MEDIEN

(94 KB)   Code Napoléon / Münster, Stadtarchiv / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna   Code Napoléon / Münster, Stadtarchiv / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna
TITELCode Napoléon
DATIERUNG1810
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONDurch die Einführung des napoleonischen Zivilgesetzbuches sollten auch die "Modellstaaten" von den revolutionären bzw. nachrevolutionären "Errungenschaften" in der französischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung profitieren. Ein bürgerlich-egalitäres Sozialgefüge sollte entstehen, das Feudalsystem ebenso wie die mit Privilegien ausgestattete Aristokratie aufgelöst werden, so daß eine liberale, zwanglose Wirtschaftsordnung entstehen konnte. Im Königreich Westfalen war der  "Code Napoléon" bereits am 01.01.1808 eingeführt worden, im Großherzogtum Berg erfolgte seine Anwendung genau zwei Jahre später; in beiden Fällen wurde der "Code civil" uneingeschränkt und unverändert übernommen.

Dem neuen Zivilrecht gingen einige vorbereitende, gesetzgeberische Maßnahmen voraus. Am 12.12.1808 erging in Berg das sogenannte "Bauernbefreiungsgesetz", das die Abschaffung der Leibeigenschaft und letztlich das ungeteilte Eigentumsrecht der Bauern am Hof besiegeln sollte. Dadurch erloschen alle persönlichen Bindungen des Bauern zum Lehnsherrn, wie steuerähnliche Abgaben und gerichtsherrliche Gelder. Dem Bauern war zwar das volle Besitzrecht am Hof zuerkannt worden, aber durch den Grundsatz der "Freiheit des Eigentums" war auch geregelt, daß der Grundherr nicht entschädigungslos enteignet werden konnte. Die Ablösesumme für den einzelnen Bauern betrug den 25fachen Betrag aller Jahresabgaben und war damit so hoch angesetzt, daß es in französischer Zeit kaum zu Ablösungsprozessen kam. Erst nach 1830, als die preußische Regierung eine Generalkommission zur Berechnung der Entschädigungssummen einsetzte, die auch für die Gemeinheitsteilung zuständig war, wurde es den westfälischen Bauern möglich, sich abzulösen. Zwar sollte das bergische Septemberdekret vom September 1811 die zahlreichen unterschiedlichen Abgabeleistungen ordnen und zumindest in ablösbare (die dinglichen Lasten betreffend) und entschädigungslose Lasten (die leibherrlichen Abhängigkeiten betreffend) unterteilen, aber für eine durchgreifende Agrargesetzgebung fehlte der französischen Präfektur die Zeit. Außerdem scheiterte die Agrarreform am Widerstand des Adels, der zwar seine feudalständischen Privilegien verloren hatte (Steuerbefreiungen, Ämtermonopole, Patrimonialgerichtsbarkeit), an seiner wirtschaftlichen und sozialen Vorrangstellung aber umso nachhaltiger festhielt. Immerhin hatte Napoleon den ehemals reichsunmittelbaren und seit 1806 mediatisierten Standesherren die "feudalen und seigneurialen", also die grund- und lehnsherrlichen Privilegien in der Rheinbundakte noch garantiert. Da die meisten Kleinbauern sich außerstande sahen, sich durch den sogenannten "rachat", den Loskauf, abzulösen, blieb die ländliche Sozialverfassung faktisch bestehen, auch wenn der Bauer die volle persönliche Freiheit besaß. Hinzu kam, daß durch die napoleonische Dotationspolitik eine neue, aristokratische Schicht entstand: besonders im Königreich Westfalen wurde der französische Militär- und Verdienstadel territorial ausgestattet (ungefähr die Hälfte aller Domänen wurde dotiert), was wiederum der Konsolidierung des Kaiserreiches dienen sollte.

Auch für die Einrichtung des französischen Rechtswesens war der "Code Napoléon" maßgebend. Obwohl der Gerichtsaufbau institutionell klar gegliedert war, fehlte zu seiner Manifestierung ebenso wie bei der Agrarreform die Zeit. In Münster gestaltete sich dieser Prozeß besonders schwierig, weil die Stadt am 01.01.1811 einen nochmaligen Souveränitätswechsel erfuhr. Per Senatskonsult vom 13.12.1810 hatte Napoleon die gesamte norddeutsche Küstenzone dem französischen Kaiserreich angegliedert, um somit die gegen England errichtete Kontinentalsperre besser kontrollieren zu können. Die neugeschaffene Grenze verlief willkürlich durch das Großherzogtum Berg südlich von Münster, das dadurch zur Grenzstadt wurde. Wolbeck, Angelmodde, Hiltrup und Amelsbüren gehörten bereits zum "Ausland". Bis zum Juli 1811 blieb der aus einer Kölner Patrizierfamilie stammende Karl Joseph Mylius noch im Amt des Präfekten, anschließend wurde die Präfektur - wie fast alle hohen Verwaltungsposten - von einem Landfremden, in diesem Falle von dem französischen Grafen Dusaillant, besetzt. Aufgrund zahlreicher Münsteraner Eingaben aus dem April 1811 blieb Münster trotz seiner ungünstigen geographischen Lage Hauptstadt, nunmehr des Lippedepartements. Neben der Beaufsichtigung der Steuer- und Domänensachen und der Konskription war der Präfekt für die Errichtung von Verwaltung und Justizwesen zuständig. Auch hier erwies sich der erfahrene Generalsekretär Druffel, der bereits den Preußen gedient hatte, als eine unentbehrliche Stütze für Dusaillant. Ebenso wie die Landesverwaltung folgte der Gerichtsaufbau, der im Frühjahr 1811 in Münster angegangen wurde, einer dreistufigen Ordung. Für geringfügige Zivil- und Strafsachen war im Gerichtsbezirk Münster der Friedensrichter zuständig. Die nächsthöhere Instanz, die den Friedensgerichten gleichzeitig als Appellationstribunal diente, war das Arrondissementgericht. Es bezog das Kanzleigebäude auf dem münsterischen Domhof, und innerhalb der Grenzen des Domkapitels wurde symbolhaft die Guillotine errichtet. In letzter Instanz wurden Zivilsachen in Lüttich und Strafsachen in Aachen entschieden. Mit der Einführung der französischen Gerichtsverfassung wurde die Bevölkerung auch mit einer völlig neuen Prozeßordnung konfrontiert. Die Verhandlungen waren öffentlich, wurden mündlich geführt und von Geschworenen beigewohnt. Für die zahlreichen Bauern, die an den Tribunalen ihre Rechte als Freie einforderten, blieb das Procedere oft unverständlich. Meist mußten sie darüber hinaus sehr lange Anreisen in Kauf nehmen, da die landesherrliche Gerichtsbarkeit aufgehoben worden war. Die Posten im Justizwesen blieben den Münsteranern vorbehalten, die durch die Einführung der neuen Gerichtsverfassung nicht nur erheblich mehr belastet wurden, sondern auch ihre Französischkenntnisse verbessern mußten. Formal hatte der "Code Napoleon" keine lange Geltungsdauer: Bereits 1815 wurden das Preußische Allgemeine Landrecht und die Allgemeine Gerichtsordnung wieder eingeführt.


TECHNIKTypendruck
MATERIALPapier
FORMATjpg


OBJEKT-PROVENIENZMünster, Stadtarchiv
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna


QUELLE    Elsermann, Silke | Münster in napoleonischer Zeit | Dia 09, S. 35-38
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
90   Gesetz, Verordnung, (Staats-)Vertrag
Zeit3.7   1800-1849
3.7.10   Französische Revolution / Napoleonische Zeit <1789-1815>
Ort2.6   Berg, Gt. / Hztm. / GroßHztm. <1806-1813>
2.46   Westphalen, KgR. <1807-1813>
Sachgebiet4.3   Rechtsprechung, Gerichte
DATUM AUFNAHME2004-02-24
AUFRUFE GESAMT1684
AUFRUFE IM MONAT375