QUELLE

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DATUM1917-05-17   Suche   Suche DWUD
URHEBER/AUSSTELLERWobig, Oberpostinspektor
AUSSTELLUNGSORTMünster
TITEL/REGESTBericht des Oberpostinspektors Wobig über die Untersuchungen aufgrund des Spionageverdachts gegen einen Beamten
TEXTO[ber] P[ost] I[nspektor] Wobig
Zu II G 72.
3 Anlagen

Münster (Westf.), 17. Mai 1917.

Geheim[1]

K[aiserliche] O[ber] P[ost] D[irektion]
hier.[2]

Der von Frau Wiggen gegen den T[elegraphen] S[ekretär] Grunert ausgesprochene
Verdacht der Spionage hat sich durch die Untersuchung
als unbegründet[3] herausgestellt. Den Verdächtigungen liegen
folgende Beobachtungen zu grunde, die von der Telegra-
phengehilfin (a) Antonie Averesch und ferner, von dieser
darauf aufmerksam gemacht, von der Telegraphengehilfin
(a) Angela Wiggen angestellt worden sind:
1. Grunert hat häufig durch Postanweisung Geldbeträge
beim Telegraphenamt erhalten.
2. G[runert] hat die Funksprechverbindung Berlin-Amsterdam an
der Verstärkerlampe stets selbst ausgeführt, ohne sich dabei,
wie andere Aufsichtsbeamten, der Hilfe der weiblichen
Aufsichtsbeamtin zu bedienen. Nach Herstellung der Verbin-
bindung hat G[runert] kürzere oder längere Zeit im nebenliegenden
Umschaltraum verweilt.
3. G[runert] hat öfter am Klinkenumschalter leise Gespräche geführt.
Über diese Wahrnehmungen haben die beiden Ge-
nannten nicht nur unter sich ihre Meinungen ausgetauscht,
sondern die Angela Wiggen hat auch zu Hause[4]
mit ihren Schwestern und mit ihrer Mutter sich
darüber unterhalten und dabei, was von ihr aller-
dings bestritten wird, den Verdacht ausgesprochen, daß
Grunert das Geld durch Spionage sich verdienen
könne. Die Mutter hat dann dem Drogisten Unter-
offizier Bischof, der in ihrer Nähe sein Geschäft hat,

[Seite 2]
oder dessen Frau, in diesem Sinne Mitteilung gemacht.
Die drei Verdachtsgründe haben sich in sehr einfacher
Weise aufgeklärt.
zu 1. Bei den Geldsendungen handelt es sich um Vereins-
beiträge, die Grunert in seiner Eigenschaft als Vorstands-
mitglied des Vereins ehemaliger 4. Kürassiere (G[runert] ist Vizewacht-
meister a[ußer] D[ienst] der 4. Kürassiere) eingesammelt hat. In
einem Falle hat er den Betrag von 100 M[ark] von seinem
Bruder oder von seinem im Felde stehenden Sohn, der Offi-
zier ist, erhalten.
zu 2. Daß G[runert] die Verbindung Berlin-Amsterdam stets selbst
ohne Hinzuziehung der weiblichen Aufsicht ausgeführt hat, ist
durchaus vorschriftsmäßig[5], da er für die richtige Herstellung
allein verantwortlich ist, und durch einen unrichtigen Hand-
griff Beschädigungen der Verstärkerlampe verursacht werden
können. Sein Verweilen im Verteilerraum ist zur Prüfung
der guten Verbindungen erforderlich. Seinem ganzen Wesen
nach neigt G[runert] überhaupt nicht dazu, die Hilfe von weib-
lichen Beamten, vor deren Leistungen er keine allzuhohe
Meinung hat, ohne dringende Veranlassung in Anspruch
zu nehmen. Eine Anschaltung anderer Leitungen an
die Verbindung ist im Verteilerraum, in dem sich nur
die Löteisenstreifen und Relais der Fernleitungen befinden,
nicht gut möglich.
zu 3. Die Gespräche am Klinkenumschalter sind von G[runert] zwei-
fellos aus Anlaß der Eingrenzung von Störungen gehalten
worden.

Es grenzt an Torheit, einen so königstreuen alten Solda-
ten,[6] dessen sehnlichster Wunsch es immer gewesen ist, im
Falle der Mobilmachung trotz seines vorgerückten Lebens-
alters sich der Militärverwaltung zur Verfügung zu stellen
des Landesverrats zu verdächtigen.

Mit ihm selbst habe ich nicht verhandelt, weil er wegen
der schweren Erkrankung seiner Frau - und hieraus erklärt
sich sein gedrücktes Wesen in der letzten Zeit - beurlaubt
ist. Seine Frau ist inzwischen gestorben[7] und wird heute
beerdigt.

Wobig

[1] Unterstrichen.
[2] Unterstrichen.
[3] Unterstrichen.
[4] Randbemerkung: statt an die zuständige amtliche Stelle zu gehen!
[5] Unterstrichen: durchaus vorschriftsmäßig.
[6] Unterstrichen ab: einen.
[7] Unterstrichen: gestorben.


PROVENIENZ  Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen
BESTANDOberpostdirektion Münster
SIGNATURNr. 1832


MATERIALPapier
SPRACHEdeutsch
ÜBERLIEFERUNGSARTOriginal


PROJEKT    Der Erste Weltkrieg in Westfalen - Ausgewählte Archivquellen
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ45   Brief, Bildpostkarte / Briefsammlung
Zeit3.9   1900-1949
Ort3.5   Münster, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet3.14.2   Ordnungsverwaltung, Sicherheit
3.14.3   Geheimdienste, Spionage
DATUM AUFNAHME2014-03-11
DATUM ÄNDERUNG2014-04-01
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