QUELLE | ![]() | |||||||||||||||||||
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DATUM | 1919-01-12 - 1919-01-18 ![]() ![]() | |||||||||||||||||||
URHEBER/AUSSTELLER | Russel, Carl, Oberbürgermeister von Buer | |||||||||||||||||||
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EMPFÄNGER | Merveldt, Felix von, Regierungspräsident von Münster | |||||||||||||||||||
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AUSSTELLUNGSORT | Buer | |||||||||||||||||||
TITEL/REGEST | Schreiben des Oberbürgermeisters von Buer an den Regierungspräsidenten in Münster über Streiks und Unruhen in der Stadt | |||||||||||||||||||
TEXT | [fol. 195r] Der Oberbürgermeister Buer W[estfalen][1] 12. Januar 1919. Betrifft Ausstand und Unruhen in Buer. An den Herrn Regierungs - Prä- sidenten in Münster K[önigliche] Reg[ierung] Münster 13. JAN. 1919 N. I 4 N[umer]o 145 Anl[age] [kein Eintrag] [Kürzel unleserlich] Am Donnerstag, den 9. d[iese]s Monats fand hier eine stark besuchte öffentliche Ver- sammlung des vor kurzem gegründeten, vielfach aus fiska- lischen[2] Bergarbeitern bestehenden Spartakusbundes[3] statt. Am nächsten Morgen beschloß die zur Anfahrt ange-[4] tretene Belegschaft Bergmannsglück[5] in den Ausstand einzutreten; zu ihr gehören zahlreiche Unabhängige[6] und Spartakisten[7]. Forderungen wurden zunächst nicht ge- stellt. Ein großer Teil der Bergleute zog nach Zeche Westerholt[8], wo sich fol. 195v] die Belegschaft dem Streik nur teil-[9] weise zunächst anschloß. Sodann be- gab sich der Zug nach Ewald III/IV. und Bismarck III/V, deren Belegschaft nach Verhandlungen mit dem Arbeiterausschuß die Arbeit nieder- legte. Später folgte aus sich Bismarck II/VI. Von der ausständigen Belegschaft Nordstern in Horst aus- gehend, griff ferner der Ausstand zunächst auch auf die benachbarte Zeche Hugo III und später auf Hugo I[10] und Hugo II über. Hier wurden so- gleich Lohnforderungen aufgestellt: Gewalt wurde nirgends angewandt und Waffen nicht mitgeführt. Am Freitag Nach- mittag fand ferner eine große Kundge- bung des Spartakusbundes statt, an der sich mehrere Tausende von Menschen beteiligten. Die Demonstration [fol. 196r] richtete sich gegen die Regierung Ebert-Scheidemann[11] und den hiesigen[12] A[rbeiter- und] S[oldaten-] Rat[13], gegen den seit einiger Zeit sich von manchen Seiten Un- willen breit machte. Man zog zum Rathaus, wo auch der A[rbeiter] u[nd] S[oldaten-] Rat seine Räume hat. Eine Kommission des Spartakusbundes verhandelte mit dem letzteren im Sinne einer Umgestaltung des Rats oder seines Rücktritts. Die Verhandlungen, die nur kurze Zeit dauerten, sollten am nächsten Tage fortgesetzt werden. Am Samstag früh richtete aber der A[rbeiter- und] S[oldaten-] Rat das Rathaus zur Verteidigung gegen etwaige An- griffe des Spartakusbundes ein, indem bewaffnete Posten aus- und zwei Ma- schinengewehre aufgestellt wurden. Es gelang jedoch einer kleineren Zahl spartakistischer Matrosen die Ma- [fol. 196v] schinengewehre ohne Widerstand weg- zunehmen und auch sonst sich in[14] den Besitz der Waffen und der Munition des A[rbeiter- und] S[oldaten-] Rates zu setzen. Während dieses Vorganges war das Rathaus geschlossen und auch die Beamtenschaft zur Sicher- heit fortgeschickt worden. Irgendwelche Gewalttätigkeiten sind nicht vorgekommen. Alsdann wurde zwischen dem A[rbeiter- und] S[oldaten-] Rat und dem Spartakusbund und den zu ihm übergetretenen Unabhängigen ver- handelt mit dem Ergebnis, daß die Mehrheitssozialisten[15] und Centrums- leute[16] ausschieden und dafür Anhänger des Spartakusbundes aufgenommen wurden. Der Arbeiterrat besteht nun- mehr aus Unabhängigen und Sparta- kisten, die Zuwahl von Mehrheitsso- zialisten ist in Aussicht genommen. [fol. 197r] Ich habe früh mit dem neugebildeten Arbeiterrat über die Fortführung der Verwaltungsgeschäfte verhandelt. Danach werden die Beamten- schaft und die Körperschaften ungestört, wie bisher, weiterarbeiten. Irgend welche Änderungen treten nicht ein. Die vielfach willkürlich ausgegebenen Waffen werden tunlichst wieder einge- zogen. Die Wahlen sollen unbehelligt bleiben. Ich vertraue, daß die Beamtenschaft im Interesse der Bürgerschaft, deren Wohl völlig in ihre Hand gegeben ist, die vielfach geäußerten Bedenken der Weiterarbeit zurückstellt. - Die "Buersche Zeitung" ist besetzt; sie soll fortan als "Freiheit" weiter erscheinen[.] Die Beseitigung des Zwanges werde ich mir angelegen sein lassen. Die Lage auf den Zechen ist noch nicht geklärt; es [fol. 197v] finden weitere Belegschaftsversamm- lungen statt. Weiter gearbeitet wird nur auf auf Scholven und Bis- marck VII/VIII. Die Forderungen der[17] Streikenden ähneln den Hamborner Punkten[18], zu denen der Ausdruck der Sympathie für die Liebknecht-Gruppe[19] sich bei vielen gesellt. Es steht zu hoffen, daß die neue Aufforderung der 3 Essener sozialistischen Parteien[20] zur Wieder- aufnahme der Arbeit beachtet werden wird. Auf Ewald III/IV kam es gestern Nach- mittag zu einer kleinen Schießerei zwischen dem von der Zeche herange- zogenen Militär und Spartakusleuten, von denen einige durch ersteres festge- setzt waren. Verstärkungen der Spartakisten befreiten ihre Mitglieder, worauf die Soldaten abzogen. Weil man von Resse her Zugang von Militär befürchtete, hat man an der Straße dorthin ein Ma- [fol. 198r] schinengewehr aufgestellt. Auch hier ist es nicht zu Verletzungen gekommen. Die Gesamtzahl der Streikenden beläuft sich auf etwa 15000 Arbeiter. Die Aufrechterhaltung des Betriebes in den oberirdischen Anlagen ist überall gesichert. Russel[21] + Münster den 18 Januar 19 Durch Diensttelegramm vom 10,[22] u. 15 - I 4 N[umer]o 29, 43, 118 ist der Tatbestand im Wesentlichen den 5 Centralbehörden gemeldet worden. Nach dem[23] Fernspruch vom 15 Januar 19 haben sämtliche Belegschaften die Arbeit bei der Morgenschicht wieder aufgenommen. Ein besonderer Bericht erübrigt sich daher, bis die Vorgänge am 14 Januar 19 aufgeklärt sind, über die ein Bericht noch aussteht. Bis auf Weiteres z[u] d[en] A[kten] der R[egierun]gspr[ä]s[i]d[en]t M[24] St 15 N 18/I [Kürzel unleserlich] 18. Streik 37.1 a [1] Buer (Westfalen): Stadt im ehemaligen Vest Recklinghausen, 1926 Großstadt, 1928 Zusammenschluss mit der Stadt Gelsenkirchen. [2] Bergarbeiter auf staatlichen Zechen. [3] Bund marxistischer Sozialisten, Vorläufer der KPD. [4] Randbemerkung: Telegramm I 4 N[umer]o. 29. [5] Ergänzt zwischen den Zeilen; unterstrichen: Bergmannsglück. [6] Anhänger der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands). [7] Anhänger des Spartakusbundes (Vorläufer der Kommunistischen Partei Deutschlands). [8] Unterstrichen: Westerholt. [9] Randbemerkung: Telegramm I 4 N[umer]o. 29. [10] Randbemerkung: Telegramm I 4 N[umer]o. 29. [11] Sozialdemokratische Reichsregierung unter Philipp Scheidemann und Friedrich Ebert. [12] Randbemerkung: Telegramm I 4 N[umer]o. 43. [13] In der Novemberrevolution 1918 eingeführtes Selbstverwaltungsorgan in den deutschen Städten. [14] Randbemerkung: Telegramm I 4 N[umer]o. 43. [15] Bezieht sich auf die Mitglieder der SPD (Sozialdemokratischen Partei Deutschlands). [16] Mitglieder der Deutschen Zentrumspartei. [17] Randbemerkung: Telegramm I 4 N[umer]o. [18] Forderungen der von Hamborn ausgehenden Streikbewegung (Lohnerhöhung, Verkürzung der Schichten). [19] Gemeint ist der Spartakusbund bzw. die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands). [20] Der Essener Arbeiter- und Soldatenrat proklamierte am 9. Januar die Sozialisierung des Bergbaus und forderte die Arbeiter zur Beendigung der Streiks auf. [21] Carl Russel, Oberbürgermeister von Buer. [22] Gestrichen: 14. [23] Gestrichen: heutigen. [24] Felix Friedrich Graf von Merveldt. | |||||||||||||||||||
PROVENIENZ | ![]() | |||||||||||||||||||
BESTAND | Regierung Münster Abt. VII | |||||||||||||||||||
SIGNATUR | Nr. 17, Bd.2, fol. 195r-198r | |||||||||||||||||||
MATERIAL | Papier | |||||||||||||||||||
SPRACHE | deutsch | |||||||||||||||||||
ÜBERLIEFERUNGSART | Original | |||||||||||||||||||
PROJEKT | ![]() | |||||||||||||||||||
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN |
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DATUM AUFNAHME | 2014-03-11 | |||||||||||||||||||
DATUM ÄNDERUNG | 2014-04-03 | |||||||||||||||||||
AUFRUFE GESAMT | 1694 | |||||||||||||||||||
AUFRUFE IM MONAT | 18 | |||||||||||||||||||
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