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TITELWewelsburger Häftlingsgruppen


INFORMATIONDie Kennzeichnung in der vorliegenden Form war sei 1937/1938 vorgeschrieben, als nach den "politischen Schutzhäftlingen" erstmals andere Gruppen in deutsche Konzentrationslager eingeliefert wurden. Die folgenden Bemerkungen zu den Positionen der einzelnen Häftlingskategorien im Konzentrationslager in Wewelsburg, nach der auch die Auswahl der Winkel erfolgte, sind auf der Grundlage der sehr schlechten Quellenlage für Wewelsburg zu verstehen. Da die Lagerkartei verlorenging, liegen als Quellen außer der Aufzeichnung des ehemaligen Lagerschreibers Wettin Müller, die dieser aus dem Gedächtnis am 04.05.1945 für einen britischen Vernehmungsoffizier angefertigt hat, nur durch Zufall aufgefundene, verstreute Transportlisten sowie die standesamtlichen Sterbeurkunden vor.


"Politische Schutzhäftlinge" (1 und 2)

Sie waren die früheste Kategorie von KZ-Häftlingen. Gleich nach der "Machtergreifung" im Januar 1933 wurden politische Gegner des Nationalsozialismus, in erster Linie Kommunisten, Gewerkschaftler, Sozialdemokraten, aber auch Pazifisten, Anarchisten sowie einzelne Vertreter bürgerlicher Parteien und Organisationen verhaftet und in Konzentrationslager eingeliefert. Als sich das Verfolgungssystem etabliert hatte, verhängte die Geheime Staatspolizei (Gestapo) sogenannte "Schutzhaft" ohne richterliche Anordnung und Kontrolle auf der Grundlage der  "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" vom 28.02.1933, durch die wesentliche Grundrechte aufgehoben worden waren. Ein Gerichtsverfahren fand nicht statt.

Zu den deutschen Häftlingen traten ab 1939 polnische Schutzhäftlinge, darunter viele Geistliche und Intellektuelle. Es war eine bewußte Strategie, die führenden Schichten des polnischen Volkes auszurotten, um die Polen langfristig zum Sklavenvolk der Deutschen zu erniedrigen. Mit der Eroberung westeuropäischer Staaten wurden auch dortige Widerstandskämpfer in die Konzentrationslager eingeliefert.

ln Wewelsburg bildeten die deutschen Schutzhäftlinge mit ungefähr 100 Personen eine kleine Häftlingsgruppe; größer war die Zahl polnischer Häftlinge. Allein 122 von ihnen wurden in Wewelsburg getötet. Auch Angehörige anderer Nationen befanden sich als politische Häftlinge im Lager. Umgekommen sind dort 4 Belgier, 18 Franzosen, 3 Niederländer, 1 Serbe und 10 Tschechen.


"Bibelforscher" (3)

Die "Zeugen Jehovas", Angehörige der freikirchlichen Gemeinschaft der "Internationalen Vereinigung der Ernsten Bibelforscher", wie sie sich früher nannten (daher ihr KZ-Name), wurden hauptsächlich aufgrund ihrer Weigerung, sich in die sog. "deutsche Volksgemeinschaft" einzuordnen, und ihres bedingungslosen Pazifismus im "Dritten Reich" verfolgt. Nachdem 1935 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt worden war, weigerten sie sich, Soldat zu werden. Nach ihrer gesetzlichen Verurteilung und der Ableistung ihrer Strafe wurden sie, wenn sie erneut verweigerten, in ein Konzentrationslager eingeliefert. Später geschah das unmittelbar.

Für Wewelsburg bildeten die "Bifo-Häftlinge" eine Gruppe von zentraler Bedeutung. Zweimal in seiner Geschichte waren im Lager nur Zeugen Jehovas, vom Februar 1940 bis zum September 1940 und vom Mai 1943 bis 1945 (in dieser Zeit mit der Ausnahme von zwei politischen Schutzhäftlingen). Aus diesem Grunde weist das Wewelsburger KZ die Besonderheit auf, daß dort während der ganzen Zeit ein Zeuge Jehovas den Posten des Lagerältesten bekleidete. Die SS schätzte die "Zeugen Jehovas" wegen ihrer Disziplin und ihres Arbeitseinsatzes.
Im Laufe der Jahre des Bestehens des Wewelsburger KZ wurden insgesamt ungefähr 300 "Bibelforscher" eingeliefert. Laut dem Bericht des ehemaligen Lagerschreibers Wettin Müller, selbst Zeuge Jehovas, sollen von ihnen nur 19 gestorben sein. Dies ist auf die aus ihrem Glauben erwachsende Kraft und auf die intensive gegenseitige Hilfe zurückzuführen, die die Zeugen Jehovas einander leisteten.


"Befristete Vorbeugungshäftlinge" und "Sicherungsverwahrte" (4 und 5)

Bei den "Befristeten Vorbeugungshäftlingen" handelte es sich um Menschen, die seit 1937 im Zuge sogenannter "vorbeugender Verbrechensbekämpfung" in die Konzentrationslager eingeliefert wurden. Sie waren meist mehrfach straffällig geworden, hatten aber ihre Strafen abgeleistet und waren aus der Haftanstalt entlassen worden. Die Gestapo konnte sie nach einem Erlaß festnehmen, wenn sie der Ansicht war, sie könnten "auch in Zukunft strafbare Handlungen begehen". [1] Seit 1942 überwies man aus den Strafanstalten auch Häftlinge in die Konzentrationslager, für die besonders schwere Haftbedingungen, sog. "Sicherungsverwahrung", angeordnet waren. Die "Sicherungsverwahrten" bildeten die einzige Häftlingsgruppe, die Strafhaft im KZ ableistete.

Die Erfahrungen in Wewelsburg bestätigten das Bild, das sich auch in anderen Konzentrationslagern bietet, wonach es unter den BV-Häftlingen (von der SS "Berufsverbrecher" genannt) zahlreiche Charaktere gab, die sich auf Kosten ihrer Mithäftlinge bereichern und am Leben erhalten wollten. Seit im Oktober 1941 ein Transport mit 100 BV-Häftlingen aus Sachsenhausen in Wewelsburg eintraf, wo sich zu diesem Zeitpunkt nur Zeugen Jehovas befanden, ging der Einfluß der Bibelforscher Häftlinge zurück. Die meisten Positionen, die von der SS Häftlingen übertragen wurden, wie "Häftlingsvorarbeiter", "Blockältester" u.a. wurden den neuen Häftlingen übergeben. Sehr viele verbreiteten durch eine rücksichtslose Umsetzung der SS-Maximen Schrecken unter ihren Kameraden. Mehrere Todesfälle gehen auf das Konto der Häftlingsvorarbeiter mit dem grünen Winkel. Insgesamt wurden etwa 250 (Mindestzahl) BV-Häftlinge nach Wewelsburg eingeliefert, von der kurzen Anfangsphase von Mai 1939 bis Februar 1940 abgesehen, als sich nur "Befristete Vorbeugungshäftlinge" (insgesamt 160) in Wewelsburg befanden.


"Asoziale", "Arbeitserziehungshäftlinge"" und "Zigeuner" (6, 7 und 8)

Etwa gleichzeitig mit dem Beginn der "vorbeugenden Verbrechensbekämpfung" begann die SS-Führung, sogenannte "Asoziale"` festnehmen zu lassen. Es handelte sich um Menschen, die überwiegend nicht straffällig geworden waren, aber durch Lebensgewohnheiten auffielen, die vom "gesunden Volksempfinden" abgelehnt wurden: Bettler, Landfahrer, Prostituierte, Zuhälter, Verkehrssünder, Alkoholiker u.a.m. Wer z.B. zweimal eine ihm über das Arbeitsamt angebotene Beschäftigung nach Ansicht der Gestapo "ohne berechtigten Grund" abgelehnt hatte, konnte ab 1939 aufgrund eines Erlasses als "Arbeitsscheuer" in ein KZ eingeliefert werden. Diese Menschen hießen "Arbeitserziehungshäftlinge".

Denselben schwarzen Winkel trugen anfangs auch die ebenfalls in diesem Erlaß genannten Sinti und Roma, die ab 1940 wie die Juden als "rassisch minderwertig" eingestuft und ebenfalls durch Gas ermordet wurden. Nach Wewelsburg wurden etwa 300 Häftlinge dieser Kategorie (Mindestzahl) eingegliedert. Aus den Todesurkunden läßt sich nur die Zahl der als "Zigeuner" bezeichneten Personen ermitteln. Es waren 15 Menschen. Die übrigen ermordeten "Aso-Häftlinge", wie sie im SS-Jargon genannt wurden, sind in der Gesamtzahl der 357 deutschen Toten enthalten.


"Homosexuelle" (9)

Homosexualität widersprach fundamental dem nationalsozialistischen Familienbild, das auf die "Erzeugung artgerechter Nachkommenschaft" angelegt war. Bereits 1933 kam es daher zur Verfolgung von Homosexuellen. 1934 wurde eine besondere Erfassungsstelle für homosexuelle Delikte gegründet, 1935 der § 175 des Strafgesetzbuches so verschärft, daß alle Kontakte unter Männern, "die objektiv nach gesunder Volksanschauung das Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Weise verletzen" [2], unter Strafe gestellt wurden. Die Einlieferung homosexueller Männer in Konzentrationslager begann nach Großrazzien 1936 und wurde seit 1937 im wesentlichen analog zu den Aktionen gegen "Asoziale" gehandhabt. Für Wewelsburg ist nur bekannt, daß sich Häftlinge dieser Kategorie im Lager befunden haben. Genaue Zahlen liegen nicht vor.


Es ist unmöglich, die Geschichte des Völkermordes an den europäischen Juden in Stichworten wiederzugeben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zunächst die Tatsache, daß die Konzentrationslager im Reichsgebiet nicht als Vernichtungslager für die jüdische Bevölkerung dienten. Die Vernichtungslager errichtete man ab 1941 aus politischen Gründen auf dem Territorium des 1939 zerstörten polnischen Staates.

Bei den jüdischen KZ-Häftlingen, die in Lager innerhalb Deutschlands gefangengehalten wurden, handelte es sich um Menschen, die man vor 1941 unter unterschiedlichen Vorwänden festnahm, die dann durch die Farbe ihrer Winkel ausgedrückt wurden. Allerdings erfolgten diese Festnahmen meist im Zusammenhang mit den spezifischen Phasen antisemitischer Verfolgung in Deutschland 1933 (Boykott), 1935 ("Nürnberger Gesetze", z.B.  "Gesetz zum Schutze des Deutschen Blutes und der deutschen Ehre"), 1938 (Pogrom in der sog. "Reichskristallnacht"), sowie seit Kriegsbeginn im gesamten besetzten Ausland.

In Wewelsburg wie in allen übrigen Lagern waren die jüdischen Häftlinge diejenigen mit den geringsten Überlebenschancen, verkörperten sie doch in den Augen der SS das Gegenbild des "arischen" Deutschen schlechthin. Ihnen ließ die SS auch nicht die kleinste Möglichkeit zum Durchhalten, die jedes Konzentrationslager dann und wann bot. Den Juden bestritt man jedes Lebensrecht. Wieviel jüdische Häftlinge das KZ Niederhagen hatte, ist nicht mehr genau feststellbar. Zeugenaussagen zufolge sind alle als Juden bekannte Häftlinge ermordet worden. Hinweise auf eine Zugehörigkeit zum Judentum finden sich jedoch nur in zwanzig Sterbeurkunden von Menschen, die aus Deutschland, Polen und der Sowjetunion stammten.


Sowjetische Kriegsgefangene und Fremdarbeiter (ohne Winkel)

Der Krieg gegen die Sowjetunion leitete die entscheidende Phase der NS-Vernichtungspolitik ein. Er wurde als "Rassenkrieg" gegen den "jüdisch-bolschewistischen Untermenschen" geführt, gegenüber dem jegliche Regeln, selbst die des Kriegsvölkerrechts, mißachtet werden durften. Durch zwei Erlasse Hitlers, den "Kriegsgerichtserlaß" vom 13.05.1941 und den "Kommissarbefehl" vom 06.06.1941, wurde die Wehrmacht vor Beginn des Rußlandfeldzuges darauf festgelegt, daß Zivilisten im eroberten Gebiet, die "die Wehrmacht angriffen", ohne Kriegsgerichtsverfahren "niedergemacht" werden sollten. Politische Kommissare der Roten Armee waren ohne Ausnahme zu erschießen. [3] Die Beteiligung am Völkermord an den Juden wurde frühzeitig durch ein Abkommen zwischen der Abteilung Kriegsgefangene im Oberkommando der Wehrmacht und dem Reichssicherheitshauptamt der SS vom 17.07.1941 geregelt, wonach alle "untragbaren Gefangenen", d.h. bedeutende Funktionäre des Staates oder der KPdSU, "Intelligenzler", "fanatische Kommunisten" und alle Juden unter den Kriegsgefangenen ausgesondert und exekutiert werden sollten. Zu diesem Zweck sollten sie den eigens gebildeten "Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei" und des SD, des Sicherheitsdienstes der SS, übergeben werden. [4] Da die sowjetischen Gefangenen als gleichwertige Menschen angesehen wurden, ließ man auch viele sterben, auf die keines der genannten Kriterien zutraf. Sie verhungerten oder erfroren auf den Transporten und Fußmärschen ins deutsche Reichsgebiet. Hier waren in der Zwischenzeit provisorische Lager von erschreckender Primitivität errichtet worden, in denen die Kriegsgefangenen, von Wehrmachtssoldaten beaufsichtigt, unter unmenschlichen Bedingungen dahinvegetierten. Allein im "Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager 326" in Stukenbrock bei Bielefeld starben insgesamt 45.000 Menschen. Auch hier selektierte die SS weiter "Juden und kommunistische Funktionäre", die nach einem Befehl vom August 1941 im nächstgelegenen Konzentrationslager erschossen wurden.

Der erste Transport sowjetischer Gefangener erreichte Wewelsburg am 10.06.1942. Die Männer waren völlig entkräftet und starben in großer Zahl bei den schweren Erd- und Steinbrucharbeiten. Im September 1942 tötete die SS im Konzentrationslager Niederhagen erstmals 10 sowjetische Kriegsgefangene durch Erschießen. Bis zum März 1943 kam es zu vier weiteren Erschießungen aufgrund von Einweisungen verschiedener Gestapo-Stellen in Westfalen-Lippe. Bei den späteren Transporten handelte es sich nur noch um Durchgangstransporte, da man die Überlebenden jeweils nach wenigen Tagen weiter schaffte. Insgesamt waren - schätzungsweise, da hier die Angaben besonders unzuverlässig sind - ca. 1.100 Sowjetbürger im Wewelsburger Konzentrationslager. Davon kamen 734 um. Sie bilden die größte Gruppe unter den Opfern.

Die Kriegsgefangenen machten nur einen Teil der sowjetischen Häftlinge im Lager aus. Eine zweite große Gruppe bildeten die "Fremdarbeiter" aus der Sowjetunion. Im Jahre 1942 hatte die Führung des Deutschen Reiches unter Hintanstellung schwerer "rassenpolitischer" Bedenken erlaubt, daß wegen des gravierenden Arbeitskräftemangels auch sowjetische Zivilarbeiter im Reichsgebiet arbeiten durften. Bei "Disziplinwidrigkeit", "reichsfeindlichen Bestrebungen", "kriminellen Verfehlungen" und "Geschlechtsverkehr mit Deutschen" sollte aufgrund eines Himmler-Erlasses vom 20.02.1942 sofort mit Einweisung in ein Konzentrationslager bzw. mit Hinrichtung gegen sie vorgegangen werden. [5] Die Zahl der sowjetischen "Fremdarbeiter" im KZ Niederhagen ist nicht mehr genau zu ermitteln. Gezielt wiesen die Stapo-Leitstellen Bielefeld und Düsseldorf Personen aus dieser Gruppe nach Wewelsburg ein. Aus dem "Arbeitserziehungslager Essen-Mühlheim" gelangten jedoch auch Zivilarbeiter aus anderen osteuropäischen Ländern in das KZ Niederhagen. Bekannt ist darüber hinaus, daß unter den 420 sowjetischen Häftlingen, die das Lager in der Zeit vom 22.12.1942 bis zum 08.01.1943 erreichten, nur 41 Kriegsgefangene waren, neben 60 Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren, die offenbar bei Razzien in der Sowjetunion festgenommen und als "Partisanen" eingeliefert wurden. 32 Arbeiter und 3 Arbeiterinnen aus der UdSSR wurden von April 1942 bis März 1943 im Hof des Zellenbaus erhängt.


Quelle: K. Hüser, Dokumentation, S. 351.

[1] Vgl. F. Pingel, Häftlinge unter SS-Herrschaft. Widerstand. Selbstbehauptung und Vernichtung im Konzentrationslager, Hamburg 1978, S. 70ff.
[2] A. Schänke, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 2. Aufl., Berlin 1944, S. 392.
[3] Vgl. H.A. Jacobsen, Anatomie des SS-Staates 2, 2. Aufl., München 1979, S. 181ff., 188ff.
[4] Ders., S. 200ff.
[5] U. Herbert, Fremdarbeiter, Politik und Praxis des "Ausländer-Einsatzes" in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Berlin/Bonn 1985, S. 156.


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OBJEKT-PROVENIENZBüren, Kreismuseum Wewelsburg


QUELLE    Hüser, Karl / Brebeck, Wulff E. | Wewelsburg 1933-1945 | Dia 04, S. 26-32
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ95   Grafik, Schaubild, Diagramm
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.7.4   Büren, Stadt
Sachgebiet3.2   Politische Ideologien
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT1340
AUFRUFE IM MONAT328