QUELLE

DATUM1924-02-28   Suche   Suche DWUD
TITEL/REGESTBericht über die Uraufführung des Spielfilms "Die Hermannschlacht", Zeitungsartikel in: Volksblatt vom 28.02.1924
TEXTFestvorführung der "Hermannsschlacht"

Detmold hatte gestern sein Großfilm-Ereignis: Die Erstaufführung eines Kolossal-Films! Die großen und größeren Orte des Reiches werden uns dieser "Ehre" halber beneiden [und] wir hätten sie schwerlich erfahren, wenn nicht ver[schiedene] und gewichtige Gründe dafür den Ausschlag gegeben hätten. Zunächst der Stoff zu der Filmtragödie ist [aus] der Urgeschichte unseres Lipperlandes entnommen, [und] der größte und wichtigste Teil der Handlung spielt [sich] demgemäß auf den Bergen und in den Tälern unserer [...] Heimat ab; ferner: Hunderte unserer Landsleute haben bei der Aufnahme der Bilder mitgewirkt, weiter: Detmold bildet mit seinem "Hermann" eine Art "nationaler Kevelar" und - vielleicht nicht der unwichtigste Grund - Berlin hatte den Erstabsichten gewisse Schwierigkeiten bereitet. Dazu kam noch die Rührigkeit der Direktion der Landestheater-Lichtspiele, und den andern weit berühmteren Filmbühnen des Reiches konnte der Rang abgelaufen werden. Hunderte von fremden "Flimmerwandbesitzern" und Journalisten waren gestern in Detmold anwesend, um der Uraufführung beizuwohnen und die gesammelten Erfahrungen je nach Beruf zu bewerten.

Die Vorführung von "Die Hermannsschlacht" wurde von vielen unserer Landsleute mit größter Ungeduld erwartet. [So] manchem mag Eitelkeit die Triebfeder gewesen sein, sich und seine "Filmtalente" auf der Leinwand festgehalten zu sehen. Viele freuten sich aber schon im Voraus darauf, in den gelungenen Naturaufnahmen die wunderbare Schönheit unserer Landschaft, noch unterstrichen durch eine bildliche Verwirklichung bekanntester und hoch romantischer Volks[...] im Laufbild verewigt zu finden. Daß aber auch noch "andere" Beweggründe vorhanden sein mußten, das zeigte die gestrige Erstaufführung: Schwüle Haß- und Rachegedanken suchten und fanden in dem Film Erbauung und Befriedigung. Den Volksgenossen mit dieser Einstellung ist die "Hermannsschlacht" ein Symbol ihrer Gefühle, wie der Hermann dort oben auf der Grotenburg. Die Kundgebungen gestern nachmittag im Landestheater klangen nur gedämpft infolge der den Lippern eigentümlichen Bedächtigkeit. Man darf annehmen, dass bei leichter entzündlichen Volksstämmen lautere Geräusche entstehen werden. Rein politisch betrachtet - dieses Filmspiel muß auch so gewertet werden - kann "Die Hermannschlacht" eine Wirkung ausüben, wie die Stresemann-Rede in Dresden.

Nun die technische Seite: Mit Entzücken sieht der Lipper die Bilder seiner schönen Heimat vor seinen Augen vorbeirollen. Die Externsteine, der Bärenstein, das Bärental mit seinen Felsschluchten und Steinbrüchen geben dem naturwahren Hintergrund zu den Bildern. Unser Wald mit seinem prächtigen Bestand alter Bäume taucht vor uns auf. Und die Handlung selbst wird eingehüllt in ein Gewand, gewoben aus der altgermanischen Mytologie. Da entrollt sich ein Bild des Lebens und Treibens, der Sorgen und Nöte unserer Vorväter in unserer engen Heimat. Man sieht germanische Siedlungen, Einrichtungen, Waffen und Geräte, dazu die Behandlung der Gebräuche. Man durchlebt das Elend der Unterdrückten und Gefolterten mit. Wir begleiten die früheren Bewohner unseres Landes auf ihren Heerzügen und beobachten ihre Gefechtstaktik. In gleicher Weise verfolgen wir die Veranstaltungen und Eigentümlichkeiten bei den Römern. So betrachtet, haben auch wir aus dem Filmwerk Freude schöpfen können. Einige Bilder - so das Gefängnis Segimers - bieten sogar Klassisches. An den Schlachtenbildern mögen sich die Haßverblendeten berauschen, denen solcher Nervenkitzel Bedürfnis ist.

Die Wirkung der gestrigen Erstaufführung suchte man zu heben durch Rezitationen, dargebracht vom Kladderadatsch-Dichter Paul Warnecke. Der gute Wille des alten Herrn ist zweifellos anerkennenswerter als seine dargebotenen Werke und die Art des Vortrages. Die das Bild begleitende Musik war zusammengestellt von Dr. Chlodwig Lange. Sie paßte sich den Begebenheiten gut an und trug sicher zur Hebung der Stimmung bei, wie das allgemeine Absingen des Deutschlandliedes am Schlusse der Vorführung wohl am besten bewiesen hat.


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
165   Presseveröffentlichung (Zeitungsartikel)
Zeit1.6.1   Varusschlacht / Rezeption
3.9   1900-1949
Ort2.5.5   Detmold, Stadt
Sachgebiet14.14   Film, Kino
DATUM AUFNAHME2004-09-17
AUFRUFE GESAMT2466
AUFRUFE IM MONAT222