waren Geschäftsinhaber oder Bankiers, aber auch Ärzte und Juristen gehörten dazu. In der Stadtgesellschaft waren sie integriert, auch in zahlreichen Vereinen vertreten, einige Juden waren darüber hinaus auch Mitglied im Magistrat. Die 1830 errichtete Synagoge stand an der Mendener Straße, sie wurde in der "Reichskristallnacht" am 09.11.1938 zerstört. Ein eigenes Schulgebäude errichtete die Gemeinde 1902 in der Kluse. Der bekannteste Kantor und Lehrer der jüdischen Gemeinde war Dr. Lewin Salomon, der von 1882 bis 1913 hier wirkte. Er war ein Schwager des berühmten Religionsphilosophen Leo Baeck.

Einen besonderen Einfluß übte die Ende des 17. Jahrhunderts gegründete kleine Reformierte Gemeinde aus. Ihre Mitglieder zählten fast ausnahmslos zu den führenden Kaufmanns- und Fabrikantenfamilien und bekleideten wichtige politische Ämter. Die Reformierte Kirche an der Wermingser Straße wurde im Jahr 1718 eingeweiht.

Zur Gruppe der Dissidenten gehörten auch die Mitglieder der 1886 durch den Prediger Bornemann gegründeten Neuapostolischen Gemeinde. Eine eigene Kirche errichtete die Gemeinde 1897 in der Brüderstraße.

Wenn der Soziologe Max Weber von dem "ganz vorwiegend protestantischen Charakter des Kapitalbesitzes und Unternehmertums" sprach, dann traf dies auf Iserlohn in besonderer Weise zu.


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MASZE56 x 42 cm


OBJEKT-PROVENIENZIserlohn, Stadtarchiv
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen


QUELLE    Bettge, Götz | Kommerzienrat Friedrich Hermann Herbers | Dia 01, S. 9-18
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ5.1   Atlas, Kartenwerk, Karte / zeitgenössisch
35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.8   1850-1899
Ort1.8.6   Iserlohn, Stadt
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT1732
AUFRUFE IM MONAT209