QUELLE | ![]() | ||||||||||||||||
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DATUM | 1915-01-10 - 1915-01-13 ![]() ![]() | ||||||||||||||||
URHEBER/AUSSTELLER | Stegemann, Johannes, Gefreiter | ||||||||||||||||
EMPFÄNGER | Stegemann, Heinrich | ||||||||||||||||
AUSSTELLUNGSORT | Ailles/Frankreich, im Unterstand im Schützengraben | ||||||||||||||||
GEOPOSITION | ![]() ![]() | ||||||||||||||||
TITEL/REGEST | Feldpostbrief von Johannes Stegemann an seinen Bruder Heinrich Stegemann betr. den verstorbenen Vater, die Wetterbedingungen und die Situation vor Ort in den Schützengräben, die Kampfhandlungen sowie die Bitte, ihm Päckchen zu schicken | ||||||||||||||||
TEXT | Im Unterstand im Schützengraben, d. 10.1.15. Lieber Bruder Heinrich! Für deinen lieben langen Weihnachtsbrief meinen herzlichsten Dank. Er hat mir mehr Freude gemacht als ein dickes Paket. Ich wollte Euch einen Weihnachts- u. Neujahrsbrief schreiben mit ähnlichem Inhalt, aber ich hatte keine Zeit. Aber die goldenen Worte, die du lieber Bruder, über unseren lieben unvergeßlichen guten Vater geschrieben hast, werde ich immer behalten. Was uns Vater war u. wie hoch wir ihn schätzen u. ihm Kindesliebe über das Grab hinaus bewahren, das weiß ein jeder von uns. Er hat unser Haus hoch gebracht und uns allen zu Stellungen verholfen, die doch [Seite 2] weit über die untersten Klassen der mensch- lichen Gesellschaft hinausgehen. 13.1.15. Auf Bataillonswache. Sitze in einem ehemaligen Backkeller, der als Wachstube dient u. habe nun 2 Tage Zeit, mich ein wenig zu erholen. Schwere Tage liegen hinter uns. Seit Weihnachten sind wir oben in den Gräben. Jeden Tag u. fast jede Nacht Regen. Der anhaltende Regen macht unsere Gräben so schlammig u. dreckig, daß unsere Stiefel bald nicht mehr lang genug sind. Dabei hatte ich meine Stiefel kaputt, u. habe darum mehrere Tage nasse Füße gehabt: Das Schlimmste ist nun, daß unsere Unterstände u. Höhlen das Wasser durchlassen u. wenn man 6 Stunden im Graben unausgesetzt nach dem Feinde ausgespäht hat, u. kriecht [Seite 3] dann für einige Stunden in die Höhle, dann gehts pink, pink u. dann mei- stens gerade ins Gesicht. Das nennt man dann ausruhen u. schlafen. Und das 48 Stunden an einem durch. Ich weiß nicht, wie mans noch aus- hält. Hat man dann einen Ruhetag, dann heißt es "schanzen" u. schüppen damit der Dreck aus den Gräben herauskommt u. dieser Dreck u. Lehm ist so anhänglich, daß schon mancher geflucht hat, wenn er nun garnicht von der Schüppe herunter will. Ihr kennt doch den Lehmmörtel, womit die Backöfen bei Euch gebaut werden. Gerade so ist hier der ganze Boden u. da gehts durch. Da könnt Ihr Euch denken, [Seite 4] daß wir aussehen noch schlimmer wie die Ziegelbäcker. Das wäre nun noch alle nicht so schlimm, wenn man sich abends oder wenigstens von Zeit zu Zeit umziehen könnte, aber nein im- mer dieselben Plundern am Leibe. Wie nett ist es, daß ich wenigstens tadelloses Unterzeug habe u. auch die Weste, die Heinr. mir schickte, ist famos. Wenn Ihr mir nun alle 14 Tage ein Hemd u. alle 8 Tage ein Paar Strümpfe schickt u. jedesmal ein Paar Kerzen hinzulegt u. einige gute Zigarren gut verpackt, dann habe ich keinen Wunsch mehr. Oder doch, wenn Ihr mir auch ab u. zu in den kleinen Fläschen Kognak u. Rum schickt, dann ist das Leben schon einigermaßen erträglich. Überhaupt wenn Ihr meint, daß ich irgend- [Seite 5] Etwas Eß- oder Trinkbares wohl genießen könnte, dann schickt es nur, ich mag nicht so oft darum schreiben und alles aufzählen. Es ist doch Euer freie Wille u. ich weiß nicht, wie ich Euch das wieder gut machen kann. Da gibt es z. b. schöne Sachen in Büchsen usw. Die sind aber teuer. Sehr große Freu- de hat mir der gekochte Schinken von Clemens u. Tony gemacht. Die anderen Unteroff[i]z[iere] u. sogar unser Leutnant hat tüchtig drein- gehauen. Ich habe natürlich andere Sachen dafür bekommen, wie Leberwurst in Büchsen - Milch in Tuben, Sardellenbutter, Senf in Tube - Kognak - Grog usw. usw. [Seite 6] Vorige Tage ist unsere Komp[anie] mal wieder ordentlich unter Granatfeuer gewesen. Die schweren Dinger schlugen verteufelt nahe am Graben ein u. eine sogar mitten drin u. zum Glück war der Posten der sonst immer auf der Stelle stand zu seinem Neben- mann gegangen, um Feuer für die Cigarre zu holen. Der Druck u. Holzsplitter flogen uns nur so um die Köpfe. In solchen Momenten duckt man sich wohl in seinen Unterstand u. heiße Gebete steigen zum Lenker der Schlachten empor, daß er uns ver- schone oder doch wenigstens ein gnädiger Richter sein möge. [Seite 7] Das sind Stunden, die die Nerven anspannen u. Körper und Seele er- beben lassen. Aber ich habe ein so starkes Gottvertrauen, daß ich meine, es könnte mir nichts passieren, denn es wird doch soviel gebetet für mich. Ihr, meine Mia, meine Freunde in Emsd[etten] u. vor allem meine Jungen, sie alle flehen für mich, daß ich gesund heimkommen möchte, u. da wird Gott mir doch gnädig sein. Nun noch eins. Wie Ihr seht, kann ich nicht allen schreiben. Da muß ich Clemens u. Tony u. vor allem Schmülling schreiben, meine Nachbarn, nach Emsd[etten] usw. usw. [Seite 8] Ich habe auch einige lange Briefe nach Emsd[etten] geschrieben, die in die dortige Zeitung kommen oder schon gekom- men sind. Ich will Mia schreiben, die wird Euch die Zeitungen schicken. Da könnt Ihr sie ja lesen u. könnt sie bei Eurem gemütlichen Skat mal vorlesen. Dann brauch ich nicht allen zu schreiben, wenig- stens nicht so lang. Gestern Abend haben Wilhelm Heek u. ich an Wilhelms Lieben alle geschrieben einen ganzen Packen. Er läßt auch schön grüßen. Nun für heute genug. Gott befohlen auf ein baldiges gesundes frohes Wiedersehen. Gruß an alle, Clemens u. Tony, Schmülling[,] Fritz Schnettger Sebbel, Tensmanns Johann, H. Schröder usw. usw. Euer Johannes. | ||||||||||||||||
PROVENIENZ | ![]() | ||||||||||||||||
BESTAND | Nachlass Heinrich Stegemann | ||||||||||||||||
SIGNATUR | Nr. 1 | ||||||||||||||||
MATERIAL | Papier | ||||||||||||||||
SPRACHE | deutsch | ||||||||||||||||
ÜBERLIEFERUNGSART | Original | ||||||||||||||||
PROJEKT | ![]() | ||||||||||||||||
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN |
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DATUM AUFNAHME | 2014-03-07 | ||||||||||||||||
DATUM ÄNDERUNG | 2014-04-01 | ||||||||||||||||
AUFRUFE GESAMT | 2176 | ||||||||||||||||
AUFRUFE IM MONAT | 21 | ||||||||||||||||
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