Rundgang: Aldegrever und die Reformation in Soest > St. Maria zur Wiese


 
 
 




St. Maria zur Wiese (Wiesenkirche)



Die Kirche St. Maria zur Wiese, die im 14. Jahrhundert erbaut wurde, gilt als schönste Hallenkirche Westfalens. Die Ausstattung der Kirche mit ihren Altartafeln, Heiligenfiguren und Glasfenstern stammt noch weitgehend aus vorreformatorischer Zeit. Einen protestantischen Bildersturm, der andernorts ganze Kirchen leerfegte, hat es in Soest in diesem Ausmaß niemals gegeben.

Marienaltar
Der große Flügelaltar von 1526/27 gilt inzwischen als ein frühes Hauptwerk Aldegrevers, nachdem dies lange in der Forschung umstritten war. Carel van Mander, der erste Biograph Aldegrevers, berichtete in seiner 1618 erschienenen Lebensbeschreibung des Künstlers, daß sich in der Petrikirche viele hervorragende Gemälde Aldegrevers befanden, woher wohl auch dieser Altar kommt.

Der Mittelteil stammt von einem unbekannten Bildschnitzer und stellt Maria mit dem Kinde und die Heiligen Antonius Abbas und Agatha dar. Die prächtige, von der Renaissance inspirierte Malerei auf den Innenflügeln zeigt die Geburt Christi und die Anbetung der Könige, die in der Predella (Sockel) Verkündigung, Geburt und Anbetung der Könige, auf der Rückseite sechs Apostel.

Der linke Flügel schildert in einer phantastischen Architektur die Geburt Christi mit den Hirten im Hintergrund. Der Kopf des Einbeinigen weist eine gewisse Porträtähnlichkeit mit Heinrich Aldegrever auf, möglicherweise deutet auch der Holzschuh (niederdeutsch: Trippe, schräg hinter den Hirten) auf seinen ursprünglichen Familiennamen: Trippenmeker (=Holzschuhmacher). Auch die ungewöhnlichen Säulenformen finden sich im Werk Aldegrevers wieder.

Auf dem Bild mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige ist im Hintergrund eine Stadt zu erkennen. Die romanische Kirche mit dem mächtigen Turm erinnert an das Westwerk von St. Patrokli. Die gotische Kirche daneben hat den Chor der Wiesenkirche zum Vorbild. Trotz dieser Anklänge an Soest ist hier keine frühe Stadtansicht gegeben. Vielmehr hat sich der Künstler von Soester Motiven inspirieren lassen, um seiner Vorstellung vom dargestellten Jerusalem Ausdruck zu geben.

Dieser Altar ist eines der letzten vorreformatorischen Bildwerke in Soest. Die protestantische Kritik am Heiligenkult und der Bilderverehrung in der katholischen Kirche führte nach Einführung der Reformation zu einem rapiden Auftragsrückgang kirchlicher Kunst. Aldegrever verlegte seine künstlerische Tätigkeit auf ein anderes Gebiet, den Kupferstich, der - im Spätmittelalter erfunden - sich gerade im 16. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute.

Am südlichen Turmpfeiler befindet sich das Grabmal von Johannes Sprenger, der von 1567-1581 Pastor der Wiesenkirche war. Entsprechend der herausragenden Bedeutung der evangelischen Predigt ist der Verstorbene auf der Kanzel dargestellt, wie er seiner Gemeinde das Wort Gottes verkündet. Der gekreuzigte Christus im Kirchenraum weist auf Luthers Rechtfertigungslehre: die Erlösung des Sünders allein durch den Glauben. Die lateinische Inschrift hebt die Verdienste Sprengers hervor.

Website der "Bauhütte Wiesenkirche Soest"