[WestG] [AKT] Vor 70 Jahren wurden Herten die Stadtrechte uebertragen

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Mit Apr 19 10:30:14 CEST 2006


Von: "Pressestelle der Stadt Münster" <info at presse-service.de>
Datum: 18.04.2006 11:04


AKTUELL

Vor 70 Jahren wurden Herten die Stadtrechte übertragen
Hertens Weg zur Stadtwerdung

Am 20. April 2006 jährt sich zum 70. Mal der Tag, an dem Herten das 
Recht verliehen wurde, die Bezeichnung "Stadt" zu führen. Herten ist 
somit eine junge Stadt. Mit der Bildung des Amtes Herten im Jahre 1856
hatte Herten bereits vor 150 Jahren eine eigenständige Verwaltung 
erhalten.

Vor der beginnenden Industrialisierung und dem Einsetzen des Bergbaus 
war Herten dörflich-ländlich geprägt und hatte um 1870 nicht einmal 900 
Einwohner. Nach dem Abteufen des ersten Schachtes 1872 und dem 
Abbaubeginn des Flözes Ewald erfuhr Herten eine rasante Entwicklung 
und wurde bald zu einer der größten Bergbaugemeinden Europas.

Die dynamische Entwicklung des gesamten Ruhrgebiets machte eine 
Neuregelung der kommunalen Grenzen erforderlich, die unter der 
Weimarer Republik in Angriff genommen wurde. Aufgrund dieser Neuordnung 
wurden 1926 die Ortsteile Disteln, Langenbochum, Scherlebeck mit der 
Landgemeinde Herten vereinigt. Herten erzielte eine beträchtliche
Gebietserweiterung und zählte nun 35.000 Einwohner.

Das Wachstum Hertens und seine wirtschaftliche, finanzielle und kulturelle 
Leistungsfähigkeit ließen bald den Ruf nach Stadtwerdung laut werden. 
Treibende Kraft und Motor in dieser Diskussion war der Verkehrsverein e. V. 
Herten. Am 7. Januar 1927 richtete der Verkehrsverein an die Hertener 
Gemeindevertretung den Antrag: "Die Gemeindevertretung wolle die 
Stadtwerdung Hertens beschließen!"

Unterzeichnet war der Antrag vom Vorstandsvorsitzenden des Verkehrsvereins, 
Bergwerksdirektor Hugo Hein, sowie den Vorstandsmitgliedern Sanitätsrat 
Dr. med. Loewenstein, Betriebsleiter Meyer-Josting (Vestische), Rechtsanwalt 
Schmülling und Geschäftsführer Reuther. Dem Antragsgesuch lag eine Liste 
von rund 40 Vereinen, Organisationen und sonstigen Institutionen bei, die das 
Vorhaben per Unterschrift unterstützten und somit den Wunsch breiter 
Bevölkerungsschichten zum Ausdruck brachten.

Dem Gesuch des Verkehrsverein lag eine Denkschrift "Die Stadtwerdung Hertens"
bei, in der detailliert dokumentiert wurde, dass Herten sich längst zur Stadt 
entwickelt habe und städtische Prägung besäße. Von der Gemeindeverwaltung 
wurde die Angelegenheit eingehend geprüft. Man ließ sich sogar Akten von 
Kommunen kommen, die jüngst zur Stadt ernannt worden waren. Aus heute im 
Einzelnen nicht mehr nachvollziehbaren Gründen und wohl unter dem Eindruck 
der Weltwirtschaftskrise, die auch Herten schwer traf, wurde der Vorgang nicht 
weiter verfolgt und 1931 zu den Akten genommen.

Nach der nationalsozialistischen "Machtergreifung" wurde die noch aus der 
Weimarer Republik stammende Idee der Stadtwerdung wieder aufgegriffen. Am
 23. Januar 1936 wandte sich Bürgermeister Dr. West an den Landrat mit der 
Bitte, "für die Gemeinde Herten die Verleihung der Bezeichnung *Stadt' beim Herrn 
Oberpräsidenten zu erwirken". Nach der Deutschen Gemeindeordnung von 1935, 
die sich selbst als "Grundgesetz des nationalsozialistischen Staates bezeichnete", 
konnte der Oberpräsident der Provinz Westfalen in seiner Funktion als 
"Reichsstatthalter" die Bezeichnung *Stadt' verleihen.

Beim Oberpräsidenten lag bereits eine Formblatt vor, in dem nur der Name der
gesuchstellenden Gemeinde einzutragen war. Die Verleihung sollte jedoch zum 
20. April, dem "Führer-Geburtstag", erfolgen. Der Verleihungstext war ebenso 
vorgegeben. Insbesondere wurde Wert gelegt auf den Datumsnachsatz "am 
20. April des Jahres 1936, am Geburtstag des Führers Adolf Hitler, der in diesem 
Jahre den Rhein endgültig befreite und damit dem Deutschen Reich die 
Gleichberechtigung wiedergewann", womit an den vertragswidrigen Einmarsch 
der Wehrmacht ins demilitarisierte Rheinland erinnert werden sollte.

Besondere Rechte waren mit der Verleihung der Bezeichnung *Stadt' gemäß der 
Deutschen Gemeindeordnung von 1935 nicht verbunden. Neben Herten wurde 
auch den Gemeinden Marl und Datteln am 20. April 1936 die Bezeichnung mit 
gleichem Wortlaut verliehen.

Die Stadturkunde für Herten wurde am 14. Juni 1936 im Eden-Theater durch 
den Oberpräsidenten der Provinz Westfalen überreicht. Für die Bevölkerung 
wurde von der NSDAP für den 18. August 1936 ein Fest organisiert. Die 
Stadtverwaltung hatte erwirken können, dass eigens für das Fest der Graf 
von Nesselrode-Reichenstein seinen Schlosspark öffnete.