Soest > Aldegrever: Eros, Sexus und die öffentliche Moral im 16. Jahrhundert
Klaus Kösters
Eros, Sexus und die öffentliche Moral im
Eros, Sexus und die öffentliche Moral im
16. Jahrhundert
6. Heinrich Aldegrever und der Kunstmarkt
Viele Fragen drängen sich auf, wenn man sich mit Heinrich Aldegrever näher beschäftigt. Sein Lebensweg liegt weitgehend im Dunkeln. Biographische Hinweise in Dokumenten und Akten sind eher disparat und lassen eine einigermaßen genaue Rekonstruktion seines Lebens kaum zu. Sein erster Biograph, Karel van Mander, verfasste die Lebensbeschreibung Aldegrevers im Abstand von etwa 50 Jahren. [107] Auch er war auf das angewiesen, was man erzählte. So bleiben nur Aldegrevers Kupferstiche, die bei genauer Betrachtung einiges von dem Künstler und seinen Vorstellungen enthüllen können. Seine künstlerische Nähe zu Albrecht Dürer und den Nürnberger Kleinmeistern, vor allen den Brüdern Beham und Georg Pencz, ist bekannt und wird durch Bildvergleiche offenkundig. Dadurch erklärt sich auch eine Reihe von Motiven, die er von ihnen übernahm oder als Anregung für seine eigenen Kompositionen benutzte. Daneben verarbeitete Aldegrever aber auch Anregungen der italienischen oder holländischen Kunst. [108]
Weitgehend im Dunkeln tappt man ebenfalls, wenn man nach Aldegrevers Vertriebswegen und Geschäftspartnern fragt, also nach bestimmten Auftraggebern oder Verlagen, die vielleicht auch Aldegrevers Motivwahl beeinflussten. Zwei Kupferstiche lassen zumindest erahnen, dass Aldegrever mit Verlegern zusammengearbeitet hat und möglicherweise seine Stiche nicht selbst auf den Markt brachte: Die Blätter B 29 und 30 lassen im 2. Zustand die Adresse des Verlegers Marten Peeters (Martini Petri) erkennen, der von 1525 bis 1558 in Antwerpen tätig war. [109] Hat Peeters Aldegrevers Druckplatten möglicherweise erworben? Und / oder hat Aldegrever zusätzlich noch für einen freien Markt privater Sammler produziert, der dann über wandernde Buchhändler oder Messen beliefert wurde? [110] Ohne Quellenhinweise wird man diese Fragen kaum beantworten können. Dass es aber damals eine Reihe von Sammlern und eine Nachfrage nach Bildern mehr oder minder erotischen Inhalts gab, beweisen nicht nur die Erinnerungen Brantômes.
Ebenso unbekannt sind auch die Größe und Organisation von Aldegrevers Werkstatt in Soest und damit verbunden die betriebswirtschaftliche Seite seiner künstlerischen Tätigkeit. Schriftliche Zeugnisse von ihm, die Hinweise auf seine künstlerischen Vorstellungen und Vorlieben geben könnten, existieren ebenfalls nicht. So bleibt nur die vergleichende Betrachtung seiner Arbeiten und der Versuch, auf dem Hintergrund der zeitgenössischen Kulturgeschichte, Aldegrevers Werk näher zu bestimmen.
Weitgehend im Dunkeln tappt man ebenfalls, wenn man nach Aldegrevers Vertriebswegen und Geschäftspartnern fragt, also nach bestimmten Auftraggebern oder Verlagen, die vielleicht auch Aldegrevers Motivwahl beeinflussten. Zwei Kupferstiche lassen zumindest erahnen, dass Aldegrever mit Verlegern zusammengearbeitet hat und möglicherweise seine Stiche nicht selbst auf den Markt brachte: Die Blätter B 29 und 30 lassen im 2. Zustand die Adresse des Verlegers Marten Peeters (Martini Petri) erkennen, der von 1525 bis 1558 in Antwerpen tätig war. [109] Hat Peeters Aldegrevers Druckplatten möglicherweise erworben? Und / oder hat Aldegrever zusätzlich noch für einen freien Markt privater Sammler produziert, der dann über wandernde Buchhändler oder Messen beliefert wurde? [110] Ohne Quellenhinweise wird man diese Fragen kaum beantworten können. Dass es aber damals eine Reihe von Sammlern und eine Nachfrage nach Bildern mehr oder minder erotischen Inhalts gab, beweisen nicht nur die Erinnerungen Brantômes.
Ebenso unbekannt sind auch die Größe und Organisation von Aldegrevers Werkstatt in Soest und damit verbunden die betriebswirtschaftliche Seite seiner künstlerischen Tätigkeit. Schriftliche Zeugnisse von ihm, die Hinweise auf seine künstlerischen Vorstellungen und Vorlieben geben könnten, existieren ebenfalls nicht. So bleibt nur die vergleichende Betrachtung seiner Arbeiten und der Versuch, auf dem Hintergrund der zeitgenössischen Kulturgeschichte, Aldegrevers Werk näher zu bestimmen.
Klaus Kösters /
mit einem Beitrag von Reimer MöllerBilderstreit und Sinnenlust -
mit einem Beitrag von Reimer Möller
Bilderstreit und Sinnenlust -
Heinrich Aldegrever (1502-2002)
- Einleitung / Inhaltsverzeichnis
- Einführung: Raum Lippstadt, Soest und Unna - Soziale und politische Verhältnisse in der Epoche Heinrich Aldegrevers
- Teil 1: Der Kampf um den rechten Glauben und die Druckgrafik
- Teil 2: Eros, Sexus und die öffentliche Moral im 16. Jahrhundert | Nacktheit ohne Sünde? | Das ambivalente Nackte | Das erlaubte Nackte und die Kunst Heinrich Aldegrevers | Das verbotene Nackte | Die kontrollierte Moral und der Kleiderluxus | Heinrich Aldegrever und der Kunstmarkt
- Anhang: Literaturverzeichnis
Anmerkungen
[107] Karel van Mander (1548-1604): Schilder-Boeck. Gedruckt 1604 in Alkmaar von Jacob de Meesters für Paschier van Westbusch, Buchhändler zu Harlem (van Mander 2000, S. 129-130)[108] Z. B. von Marcantonio Raimondi (B 100, 217, 250, 267), Lukas van Leyden (B 6).
[109] Ursula Mielke in: New Hollstein 1978, S. 11.
[110] Neben Antwerpen war Frankfurt ein Zentrum des Buchhandels (Frankfurter Messe). Möglich wäre auch ein Vertrieb der Kupferstiche über "Buchführer", die Vorläufer der Buchhändler, die als mobile Händler vor Kirchen oder Rathäusern ihre Druckschriften vertrieben.