Internet-Portal "Westfälische Geschichte" / Drangsale in der Kriegszeit 1941: Zeitungsfoto eines Halterner Bürgers, der den "Juden Cohn mit kriegsbewirtschafteten landwirtschaftlichen Produkten" beliefert haben soll

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Drangsale in der Kriegszeit 1941: Zeitungsfoto eines Halterner Bürgers, der den "Juden Cohn mit kriegsbewirtschafteten landwirtschaftlichen Produkten" beliefert haben soll / Haltern, Stadtarchiv

TITEL

Drangsale in der Kriegszeit 1941: Zeitungsfoto eines Halterner Bürgers, der den "Juden Cohn mit kriegsbewirtschafteten landwirtschaftlichen Produkten" beliefert haben soll

DATIERUNG

1941-04-03

INFORMATION

So unscharf dieses Zeitungsfoto auch sein mag, so deutlich vermittelt es doch die grausame Demütigung zweier alter, dem Terror gegenüber hilfloser Menschen.

Den Hintergrund, der diesem Foto zugrundeliegt, beschrieb die in Gelsenkirchen erscheinende "Nationalzeitung" am 03.04.1941 unter der Rubrik "Notizen aus der Seestadt Haltern" folgendermaßen:

"Aufklärung über einen gewissenlosen Judenfreund... Haltern. Am Montagabend sahen die Volksgenossen in den Halterner Straßen ein ungewohntes Bild. Ein Judenfreund, der schon seit längerer Zeit den Juden Cohn mit kriegsbewirtschafteten landwirtschaftlichen Produkten zusätzlich beliefert hatte, wurde auf frischer Tat ertappt und marschierte nun neben diesem durch die Straßen von Haltern. Es handelte sich um den Johann Unterberg aus Sythen... " [1]

Wohl aufgrund einer Denunziation wußte die Polizei von der Verbindung, die durch eine Hausdurchsuchung bestätigt wurde. Beim Verhör gab Hermann Cohn in verständlicher Angst den Namen seines Lieferanten preis, was die Zeitung hetzend so umschrieb: "Es ist symbolisch, daß der Jude ohne jedes Bedenken bei der ersten Vernehmung seinen Freund im Stich ließ...". Das Vergehen gegen das Kriegswirtschaftsgesetz, das, wie es drohend hieß, "den beiden teuer zu stehen kommen" werde, muß auch vor dem Hintergrund der Bestimmungen gesehen werden, die den Juden seit Kriegsbeginn Lebensmittelrationen und Bezugsartikel kürzten oder sogar sperrten, einmal ganz davon abgesehen, daß die drei in Haltern verbliebenen Juden seit dem September 1939 nur noch in sechs Geschäften der Stadt einkaufen durften.

Was der Grund für die Lebensmittelhilfe für den alleinstehenden, fast 68jährigen Hermann Cohn war, ist unbekannt - am wahrscheinlichsten sind wohl freundschaftliche Beziehungen aus früherer Zeit zwischen den beiden ihrem Alter nach nicht weit voneinander entfernten Männern. Auf jeden Fall wurden der "schamlose Judenfreund und sein natürlich schon von Haus aus gewissenloser Abnehmer", der eine mit einem Eierkorb in der Hand, der andere mit einem sein "Vergehen" anzeigenden Schild um den Hals, unter Polizeibegleitung durch die Straßen der Kleinstadt geführt, gedemütigt, angeprangert und voller Angst, die sich als nur zu berechtigt erweisen sollte.

Am 15.05.1941 wurden auf Weisung der Gestapo die Juden in Haltern, die auch hier, wie überall, schon in "Judenhäusern" konzentriert waren - in Haltern im Haus Münsterstraße Nr. 28 -, durchsucht. In diesem Zusammenhang wurde bei Cohn ein altes Radiogerät beschlagnahmt, dessen Besitz für Juden seit September 1939 verboten war. Nur weil sich das Radio als unbrauchbar erwies, wurde, so der Polizeibericht, "von einer Inschutzhaftnahme des Juden Cohn Abstand genommen".

Aber auch so gewann der alte Mann nur eine Galgenfrist: ein Jahr später lebte er wohl schon nicht mehr, verschollen irgendwo im Osten, wohin ihn der Sicherheitsdienst (SD) Recklinghausen mit seinen Halterner Schicksalsgefährten im Januar 1942 deportiert hatte.

[1] Zitiert nach Hans-Günther Schneider, Georg Nockemann, Bernhard Brilling: Die Geschichte der Juden in Haltern, Haltern 1982, S. 59.

TECHNIK

Zeitungsdruck

MATERIAL

Papier

FORMAT

jpg

OBJEKT-PROVENIENZ

Haltern, Stadtarchiv

QUELLE