MEDIEN

(63 KB)   Jüdisches Gemeindezentrum Duisburg-Mülheim-Oberhausen: Neuer Anfang, neue Formen / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/Anna M. Radau   Jüdisches Gemeindezentrum Duisburg-Mülheim-Oberhausen: Neuer Anfang, neue Formen / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/Anna M. Radau
TITELJüdisches Gemeindezentrum Duisburg-Mülheim-Oberhausen: Neuer Anfang, neue Formen
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONDie vielen bis 1933 organisch gewachsenen jüdischen Gemeinden waren 1945 vernichtet. Die Gemeinden, die nach 1945 in Deutschland neu entstanden, hatten eine völlig andere Struktur. Sie waren klein und ihre Mitglieder meist ältere, der Verfolgung und Ermordung entronnene Personen und deren Familien, die Kinder meist nach 1945 geboren. Neben den in ihre Heimat zurückgekehrten deutschen Juden lebten 1946 in Deutschland rund 200.000 aus den Vernichtungslagern befreite Überlebende jüdischen Glaubens. Diese Menschen wollten wegen des aufflammenden alten Antisemitismus in Polen und anderen Staaten des sich bildenden Ostblocks nicht mehr in ihre Heimatländer zurückkehren. Sie warteten in Deutschland auf Möglichkeiten, in andere Länder auszuwandern. Viele von ihnen hatten kein Interesse an einem neuen jüdischen Leben in Deutschland. Andere schlossen sich vorübergehend den sich neu bildenden jüdischen Gemeinden an. In Nordrhein-Westfalen machten die "Rückkehrer" im Gegensatz zu anderen Bundesländern ca. 70 Prozent der jüdischen Bevölkerung aus. Sie waren hier "zu Hause" und wollten die Gemeinden, zumindest für die Übergangszeit, in der sie sich in Deutschland auf ihre Auswanderung vorbereiteten, wiedererrichten. [1]

Die ersten Gottesdienste fanden zunächst in Privathäusern statt. Immer wieder stand die Frage im Raum, ob auf Dauer ein Gemeindeleben in Deutschland möglich sein würde. So waren die Aufgaben der neuen jüdischen Gemeinden klar definiert. Sie sollten die Überlebenden sozial und religiös betreuen und ihnen bei der Ausreise behilflich sein. Stärker als alle Zweifel war schließlich der Wille einzelner, jüdisches Leben in Deutschland wieder aufzubauen. So konstituierten sich bald viele Gemeinden neu. 1948 gab es in Westfalen bereits folgende jüdische Gemeinden: Bielefeld, Bochum, Detmold, Dortmund, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herford, Herne, Lemgo, Lippstadt, Minden, Münster, Paderborn, Recklinghausen, Siegen, Warburg und Witten. [2]

Auch wenn die Gründung jüdischer Gemeinden bei den Juden außerhalb Deutschlands auf zum Teil massive Ablehnung stieß, gab es in den fünfziger Jahren bei einem Großteil der jüdischen Überlebenden heftigen Widerspruch gegen diese Kritik. Sie hatten sich zwischenzeitlich trotz mancher Schwierigkeiten für ein Leben in Deutschland entschieden. So entstanden Mitte der fünfziger Jahre die ersten Pläne für neue Synagogenbauten. In Westfalen konnten bis 1961 sechs Synagogen eingeweiht werden: Dortmund 1956, Minden und Gelsenkirchen 1958, Paderborn 1959, Hagen 1960 und Münster 1961. 1963 erfolgte die Einweihung der Synagoge in Bielefeld. In Recklinghausen und Detmold gab es neue Betsäle in den Gemeindehäusern.

Neben Hermann Guttmann, der allerdings in Westfalen nicht gebaut hat, zählen Helmut Goldschmidt und Karl Gerle zu den Architekten, die die meisten Synagogen in Deutschland geplant und errichtet haben. Letztere sind verantwortlich für die Synagogen in Dortmund, Münster, Minden, Paderborn, Hagen sowie für den Betsaal in Recklinghausen.

Die Neubauten entstanden ohne Anknüpfung an die Synagogen der Vorkriegszeit. Man wollte sich bewusst abheben von den pompösen Monumentalbauten der Kaiserzeit. Funktion und Technik bestimmten die Bauweise. Darüber hinaus galt es, wie ein Architekt formulierte, "das Gemeindeleben so zu gestalten, dass alle Mitglieder zusammengebracht werden, dass sie sich neben dem Gottesdienst auch gesellschaftlich näherkommen", [3] Diese Vielfalt der Aufgaben bedingte daher beim Synagogenbau eher eine Ähnlichkeit mit den Bethäusern der Gemeinden in weit zurückliegender Vergangenheit als mit den Synagogen der letzten einhundertfünfzig Jahre.

Die neu entstandenen Synagogen sind fast alle mit einem kleineren oder größeren Gemeindezentrum verbunden. Die Gebäude verfügen neben dem Bethaus und oft einer Mikwe auch über Gesellschaftssäle, Unterrichts- und Gruppenräume für die Jugend sowie Räume für Verwaltungsangelegenheiten.

Die Zuwanderung von jüdischen Familien aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion brachte seit Anfang der neunziger Jahre über 50.000 Menschen nach Deutschland. Die kleinen Gemeinden nahmen diese Menschen mit großem Engagement auf. Gemeinden mit vordem 60 zumeist älteren Mitgliedern sind heute teilweise auf über tausend Personen angewachsen. Die in den fünfziger und frühen sechziger Jahren gebauten Gemeindezentren reichten mit ihren räumlichen Gegebenheiten nicht mehr aus. Es mussten größere Gemeindesäle und mehr Büros für die Betreuung der Zuwanderer geschaffen werden, aber ebenso größere Betsäle, da auch die Teilnahme an den Gottesdiensten zugenommen hat.

Das Gemeindezentrum in Dortmund erhielt in seinem Erweiterungsbau u.a. einen großen Saal mit einem Toraschrein, so dass er bei hohen Festtagen, wenn die Synagoge nicht mehr ausreicht, auch als Betsaal genutzt werden kann. In Recklinghausen konnte im Januar 1997 in Verbindung mit einem allgemeinen Erweiterungsbau auch eine neue Synagoge eingeweiht werden. Der Synagogensaal hat einen quadratischen Grundriss. Die Bima steht, der traditionellen Aufteilung entsprechend, in der Mitte des Raumes.

Die jüngste Synagoge Nordrhein-Westfalens steht in Duisburg. Der Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen waren Synagoge und Gemeindezentrum in Mülheim zu klein geworden. Am Duisburger Innenhafen konnte sie ein passendes Grundstück erwerben, auf dem nach den Plänen des Berliner Architekten Zwi Hecker ein neues Gemeindezentrum mit Synagoge gebaut wurde. Der im Mai 1999 fertiggestellte Neubau ist auf den nahe gelegenen Standort der 1938 zerstörten Synagoge hin ausgerichtet.

Der Bau nimmt die Formen des umliegenden Parks in sich auf. Wie ein Buch fächert sich das Gebäude in den Park hinein. Die integrierte Synagoge stellt eine Kombination von zwei Formen dar, die eines Sterns und die einer Buchseite. Der Stern erlaubt einen allseitigen Blick in Richtung des Toraschreins und die "Seite" öffnet sich mit einem Oberlicht zum Himmel. Die Dächer jeder "Seite" haben Glasöffnungen, die das Licht in den Baukörper hereinströmen lassen. Draußen kreieren die "Seiten" eine hintereinander geschaltete Torform, die den Garten in aufeinanderfolgende Höfe teilen. Die Fortbewegung durch die Torabfolge führt den Besucher vom Profanen hin zum Heiligen und erfährt ihren Höhepunkt in der Synagoge. [4]


[1] Micha Guttmann: Jüdische Geschichte in Nordrhein Westfalen, In: Michael Zimmermann (Hrsg.), Die Geschichte der Juden im Rheinland und in Westfalen. Köln 1983. S. 260-310. Hier S. 266.
[2] Micha Guttmann: Jüdische Geschichte in Nordrhein-Westfalen. S. 266.
[3] Hermann Zvi Guttmann: Vom Tempel zum Gemeindezentrum. S. 9.
[4] Auskunft der jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen. Siehe auch die Homepage im Internet unter http://sti1.uni-duisburg.de/Gaeste/Gemeinde/geschichte.htm.


TECHNIKFoto
FORMATjpg


FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/Anna M. Radau


QUELLE    Ridder, Thomas | Synagogen in Westfalen | Dia 12, S. 43-46
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Sachgebiet6.8.10   Juden
16.4   Jüdische Gemeinden
16.6.1   Kirchenbau, Sakralbauten / Kirchenaausstattung
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT3927
AUFRUFE IM MONAT122