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VERFASSER | Naujoks, Hans-Georg | |
TITEL | Spuren des historischen Steinkohlebergbaus | |
ORT | Münster | |
JAHR | 1984 | |
ONLINE-TEXT | Einführung | |
SEITE | S. 5-15 | |
TEXT | EinführungAnfänge und erste NachrichtenDie Anfänge des Grabens nach Kohlen liegen wie überall, so auch an der Ruhr im Dunklen. Von einem organisierten Bergbau ist dann auch verhältnismäßig spät die Rede.Der früheste Bergbau ist gekennzeichnet durch das Nebeneinander von Erzschürfen, Meilern und jahreszeitlich bedingtem Graben nach ausstreichender Kohle, der immer als Raubbau zu kennzeichnen ist.
Soviel läßt sich mit Sicherheit über den ersten Kohlenbergbau südlich der Ruhr sagen:
Die Abbautechnik war weitgehend der Pingenbau (s. Bild 5 ![]() Nach und nach wurden tonnlägige Schächte von unten her gebrochen. Die ausgekohlten Teile ließ man zu Bruch gehen. Die zweite Entwicklungsstufe begann mit dem Ende des 16. Jahrhunderts:
Der Bergbau zwischen 1620 und 1800Der Bergbau in der ehemaligen Grafschaft Mark ist durch mehrere Persönlichkeiten gekennzeichnet, so den Bergvogteiverwalter und Bergmeister Dietrich von Diest und den Oberbergrat Freiherr vom Stein.Beide brachten auf ihre Art, wenn auch in ihrem Wirken über 150 Jahre getrennt, für ihre Zeit den Bergbau in den notwendigen Zustand. Dietrich von Diest verschaffte der alten Bergordnung von 1542 neues Ansehen. Schon bei seiner Einführung 1632 wurde auf die Notwendigkeit des Beitreibens der Steuern verwiesen (Kohlenzehnt). Diest setzte auch durch, daß das Bergwerkseigentum in genau festgelegten Grenzen verliehen, exakt vermessen und mittels Lochsteinen über Tage sichtbar gemacht wurde. Die Vorbilder dafür fand er im Harzer und sächsischen Bergbau, die zu dieser Zeit technisch an der Spitze standen, später jedoch der Entwicklung des Reviers eher hinderlich waren. Nach und nach setzte sich die Technik des Stollenbaues und die der Luft- und Förderschächte im Streichen des Stollens durch. Aus Haßlinghausen (heute: Sprockhövel) hören wir von einem 700 Fuß langen Stollen, in Gründschöttel (heute: Wetter a.d. Ruhr) erreichte der Stollen des Peter Mertens 1124 Fuß Länge. Er war mit 28 Pützen (Schächten) für Förderung und Bewetterung ausgestattet. Es war dies der auf der "Fredholter Bank" aufgefahrene Stollen. Stollen von 350 bis 400 m Länge waren um diese Zeit keine Seltenheit. Wenn man die schwierige politische Lage im Dreißigjährigen Krieg berücksichtigt, kann das Wirken Dietrich von Diests gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Diest starb 1661. Leider erreichte keiner seiner Nachfolger sein persönliches und fachliches Format. Für die Zeit zwischen 1640 und 1800 sind für das Gebiet von Wetter (Ruhr) einschließlich Silschede (heute: Gevelsberg) und Bommern (heute: Witten) mehr als 60 Bergwerke bekannt, die freilich nicht immer gefördert haben, von denen manche eingegangen, aufgekauft oder ersoffen sind. Einige jedoch waren bis in unsere Zeit von Bedeutung:
Das Amt Wetter (Ruhr), zu dem auch noch Haßlinghausen, Gennebreck, Schee und Horath (heute alle: Sprockhövel) gehörten, war zu dieser Zeit die Gegend mit dem höchsten Steueraufkommen in der Mark. Unter den preußischen Herrschern erlebten Handel und Wandel, also auch der Bergbau in der Mark, eine neue Blüte. 1738 kam es endgültig zur Etablierung des neuen märkischen Bergamtes in Bochum. Das alte Berggesetz wurde verbessert und nach dem sächsischen Vorbild ausgerichtet. Es trat 1766 in Kraft. Viele Neuerungen haben die folgenden Jahrzehnte bewirkt:
Im Jahre 1784 wurde der Freiherr vom Stein Direktor des Bergamtes, das nach Hagen und schließlich nach Wetter (Ruhr) als dem bergbaureichsten Amt verlegt wurde. Vom Stein verdankt seine Berufung vor allem - außer seinen sicher ungewöhnlichen Fähigkeiten - dem preußischen Staatsminister von Heinitz, der den jungen Mann mit 27 Jahren in dieses Amt hob. Unter vom Stein wurde dem Direktionsprinzip endgültig zum Durchbruch verholfen. Der Staat nahm nunmehr entscheidenden Einfluß auf den Fortgang der Zechen, die Regelung der Löhne, die Berufung, Beschäftigung und Entlassung des Grubenpersonals (nicht nur des leitenden!). Die regelmäßige staatliche Grubeninspektion sorgte für einen ordentlichen Betriebszustand. 1788 wurde im "Generalpardon" den Landesflüchtigen, die dem Militärdienst entgangen waren, Straffreiheit zugesichert. Viele von ihnen kehrten wieder ins Märkische zurück, nachdem sie Jahre im Herzogtum Berg verbracht hatten. Aufs Ganze gesehen ist die Zeit vor 1800 eine Zeit kurz vor dem Umbruch, vor einer industriellen Revolution. Das Mittelalter ging endgültig zu Ende. Bisher bestimmende Regierungsformen, Wirtschaftsprinzipien und althergebrachte Techniken waren am Ende ihrer Entwicklung angelangt. Der Bergbau südlich der Ruhr bis zum 1. WeltkriegDas 19. Jahrhundert brachte dem Bergbau endgültig eine Reihe von technischen Neuerungen. Für die Zechen bedeutete die Einführung der Dampfmaschine, daß man das Wasser unter der Stollensohle heben konnte. Dies war der Übergang zum Tiefbau. Zugleich konnte die Dampfkraft auch zur Kohleförderung eingesetzt werden. Diese stieg dadurch in erheblichem Maße. Entscheidende Frage aber war die des Abtransports der Kohle. Sie entschied über Gedeih und Verderb des Bergbaus südlich der Ruhr:
Alle Maßnahmen förderten den hiesigen Bergbau jedoch nur in bescheidenem Maße und das Entscheidende war, daß alle bedeutenden technischen Fortschritte in erster Linie dem neuen Revier nördlich der Ruhr zugute kamen:
Die schnelle Aufwärtsentwicklung des Reviers am Hellweg und an der Emscher wurde von den neuen Großzechen und den Eisen- und Stahlerzeugern getragen. Nicht zuletzt aber dürfte mitentscheidend gewesen sein, daß ganz neue Formen von Gesellschaften auf der Basis von Aktien und Profit immer größeren Einfluß gewannen. Die technischen Möglichkeiten wurden in dem Gebiet südlich der Ruhr so gut es ging genutzt:
2. Haßlinghausen und Sprockhövel 3. Silschede (heute: Gevelsberg) 4. Bommern-Hardenstein-Vormholz (heute: Witten) 5. Hattingen Insgesamt ließ der Förderanteil der südlich der Ruhr gelegenen Zechen immer weiter nach. Er sank von 1804 - 55%Wenn trotzdem von einer Blüte des Bergbaus südlich der Ruhr gesprochen wird, so meint dies einmal die eher bedächtige Entwicklung der Zeichen in diesem Gebiet, die sich an den gegebenen Möglichkeiten orientierte und kaum spekulativen Einflüssen unterlag wie viele Gesellschaften der Gründerzeit, zum anderen das langsame Zuströmen und die Assimilisation der Zuwanderer (wenigstens in der ersten Hälfte des Jahrhunderts), zum dritten die nicht ausschließliche Konzentration auf den Bergbau als einziger Erwerbsquelle durch die Ausweichsmöglichkeit in die eisenschaffende und -verarbeitende Industrie des Ennepe- und des Ruhrtals sowie des Hagener Raumes und der weit verstreute Kottenbesitz, das landwirtschaftliche "Bein" vieler Bergmannsfamilien. All dies milderte die starken Kontraste, heftigen Spannungen und teilweise erbittert geführten Auseinandersetzungen aus sozialen, religiösen, politischen und ethnischen Gründen, wie sie im neuen Revier sich über 80 Jahre hinzogen und doch ganz erheblich zur Eigenart dieses Raumes beitrugen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts ragte keine der Zechen zwischen Ruhr und Ennepe über den Status einer Kleinzeche hinaus. Die Zahl der Beschäftigten lag bei etwa 50 Personen. Erst um die Jahrhundertwende wuchsen die größten von ihnen in die Dimensionen einer Mittelzeche hinein:
Zu dieser Zeit aber waren sie längst nicht mehr entscheidend für den wirtschaftlichen Wohlstand der Region, sondern nur noch für den der Gemeinde. Die große Stillegungswelle der Zwanziger JahreBereits vor dem 1. Weltkrieg brachten
Besonders hart wurde beispielsweise der Raum der ehemaligen Ämter Haßlinghausen und Volmarstein von der ersten und zweiten Stillegungswelle zwischen 1920 und 1926 betroffen. Auf die mannigfachen Ursachen und Gründe soll hier nicht näher eingegangen werden. In den beiden Ämtern handelte es sich im Wesentlichen um die folgenden Zechen: [Tabelle folgt] Insgesamt wurden am Südrand des Ruhrkohlenbezirks 26 Zechen mit einer Förderung von 3.671.013 t Kohle und 18.850 Belegschaftsmitgliedern stillgelegt. Die dritte Stillegungswelle erfaßte den ganzen mittleren Ruhrkohlenbezirk und reichte teils darüber hinaus bis an die Lippe. Sie dauerte von 1929 bis 1932. Ihren Höhepunkt hatte sie 1931, als viele renommierte Zechen des Ruhrkohlenbezirks wegen der allgemeinen Wirtschaftskrise zumindest vorübergehend geschlossen wurden. In dem alten Revier gab es noch folgende Stillegungen: [Tabelle folgt] Mit diesen Schließungen war der Bergbau im ehemaligen Amt Volmarstein praktisch zum Erliegen gekommen. Mehr als 1700 Bergleute kamen um ihren Arbeitsplatz, zusammen mit abhängigen Angehörigen darf man 5.000 Personen veranschlagen, welche direkt von den Stillegungen betroffen wurden. Da auch in den Nachbarorten Haßlinghausen, Sprockhövel, Herbede und Witten die meisten Zechen schlossen, waren die Folgen noch viele Jahre spürbar. Dramatisch war in diesem Zusammenhang die Rettung der Zeche "Alte Haase" in Sprockhövel 1925 bis 1926. Eine erhebliche Abwanderung setzte ein. So sank z.B. die Einwohnerzahl von Silschede von 1850 Einwohnern im Jahre 1924 fortlaufend ab bis zum Jahre 1939. Erst dann stieg sie wieder langsam an. Ähnlich verlief die Entwicklung in Herbede, wo bis auf zwei ebenfalls alle größeren Zechen schlossen. Diese wurden im Zuge der vierten Stillegungswelle 1961 bzw. 1972 aufgegeben. Krisenzeiten verändern die ExistenzgrundlageDie Zechenstillegungen in dem alten Revier, im Raum Haßlinghausen - Silschede - Herbede, veränderten grundlegend das wirtschaftliche und soziologische Gefüge dieses Gebietes. Während es durch die intensive Anteilnahme und das aktive Eingreifen der Bevölkerung und von Bergarbeitern in Sprockhövel nur zu einer vorübergehenden Stillegung der Zeche Alte Haase vom 15.09.1925 bis 04.05.1926 kam und diese so gerettet wurde, gelangen ähnliche Vorhaben in den anderen betroffenen Gebieten nicht. Über die vielfältigen Aktionen in Sprockhövel geben die archivierten Jahresbände 1925 und 1926 der "Sprockhöveler Zeitung" recht bewegt Auskunft.Für die Gemeinden Silschede und Esborn, als den in diesem Raum am meisten betroffenen Orten, ergaben sich weitreichende Folgen:
[Diagramm und Tabelle folgen] | |
QUELLE | ![]() | |
PROJEKT | ![]() | |
DATUM AUFNAHME | 2004-02-26 | |
AUFRUFE GESAMT | 3001 | |
AUFRUFE IM MONAT | 10 | |
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