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(79 KB)   Synagoge Drensteinfurt: Vom Vergessen und Verschweigen / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt   Synagoge Drensteinfurt: Vom Vergessen und Verschweigen / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt
TITELSynagoge Drensteinfurt: Vom Vergessen und Verschweigen
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONMit der organisierten Zerstörung der Synagogen wurden die markantesten Schauplätze jüdischen Lebens in Deutschland ausgelöscht. Darüber hinaus verschwand im Alltagsleben, im Erscheinungsbild wie im öffentlichen Leben der Städte und Dörfer die Erinnerung an die Juden.

Eine ganze Reihe von Synagogengebäude entging der Zerstörung und Verwüstung. Die Kultusgemeinden hatten ihre Bethäuser verkaufen müssen, weil ihnen wegen zunehmend geringer werdender Mitgliederzahlen die finanziellen Möglichkeiten zum Unterhalt fehlten bzw. nicht mehr genügend Teilnehmer für einen Gottesdienst zusammen kamen. Nach dem Krieg nutzte man vielerorts die ehemaligen Synagogen als Werkstätten, Lagerschuppen, Garagen oder auch als Diskotheken. Nicht wenige Gebäude fielen erst jetzt dem Abbruchhammer zum Opfer oder wurden bis zur Unkenntlichkeit umgebaut.

Es sollten noch mehrere Jahrzehnte vergehen, bis man sich der besonderen Bedeutung dieser Gebäude erinnerte. Durch die Initiative engagierter Bürgerinnen und Bürger konnte oftmals nach zähen Verhandlungen erreicht werden, dass die ehemaligen Synagogengebäude entweder von den Kommunen oder eigens gegründeten Fördervereinen aufgekauft und somit vor dem weiteren Verfall und dem drohenden Abbruch bewahrt und restauriert werden konnten. Dennoch werden diese Gebäude nicht wieder als Bethäuser verwendet, da in den jeweiligen Orten keine jüdischen Gemeinschaften mehr existieren.

Unter dem Titel "Eine verschollene Architektur" schrieb Dieter Bartetzko zu den Problemen der Erinnerung und des Umgangs mit den ehemaligen Synagogengebäuden:
"Die jüdischen Deutschen mussten der Zerstörung ihrer Synagogen tatenlos zusehen, die sogenannten arischen Deutschen sahen ihr tatenlos zu. Schon am 09.11.1938 hatte die 'arische' Mehrheit begonnen, die jüdischen Gotteshäuser aus ihrem Gedächtnis zu tilgen, die Abrissflächen zu tabuisieren und die Umnutzung der erhalten gebliebenen Synagogen hinzunehmen. Selbst die nach 1945 aufgestellten Mahntafeln oder die wenigen wiedererrichteten oder neugebauten Synagogen haben im Grundsätzlichen daran nicht gerüttelt. Scham oder Scheu mag eine Ursache dafür sein, dass die einstigen Standorte von Synagogen noch heute gemieden werden oder vergessen sind." [1]
Vielerorts gab es erst zum fünfzigsten Jahrestag der Pogromnacht, im November 1988, eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Schicksal der lokalen jüdischen Gemeinde und ihrer Synagoge.

Die wiederhergestellten ehemaligen Synagogengebäude werden heute als kulturelle Veranstaltungsorte, als Museen oder Gedenkstätten genutzt. Beispiele finden sich u.a. in Hagen-Hohenlimburg, Selm-Bork, Oerlinghausen oder in Marsberg-Padberg. Die Abbildung zeigt die ehemalige Landsynagoge von Drensteinfurt.

Das kleine Bethaus wurde 1872 in zentraler Lage im Ortskern zwischen der Münsterstraße und dem Kirchplatz errichtet. Es ist ein einfaches, kleines Backsteingebäude, das sich unauffällig in die Reihe der Nachbarhäuser einfügt. Nur die hebräische Inschrift über der zweiflügeligen Tür verweist auf eine jüdische Nutzung. Im Innern befindet sich an der Westseite eine Frauenempore, die über eine hölzerne Treppe zu erreichen ist. An der Ostwand markiert eine weiße Fläche die Stelle, an der sich bis zur Zerstörung der Toraschrein befand. Denn auch diese Synagoge wurde in der Nacht des 09.11.1938 schwer verwüstet.

Im Jahr 1939 musste das Gebäude verkauft werden. Es diente bis in die achtziger Jahre als Lagerschuppen, blieb aber, von der Inneneinrichtung abgesehen, im wesentlichen erhalten. Nachdem das ehemalige Synagogengebäude 1985 unter Denkmalschutz gestellt wurde, kaufte die Stadt Drensteinfurt 1988 das Haus auf und ließ es mit Mitteln der Landesregierung und des Kreises Warendorf restaurieren. Zusammen mit dem "Förderverein Alte Synagoge e.V." entwickelte man ein Nutzungskonzept und realisiert seit 1992 kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Vorträge und Ausstellungen in der ehemaligen Synagoge.

"Die Restaurierung und Bewahrung der ehemaligen Synagoge soll kein Selbstzweck sein. Das Gebäude soll nicht nur an die Vergangenheit erinnern, sondern ein Ort des Lernens sein. Hier soll die Erinnerung an die Verfolgung und die Vernichtung der jüdischen Bürger Drensteinfurts und ganz Europas wachgehalten werden, um die Wege zu einer toleranteren Gegenwart und Zukunft aufzuzeigen"
schreiben die Stadt Drensteinfurt und der Förderverein Alte Synagoge. [2]

[1] Dieter Bartetzko: Eine verschollene Architektur. Über Synagogen in Deutschland, Frankfurt a.M. 1988. S. 10f.
[2] Zitat und Informationen zur ehemaligen Synagoge wurden einem von der Stadt Drensteinfurt und dem Förderverein Alte Synagoge e.V. hrsg. Faltblatt entnommen.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt


QUELLE    Ridder, Thomas | Synagogen in Westfalen | Dia 11, S. 41-43
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort3.8.4   Drensteinfurt, Stadt
Sachgebiet6.8.10   Juden
16.4   Jüdische Gemeinden
16.6.1   Kirchenbau, Sakralbauten / Kirchenaausstattung
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT3646
AUFRUFE IM MONAT235