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DATUM | 1914-07-25 - 1914-08-03 Suche Suche DWUD | |||||||||||||
URHEBER/AUSSTELLER | Ledebur, Mathilde von, Freiherrin | |||||||||||||
AUSSTELLUNGSORT | Gütersloh | |||||||||||||
TITEL/REGEST | Tagebuch der Mathilde von Ledebur mit Eintragungen zum Kriegsausbruch, zur Verpflegung der ausrückenden Soldaten und zum Gerüchteaustausch | |||||||||||||
TEXT | Am 25. Juli reiste Adelheid[1] ab nach Afrika, nach dem sie 21., 22., 23. noch in Brüssel bei der Königin von Belgien[2] war und sehr befriedigt wie- der kam - ohne jegliche Kriegsgedanken. Sonnabend die furchtbare mit Hindernißen verknüpfte Abreise - Else[3] und ich früh dort zur Andacht - Marie[4] las. Else u. ich mit zum Bahnhof - Nach- her Fahrt mit Marie u. den Kindern durch die neugebaute Heilanstalt in Gütersloh[5]. Montag oder Dienstag fuhr ich nach Crollage[6], wollte von dort aus eine Tour über Bückeburg, Düendorf Hannover - Gehrden[7] - Soltau machen vor dem ich mit Else nach Watersdorf zu der Ferienreise gehen wollte - In Crollage Elsie[8] mit Kl[ein] Albr[echt]. Kriegsgerüchte wurden gestreut durch Anmeldung von Hohnhorsts. 7 Uhr Uhr Abends am Dienstag in Crollage ankommend um die letzten Ferientage dort zu ver- bringen. [Seite 2] Ernst wurde aber am selben Abend telegraphisch nach Hannover zurück berufen vom Regiment, wodurch zum ersten Mal der Ernst der Sache an uns herantrat - Mit Thekla Abend 10 Uhr per Auto nach Bünde ge- bracht - Mittwoch früh telegraphierte Thekla beruhigend an die Söhne, die ruhig in Cr[ollage] bleiben sollten - Elsie sagte: es flaut schon ab - Ich fuhr deshalb am Mittwoch d[en] 29ten wenn es sich noch hinziehen sollte - diese Tour abgemacht zu haben -. Doch Alles lautete doch sehr krie- gerisch - und Nachmittags trat bei Reiths der Jäger-Leutnant Herr von Deken in die Stube u. erklärte - Kriegszustand erklärt - Mobil- machung befohlen - Sie rückten wahrscheinlich die Nacht noch aus. Daher reiste auch ich noch Abends noch wieder ab - über Bethel nach Gütersloh - In Bethel Haus-Eltern [Seite 3] Konferenz wegen des Krieges - wo ich die Geschwister suchte und Schluß mit anhörte - Bereitschaft auf Alles - Kouriere mit den Einberufungsbrie- fen allerwärts - Fritz nach den Leuten fragend, wo sie zu finden. Von Bückeburg nach Bielef[eld] mit Anni die in Minden für sich Urlaub in der Schule bewirken wollte um noch nach Rudolstadt zu können - Ich fuhr mit der Frau eines Garni- sonspfarrers aus Düsseldorf? St[…][9]? rückten - die Züge überfüllt - die Brücken bewacht - alles sprach nur von Krieg in größter Auf- regung - In Gütersloh. Die Jungens in fabel- hafter Begeisterung und Aufregung halfen die Einberufungs-Befehle her- um bringen per Rad. - Frage - ob Schule geschlossen würde oder nicht - Viele reisten ab mit u. ohne Erlaubniß - Unsere durften [Seite 4] noch nicht - Jan[10] bekam auf Bitte von seinem Vater die Erlaubniß sich als Freiwilliger dann wurde Schule geschlossen - In einer Stunde das Nöthigste gepackt und weil Züge schon nicht mehr gingen per Rad mit Rucksack nach Crolla- ge - Bergkirchen - Ostenwalde - Fritz in Giesberths Begleitung - beweglicher Abschied der Jungens von Else - der die Knie zitterten, als Jan vor ihr stand - bepackt mit Rucksack - sie auf den Treppenstufen stehend sich über ihn beugte u. er die Arme um ihren Hals schlang - dann alle fort und das Haus still geworden - Sonntag früh mit Else zur Kirche - (und am Baum angeschlagen - hinter dem Boxkrug[11] stand die Kriegser- klärung Englands[12] - das fuhr einem in die Knochen)[13] - ein tief ergreifender u. erhebender Gottes- dienst in der Auferstehungskirche[14] von Pastor Niemann - 27ten Juli. Gedrängt volle Kirche - Gebet auf den Knien in Kriegsnoth - aber Zuversicht auf den lebendigen Gott. Abendmahl der Scheidenden. [Seite 5] Beratung im Rathshause wie Verpflegung einzurichten. Montag d. 3. August 1914 Um 7 Uhr angetreten in der Mol- kerei von Güt[erslo]h zum Kaffee kochen mit etwa 10 Damen und Herrn Krönig. In einem großen Dampfkessel 500 L[iter] Wasser[15] à L[iter] 4 Tassen gerechnet, also 2000 Tassen Kaffe, dazu 30 Pfund gem[ahlenen] Kaffee und 50 L[iter] erhitzte Milch -. Der Kaffee in Beutel weite durchlässige mit langer Schlinge zu, die auf ein Que[r]holz über den Kessel aufgehengt im Wasser hingen; in große 20 L[iter] Milchkannen mittelst Krahn gefüllt hingefahren. 2 große offne Kübel dazu und zum Abfüllen [Seite 6] hineingegoßen - Auf dem Bahnhof wohl 100 und noch mehr große Waschtisch[e] - Porzelan-Kannen auf Bock-Tischen. Direkt auf den 20 L[iter] Kannen gefüllt. Gruppen gebildet von 3 Güm- nasiasten mit 3 Kannen u. Obertassen 3 bewaffnet und daneben 2 Schülerinnen mit Butterbrot-Tüten - So wie der Zug einläuft, (man weiß nie genau, wo er hält) drauf los in ihre rausgereichten Becher und unsere Tassen vorab; folgt der erste Zug um 9 Uhr - (Ueber Liste der Züge großes Geheimnis bewahren Pflicht -) [Seite 7] Mit großer Freude u. Dankbark[eit] wurde das genommen - ein Hura sondergleichen. So ging es hintereinander 8 angesagte Züge - und viele Reservistenzüge noch dazwischen nach Bielef[eld] zu, die auch sehr durstig - oft verschoben sich die anges[agten] Zeiten - hielten meist nur 5 Minuten - dann alle Kannen neu gefüllt, abgeputzt und Tassen gespühlt (große Wasserkübel wenn Bahnh[of] dort) wieder auf die Tische parat gestellt und wenn längere Zwischenz[eit] mit Laken zugedeckt. Die Gymnasiasten trugen die leeren Tassen fort 2 u. 2 [Seite 8] und holten volle wieder, weil die Molkereipferde eingezo- gen sind -. Die vielen kleinen Lichterschüler[16] - die für die Butter- brote da - war ein rechter Unsinn und Angstpartie für uns und die Bahnbeamten Ein Wunder, daß kein Unglück passiert ist - Soll u. muß an- ders werden - es kamen durch - was ich behalten habe: Zuerst glaube ich die Bückeb[urger] Jäger jedenf[alls] Schweler Dragoner und Kürassiere,[17] begrüßt - sei Sonnabend noch bei seinen Eltern gewesen - trank tüchtig Kaffee und dankte so nett - Ein Stabsarzt Malt- zahn frug nach seinem Neffen hier auf der Schule - und ließ ihn grüßen. Alles so nett [Seite 9] aussehende Offiziere blutjung und ausgezeichnete Haltung überall - großer Ernst - Fürstenauer Husaren oder Fürstenwalder; einige Worte mit dem Komman- dör Graf [Lücke im Text] und Graf Basse- witz gewechselt - Alle woll- ten hören was für neue Nachrichten wir wüßten - (die unglaublichsten Gerüchte hört man ja) - Wir eine halbe Stunde zu Haus zum Mittag ½ 2 wieder da - ein Hauptmann frug nach Prof. Waltemat, dessen Sohn bei seiner Kompanie steht - es ginge ihm gut - Dann Stettiner Ulahnen Kommand[eur] Graf etwa - Uwoschinsky [Seite 10] mit dem ich mich lange unterh[alten] da der Zug ½ St[unde] Aufenthalt hatte. Der Koffer mit Dienstpapieren war abhanden gekommen - Ein alter Wachtmeister berichtete worauf alle Unteroffizier vom Kommandeur befohlen wurden - Telegramme los- gelassen - Der Starbsarzt. (Junggeselle Mutter Ostpr[eußin] jenseitz der Memel. 3 Brüder eventuell einberufen - schriftlich Absch[ied] von der Mutter; hatte auch in Metz gestanden - die Zustände da arg - Wenn wir siegen was wir doch hoffen können mit Recht - dabei sah er leuchtend aus - dann wird ein ander Bild - sehr interess[ant] wie sichs entw[ickelt] wir mitten [Seite 11] drin - Wenn nur Oest[e]r[reich] bald mit Serbien fertig wird - dann Italien faßt Frankr[eich] von Süden - usw. - die Kaiserin Mutter[18] von Rußland[19] kam ja gestern hier durch - soll in Berlin angehalten sein - Verdacht, daß 40 verkl[eidete] R[ussische] Offiz[iere] im Zuge gewesen. Schatz mit Beschlag belegt - (Jap[an] Schuld?) Ueber irgend eine wichtige Brücke - sei kommandiert: Augen zu - Hände auf die Knie gelegt - Ein rus[sischer] Arzt habe versucht Kolera-Bazillen in die Brunnen zu legen - vor der Ausf[ührung] gefaßt u. standr[echtlich] er- schossen - Heute Nachm[ittag]. ½ 5 übernahm ich die Aufsicht auf dem Bahnhof. [Seite 12] Viel angenehmer als so viel Köpfe - um 7 etwa Befehl - daß keine Verpflegung mehr stattfinden solle heute Abend. Also Schluß - alle Kannen in Sicherh[eit] gebr[acht] voll Kaffee der morgen kalt gereicht wer- den soll - 2 Waschk[örbe] Butterbr[ote] noch da - Alle Kannen u. Tassen noch gewaschen - Unterdessen die Andern - Kommithee -Sitzung im Rathaus - Aber andere Organisation, nur 40 Menschen sollen zugelassen werden keine kleinen Mädchen - nur 10 Damen 5 Herren 25 Schüler; Abwechslung eingerichtet - todtmüde zu Bett. [1] Vermutlich Mathildes Schwester Adelheid (*1869; †1950). [2] Elisabeth Gabriele Valérie Marie Herzogin in Bayern (*1876; †1965). [3] Vermutlich Mathildes Schwester Else (Elisabeth, *1861; †1945). [4] Vermutlich Mathildes Schwester Marie (*1871; †1954). [5] 1914 eröffnet als Provinzial-Pflege- und Heilanstalt Gütersloh; im Ersten Weltkrieg aber zunächst Gefangenenlager für Offiziere; 1919 wieder eröffnet; später bis 2007 Westfälische Klinik Gütersloh, heute LWL-Klinikum Gütersloh. [6] Schloss Crollage in Preußisch Oldendorf, Niedersachsen; seit 1623 in Familienbesitz. [7] Im Text: Gerden. [8] Vermutlich Mathildes Schwägerin Elisabeth (*1868; †1927, Ehefrau ihres Brudes Karl, mit ihrem Sohn Albrecht (*1906, †1927). [9] Unleserlich. [10] Mathildes Neffe Jan (Johann, *1897; †1920), Sohn ihres Bruders Wilhelm. [11] Gasthaus Bockskrug in Gütersloh. [12] Kriegserklärung Englands an Deutschland am 04.08.1914. [13] Klammer mit Kommentar an der rechten Seite: "Dies war wohl am 5ten dem Kriegsbettag". [14] Auferstehungskirche 1911-1933, bis 1911 Neue Kirche oder Neue evangelische Kirche, seit 1933 Martin-Luther-Kirche im Zentrum von Gütersloh. [15] Rechter Rand: für 2 Züge à 1000 M[ann]. [16] Am Rand in anderer Handschrift korrigiert: "Töchter-". [17] Berittene militärische Einheit. [18] Eingefügt: Mutter. [19] Victoria Alix Helena Louise Beatrice von Hessen und bei Rhein (*1872; †1918). | |||||||||||||
PROVENIENZ | Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen | |||||||||||||
BESTAND | Nachlass Margarete Stoevesandt-Herzog (unverzeichnet) | |||||||||||||
MATERIAL | Papier | |||||||||||||
SPRACHE | deutsch | |||||||||||||
ÜBERLIEFERUNGSART | Original | |||||||||||||
PROJEKT | Der Erste Weltkrieg in Westfalen - Ausgewählte Archivquellen | |||||||||||||
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN |
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DATUM AUFNAHME | 2014-03-05 | |||||||||||||
DATUM ÄNDERUNG | 2014-04-03 | |||||||||||||
AUFRUFE GESAMT | 4913 | |||||||||||||
AUFRUFE IM MONAT | 92 | |||||||||||||
Seiten-URL: http://www.westfaelische-geschichte.de/que115265 | ||||||||||||||
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