Territorien > Königreich Westphalen
Westphalen, Königreich
Medaille auf die Gründung des Königreichs (Ausschnitt), 1807 Medien
Nach dem Frieden von Tilsit, in dem Preußen in die Abtretung aller linkselbischen Gebiete einwilligen mußte, wurde gemäß Art. 8 des Vertrags aus Teilen der abgetretenen Gebiete Preußens und seiner Verbündeten das Königreich Westphalen für Napoleons Bruder Jérôme gebildet und am 18.08.1807 durch ein Dekret Napoleons formell ins Leben gerufen. Es umfaßte das Herzogtum Braunschweig, Kurhessen (ohne Hanau, Schmalkalden und die Niedergrafschaft Katzenelnbogen), Teile des Königreichs Hannover (Göttingen, Grubenhagen, Osnabrück), des Königreichs Sachsen (Anteil an der Grafschaft Mansfeld sowie die Ämter Barby, Gommern, Querfurt und Treffurt), die ehemalige Reichsabtei Corvey, die Grafschaft Rietberg und preußische Gebiete (Altmark, Eichsfeld, Goslar, Halberstadt, Hildesheim, Hohnstein, Magdeburg, Minden, Mühlhausen, Münster, Nordhausen, Paderborn, Quedlinburg, Ravensberg, Stolberg-Wernigerode), insgesamt fast 40.000 qkm mit etwa 2 Millionen Einwohnern.
Am 15.10.1807 erließ Jérôme in seiner neuen Hauptstadt Kassel eine Verfassung für das Land, das dem Rheinbund beitrat. Eine Volksvertretung wurde aus 70 Vertretern des Grundeigentums, 15 der Kaufleute und Fabrikanten und 15 des gelehrten Standes gebildet. Das Land wurde nach französischem Vorbild in die Departements Elbe, Saale, Harz, Oker, Leine, Werra, Fulda und Weser eingeteilt. Nach der Aufhebung der Klöster und Stifte sowie der Universitäten Rinteln und Helmstedt versuchte die Regierung wirtschaftliche und soziale Reformen durchzuführen. Diesem Ziel sollten die Beseitigung der Standesvorrechte, die Befreiung von der Leibeigenschaft sowie die Einführung der Gewerbefreiheit, der französischen Währung und des Code Napoleon dienen. Den Vorzügen dieser allerdings weitgehend nicht realisierten Pläne standen Konskriptionen, hohe Steuern und, infolge der Kontinentalsperre, eine Wirtschaftskrise gegenüber, so daß es wiederholt zu Unruhen, 1809 zu Aufständen, vor allem in Kurhessen unter Dörnberg, Sternberg und Emmerich kam. Napoleon griff ständig selbst in die politischen, militärischen und finanziellen Verhältnisse des Landes ein. Auch die fähigen Finanzminister Bülow und Malchus konnten den zerrütteten Staatshaushalt nicht sanieren.
Am 14.10.1810 wurde Hannover ohne Lauenburg dem Königreich Westphalen angegliedert, gegen Ende des Jahres die nordwestlichen Gebiete an Frankreich abgetreten. Das Königreich Westphalen mußte ein beträchtliches Kontingent zur Großen Armee für den Rußlandfeldzug Napoleons 1812 bereitstellen. Nach der Niederlage des Kaisers bei Leipzig 1813 floh König Jérôme aus Kassel. Der russische General Tschernyschew erklärte nach der Besetzung der Hauptstadt am 01.10.1813 das Königreich Westphalen für aufgelöst. Das Ende der scheinkonstitutionellen französischen Herrschaft wurde allgemein begrüßt.
Quelle: Franz-Josef Schütz / Gerhard Taddey, in: Gerhard Taddey, Lexikon der Deutschen Geschichte, Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, 1998, S. 1344
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